Iman Vellani als Ms. Marvel

Serienkritik: Ms. Marvel

Kaum ist „Moon Knight“ auf Disney+ vorbei, da kommt schon die nächste sechsteilige Marvel-Serie zum Streamingdienst. Diesmal darf „Ms. Marvel“ ihr Debüt geben. Der Teenager mit muslimischem Hintergrund wird im kommenden Jahr auch Teil des zweiten Captain Marvel-Films „The Marvels“ sein. Erstmalig kennenlernen können die Fans die Figur aber in ihrer eigenen Serie. Und die ist noch deutlich stärker auf eine junge Zielgruppe abgestellt als beim letzten Teeanger-Helden Kate Bishop in „Hawkeye„. Wovon die Serie genau handelt und was Marvel-Fans hier erwarten dürfen, außer, dass die Serie nicht mit der Marvel-Fanfare, sondern mit einem Song von „The Weeknd“ startet, verrät die Kritik.

Ms. Marvel
Kamalas Familie lebt traditionell nach religiösen Werten und hat für das Hobby ihrer Tochter wenig Verständnis.

Die Handlung

Kamala Khan (Iman Vellani) lebt schon seit ihrer Geburt in Jersey Coty in der Nähe von New York. Aber ihre Familie stammt aus Pakistan und hält mithilfe der muslimischen Gemeinde in der Stadt die alten Traditionen am Leben. Und so darf auch Kamala als 16-jähriges Mädchen lange nicht alles, was ihre gleichaltrigen Schulkameradinnen dürfen. Allerdings liegt das nicht an ihrem Vater Yusuf (Mohan Kapur), der recht entspannt bleibt, sondern an ihrer strengen Mutter Muneeba (Zenobia Shroff). Die trägt noch dunkle Erinnerungen an ihre zeit in der alten Heimat mit sich herum und erlaubt Kamala kein normales US-Teenager-Leben. Für das Mädchen ist das besonders hart, weil sie der größte Fan von Captain Marvel ist und auch die Avengers sehr verehrt.

Doch die große Avenger-Con, die bald in New York stattfindet und auf der Kamala unbedingt den Cosplay-Wettbewerb für Captain Marvel gewinnen möchte, scheint in unerreichbarer Ferne. Denn ihre Mutter hält von knappen Superhelden-Outfits gar nichts. Kamalas bester Kumpel Bruno (Matt Lintz), ein fähiger Bastler und findiger Elektronik-Experte, will Kamala dennoch helfen, ihren Traum zu leben. Zudem empfiehlt er ihr, das Kostüm mit einer persönlichen Note auszustatten. Da kommt der alte Armreif, den ihre Großmutter neulich an sie schickte, doch gerade richtig. Allerdings läuft die Veranstaltung komplett aus dem Ruder, weil sich Kamala direkt auf der Bühne zum ersten Mal in ihrem Leben in eine Superheldin verwandelt …

Sehr frei nach dem Comic

Wie schon häufiger in den vergangenen Jahren dürften Comic-Leser von einer Umsetzung ihrer Lieblingsheldin enttäuscht sein. Und das hat gar nichts mit Hauptdarstellerin Iman Vellani zu tun. Denn im MCU bekommt Kamala Kahn völlig andere Kräfte als in ihrer Heftserie. Statt eine Inhuman mit ähnlichen Kräften wie Mr. Fantastic zu sein, kann Khan im MCU kristalline Strukturen erschaffen und kontrollieren – und scheint das einem magischen Armreif zu verdanken. Abgesehen von dieser großen Änderung hält sich Ms. Marvel aber an die Comic-Story und präsentiert dem Zuschauer die erste muslimische Heldin des MCU. Die hat allerdings mehr mit der ersten Liebe, strengen Eltern und anderen Konflikten zu tun als mit Superschurken. Folgerichtig taucht in den zwei vorab gezeigten Folgen auch gar keiner auf.

