Karl Urban

Serienkritik: The Boys Staffel 3

Ring frei zur nächsten Runde! Erneut veröffentlicht Amazon Prime „The Boys Staffel 3“ mit drei Folgen zum Start und weiteren Episoden jeden Freitag, wie auch schon bei Staffel 2. Das wird sicher nicht jedem Fan der Serie gefallen. Der Presse stellte der Streamingdienst immerhin sechs der acht neuen Folgen vorab zur Sichtung zur Verfügung, stellte dafür aber alle wichtigen Handlungsstränge unter Embargo. Fakt ist: Das Kreativteam um Serienschöpfer Eric Kripke, der bereits „Supernatural“ vor vielen Jahren aus der Teufe hob, hat nicht nur einen der Stars aus seiner ehemaligen Hit-Serie für The Boys verpflichtet. Die Story nimmt auch nach wie vor keinerlei Rücksicht auf zartbesaitete Zuschauer. Warum das immer noch viel Spaß macht, klärt die Kritik.

Hier gibt es die Kritik zu The Boys Staffel 1.

Hier gibt es die Kritik zu The Boys Staffel 2.

The Boys Staffel 3
The Boys machen diesmal einen kleinen Ausflug nach Russland. Was kann da schon passieren?

Die Handlung

Ein Jahr ist vergangen. Butcher (Karl Urban) trauert immer noch um seine Frau und hält den Kontakt zu ihrem Sohn. Hughie (Jack Quaid) arbeitet mit der Kongress-Abgeordneten Victoria Neumann (Claudia Dounit) zusammen, die mit legalen Mitteln gegen die Supes kämpfen will. Dafür hat er die Boys verlassen. Er weiß nicht, dass Neumann in Wirklichkeit der Killer ist, der etliche Menschen durch Explosion ihrer Körper umbrachte – und somit selbst ein Supe. Annie alias Starlight (Erin Moriarty) lebt inzwischen mit Hughie zusammen. Und bildet mit Queen Maeve (Dominique McElligott) eine Widerstandszelle innerhalb der Seven, um den immer  unkontrollierter agierenden Homelander (Anthony Starr) im Auge zu behalten und rechtzeitig gegen seine Pläne agieren zu können.

Doch der Anführer des Teams ist zwar paranoid, aber nicht dumm. Immer wieder testet er aus, wie weit er beim Vought-Boss Edgar (Giancarlo Esposito) gehen kann, bevor der Maßnahme ergreift. Immer häufiger droht der wohl mächtigste Supe des Planeten Straight offen mit einem Putsch, um die ganze Erde unter seine Herrschaft zu zwingen. Währenddessen bleibt Meave nicht untätig und stattet Butcher mit einer neuen Droge aus, die den Nutzer zum Superhelden macht – allerdings nur für 24 Stunden. Mit dieser neuen Droge machen sich Butcher und die anderen Boys auf die Suche nach einer Waffe, mit der man Homelander umbringen könnte. Und ausgerechnet in Russland findet sich eine heiße Spur …

Noch blutiger als früher

Eric Kripke behält als Showrunner seinen Kurs bei. Auch The Boys Staffel 3 ist megabrutal, vielleicht sogar noch etwas derber als früher. Und lässt selbst Filme wie Deadpool dagegen harmlos aussehen. Der Comic-Story des irischen Autors Garth Ennis („Preacher“) dient der Serie weiterhin eher als lose Vorlage denn als genaue Blaupause. Entscheidend dabei ist, dass die klare Botschaft von Ennis, dass alle Superhelden in The Boys mehr oder weniger stark geisteskrank und potenziell extrem gefährlich sind, auch in der TV-Umsetzung um keinen Deut schwammiger wird. Subtil war Ennis nie, und auch Kripke setzt seine Story mit dem Holzhammer um. Damit möglichst kein Zuschauer im Unklaren darüber bleibt, wer hier die wahren Helden sind.

Und wie Ennis nutzt auch Kripke mit seinem Autorenteam die Möglichkeit, in der Maske einer Sci-Fi-Superhelden-Serie den USA den Spiegel vorzuhalten. Und die bigotte Politik, den extremen Einfluss der Medien und die total Geldgier in ebenso drastischen wie schwarzhumorigen Nebenplots zu attackieren. Das werden Zuschauer, je nach Humorverständnis, entweder sehr lustig finden. Oder darüber aufgrund der bösartigen Story nicht mehr darüber lachen können. Allerdings war The Boys wie die Comicvorlage schon seit der ersten Staffel eine extreme Geschmackssache. Wer die beiden ersten Staffeln mochte, und das waren weltweit sehr viele Zuschauer, wird mit The Boys Staffel 3 nun noch tiefer in den Kaninchenbau des blutigen Irrsinns geführt.

The Deep
The Deep ist wieder da – dank einer extrem ehrgeizigen Gattin.

Duell der Psychopathen

Schon von Beginn an baut die Serie dabei Homelander und Butcher als zwei Seiten einer Medaille auf, deren letztliche Auseinandersetzung immer klar war. Kripke zeigt in der aktuellen Staffel aber vor allem, wie schnell der eigene moralische Kompass sich verstellen kann, wenn das Ziel nah vor Augen liegt. Wie bereits in den vorherigen Staffeln ist es wieder Starlight, deren Moralverständnis nach normalen Maßstäben noch funktioniert, während ihr Freund erneut den Versuchungen erliegt. Um die acht neuen Folgen mit möglichst viel Handlung zu füllen, hat Kripke diesmal ungewohnt viele Nebenplots beigefügt. So bekommt Frenchie (Tomer Capon) unliebsamen Besuch aus der Vergangenheit. Und auch Mother’s Milk (Laz Alonso) kann seine Kindheitstraumata nicht abschütteln.

Schauspielerisch ist The Boys Staffel 3 gewohnt gut. Anthony Starr ist als Homelander nach wie vor grandios. Karl Urban als Billy Butcher eine wunderbare Parodie auf den harten Kerl, der so oft flucht, dass er es schon gar nicht mehr merkt. Neuzugang Jensen Ackles als Soldier Boy wurde durch Kripke in Supernatural zum Star. Und zahlt seinem Mentor hier durch eine tolle Leistung einiges zurück. Der als böse Parodie auf Captain America gemeinte Held, der hier als feuchter Traum jedes strammrechten Republikaners agiert, macht dabei eine Menge Spaß. Und schürt so die Hoffnung, dass der Charakter der Serie in einer möglichen vierten Staffel erhalten bleiben möge.

Jensen Ackles
Soldier Boy war einst der größte Held der Welt. Das hatte seine Schattenseiten.

Die Fans ließ im Vorfeld besonders die Nachricht aufmerken, dass in The Boys Staffel 3 die polarisierende Mini-Serie „Herogasm“ Teil der Story werden sollte. Zwar müssen sich die Zuschauer noch bis Episode sechs gedulden, aber Kripke hat auch hier geliefert. Ganz so pornographisch wie der Comic ist die Szene zwar nicht ausgefallen. Aber für eine TV-Serie liefert The Boys eine beachtliche Menge an Perversionen und Hemmungslosigkeit. Zudem muss man The Boys Staffel 3 attestieren, dass im Lauf der Handlung so etwas wie ein Abschiedsgefühl aufkommt und Kripke ein Ende in den Fokus nimmt. Das kann gut noch zwei Staffeln dauern. Aber deutlich mehr als fünf werden die Antihelden wohl nicht bekommen – zumindest nicht von Kripke.

Fazit:

Keine Gefangenen! Auch in The Boys Staffel 3 geht Serienschöpfer weder vom Gas. Noch erzählt er die Story etwas weniger ruppig und blutig als vorher – ganz im Gegenteil! Wenn der derbe Humor und die wenig zimperliche Darstellung von expliziter Gewalt bereits in den Vorgänger-Staffeln nicht ansprach, der wird hier auch keinen Grund finden, sich die Serie anzusehen. Wer aus diesen Gründen bereits Fan ist, bekommt genau das, was er sehen will. Und die auf den Punkt gebrachte Satire über die USA, deren Medien und das politische System dahinter, sind auch in der dritten Runde noch genauso sehenswert wie zu Beginn. Das darf gerne noch ein bis zwei Jahre weitergehen.

The Boys Staffel 3 starten am 3. Juni 2022 bei Amazon Prime Video mit drei Folgen, danach wöchentlich freitags eine weitere.

The Boys Staffel 3
Nanu, ein Musical? Was es mit dieser Szene auf sich hat, wird noch nicht verraten.