Der Bösewicht mit dem Namen Red Dagger wird also wohl erst in der zweiten Hälfte der Staffel in Erscheinung treten. Aber das passt zur deutlich anderen Ausrichtung der Serie im Vergleich zu den anderen Marvel-Shows bei Disney+. Die Kernzielgruppe sind hier eindeutig Teenager, die sich in die Probleme Kalamas prächtig hineinversetzen können. Und den Schwerpunkt setzt die pakistanische Showrunnerin Bisha K. Ali klar auf die Schwierigkeiten, die mit dem Glauben und der Lebensweise der Familie zu tun haben. Die unterschiedlichen Sichtweisen nutzt die Serie allerdings nie zu plumpen Stimmungsmache, sondern zeigt die Probleme zwar mit durchweg leichter Hand auf, aber immer auch mit dem nötigen Respekt vor der anderen Kultur.

Iman Vellani
Doch die 16-jährige ist der größte Fan von Captain Marvel und will unbedingt einen Cosplay-Wettbewerb als ihr Idol gewinnen.

Nicht frei von Klischees

Und so weit entfernt von den Sorgen und Nöten anderer Teenager ist Kamala Khan dann auch gar nicht entfernt. Leider schleichen sich dadurch aber auch ein paar Klischees in die Serie. So ist Bruno natürlich heimlich in Kamala verliebt oder zumindest eifersüchtig auf andere Jungs, die ihr Interesse wecken. In der Schule ist sie selbstverständlich eine Außenseiterin, was allerdings bei Marvel seit Jahrzehnten zum beliebten Background für Helden zählt. Zudem ist Kamala auch ein wenig ungeschickt und zerstreut, was gerade in den beiden ersten Folgen ein wenig zu oft im Drehbuch landet und mitunter etwas gezwungen lustig wirkt. Hier setzen die Autoren ein wenig zu sehr auf den Niedlichkeitsfaktor der Hauptdarstellerin und verpassen es, ihr ein wenig mehr spannendes Profil zu verleihen.

Dafür strahlt Vellani mit den bunten Farben der Serie und den immer wieder eingefügten Zeichnungen um die Wette. Das wirkt ein wenig so, als hätte Marvel aus Sorge um mögliche Beschwerden Kamalas Welt besonders farbenfroh gemalt, um jeden Vorwurf religiöser Diskriminierung auszuschließen. Dass Thema ist da und als Rebellin gegen das System haben die Autoren daher Kamalas beste Freundin Nakia (Yasmeen Fletcher) eingeführt, die an Stelle der Heldin um einen angemessenen Platz in der Gemeinde kämpft.

Ms Marvel
Nicht geplant war, dass Kamala genau dort Superkräfte entwickeln würde.

Ob einem Zuschauer Ms. Marvel gefällt oder nicht, hängt weitgehend davon ab, ob er sich auf die neue Serie einlassen und auf Superhelden-Action verzichten kann oder nicht. Denn Kamalas Kräfte sind nur eines von mehreren Themen der ersten Folgen. Und da steht die Lebenssituation der neuen Heldin zu Beginn eher im Fokus als ihre neuen Kräfte. Zudem ist eine klassische Origin-Story wie diese immer auch ein wenig ausgebremst, da die Entstehung ein wenig Vorlauf braucht. Und der gehört nicht unbedingt zu den spannendsten Momenten der gesamten Story. Die Serie könnte also in den weiteren Folgen durchaus noch an Tempo und Action zulegen.

Fazit:

Mit Ms. Marvel begibt sich Marvel im Seriensektor durchaus auf neues Terrain. Und entsprechend vorsichtig agiert das Studio thematisch. Um sich wenig angreifbar zu machen, ist die Showrunnerin eine pakistanische Autorin, dazu sind die ersten beiden Folgen so farbenfroh und leicht inszeniert, wie es nur geht. Dennoch thematisiert Ms. Marvel durchaus die Lebenssituation einer jungen Muslimin in einem traditionellen Haushalt. Es bleibst allerdings abzuwarten, ob die Macher das auch in letzter Konsequenz beibehalten oder hier noch auf einen windschnittigeren Kurs umschwenken. Uneingeschränktes Plus der Serie ist allerdings Hauptdarstellerin Iman Vellani, deren überschäumender Lebensfreude man sich kaum entziehen kann.

Ms. Marvel startet am 8. Juni 2022 mit einer Folge pro Woche bei Disney+.

Iman Vellani und Matt Lintz
Gemeinsam mit Kumpel Bruno versucht Kamala nun, mehr über den Ursprung ihrer Fähigkeiten zu ergründen.