Anson Mount in Strange New Worlds

Serienkritik: Strange New Worlds Staffel 2

Es war eine kleine Sensation. Nachdem das Star Trek-Universum jahrelang nur noch lange Storys über eine ganze Staffel erzählt hat wie in „ST: Discovery“ und „ST: Picard„, besannen sich die Macher mit der neuesten Serie wieder auf die Ursprünge. Und erzählen auch „Strange New Worlds Staffel 2“ wie den Vorgänger an in sich abgeschlossenen Episoden, die hin und wieder ein paar Handlungsstränge früherer Folgen aufnehmen und neben der Haupthandlung weitererzählen. Damit bewegt sich die Serie erzählerisch irgendwo zwischen der Next Generation und Deep Space Nine – und war in ihrer ersten Staffel ein Riesenerfolg. Kann die zweite Staffel da mithalten? Das klärt die Kritik.

Paul Wesley als James T. Kirk
La’an Noonien Singh erlebt ein ungewöhnliches Abenteuer mit dem jungen Jim Kirk.

Die Handlung

The Broken Circle

Während Captain Pike (Anson Mount) einem Crewmitglied zur Seite stehen muss, erwartet Interims-Captain Spock (Ethan Peck) ein riskantes Abenteuer. Die Enterprise muss sich dabei auf diplomatisches Glatteis begeben …

Ad Astra per Aspera

Una Chin-Riley (Rebecca Romijn) muss sich für eine Tat vor Gericht verantworten, die bereits einige Jahrzehnte zurückliegt. Captain Pike hat alle Hände voll zu tun, um für seinen Ersten Offizier die richtige Verteidigung zu finden …

Tomorrow and tomorrow and tomorrow

Die Sicherheitschefin La’an Noonien Singh (Christina Chong) gerät durch einen skurrilen Unfall in eine andere Zeitebene – und nimmt aus Versehen eine sehr bekannte Figur mit …

Among the Lotus Eaters

Offenbar gibt es auf einer Welt, die Pike vor Jahren besuchte, nun ein Problem mit der Ersten Directive. Der Check auf dem Planeten erweist sich aber  als weit gefährlicher als gedacht …

Charades

Nach einem bizarren Shuttle-Unfall ist Spock nicht mehr derselbe. Doch ausgerechnet jetzt besteht die Familie seiner Verlobten auf der Durchführung traditioneller Hochzeits-Rituale …

Lost in Translation

Beim Bau einer Station in einem Nebel hat Fähnrich Uhura (Celia Rose Gooding) plötzlich unerklärliche Sinnesstörungen. Sie leidet unter grausamen Visionen, die immer schlimmer werden …

Der Höhenflug geht weiter

Sechs der zehn neuen Folgen von Strange New Worlds Staffel 2 stellte Paramount+ vorab zur Sichtung zur Verfügung. Und nach denen lässt sich sagen: Die Serie hält ihr hohes Niveau aus der ersten Staffel. Auch diesmal erfinden die Autoren das Rad nicht neu und nutzen Ideen, die bereits so oder ähnlich in der Original-Serie oder in TNG vorkamen. Aber sie tun das so clever und kompetent, dass selbst Zuschauer, die so gut wie alle jemals gedrehten Star Trek-Folgen präsent haben, vermutlich nicht sofort sagen können, woher ihnen die Geschichte bekannt vorkommt. Das schließt ausdrücklich Gastauftritte bekannter Figuren mit ein. So wiederholt Paul Wesley seine Rolle als junger James T. Kirk, die er bereits im ersten Staffelfinale gespielt hat. Und auch von Star Trek: Lower Decks schauen zwei Charaktere vorbei.

Denn was das Star Trek-Universum schon immer meisterlich beherrschte, war die emotionale Klaviatur in ihrer Gänze. Ein gruselige Folge folgt auf eine philosophische Episode, danach gibt es eine witzige Story, bevor es unerwartet romantisch wird. All das brachten die Autoren in der besten Zeit des Franchise großartig zu Papier – und auch Strange New Worlds Staffel 2 hat keine Probleme, diese ganz besondere Tugend zu kultivieren. Und weil es nur einige Nebenhandlungen gibt, die gelegentlich fortgesetzt werden und sonst in jeder Folge eine komplett neue Story erzählt wird, ist diese Abwechslung so hoch wie lange nicht im Star Trek-Universum. Ob es die beste Serie ist, die es je gab, wie manch überschwänglicher Fan bereits behauptete, ist wohl Geschmackssache. Eine sehr gute ist es in jedem Fall.

Star Trek Lower Decks
Besuch von der USS Cerritos: Beckett Mariner und Brad Boimler landen auf der Enterprise.

Reichlich Fanservice

Und das liegt tatsächlich zu einem guten Teil an den Drehbüchern, die nicht nur handwerklich stark sind, sondern auch von Leuten mit genug Lore-Wissen geschrieben wurden. Strange New Worlds Staffel 2 spielt im herkömmlichen Star Trek-Universum – und das bringt eine mittlerweile mehr als 50 Jahre alte Historie mit sich. Da gilt es, viel zu beachten und zu wissen. Die Autoren haben hier definitiv ihre Hausaufgaben gemacht. Und sorgen so für Szenen, die langjährigen Trekkies die Freudentränen in die Augen treiben dürften. Schließlich sind bereits drei Charaktere dabei, die später zur Besatzung der klassischen Enterprise gehören werden. Epische Momente sind damit natürlich vorprogrammiert – und Strange New Worlds Staffel 2 liefert.

Der Erfolg der Serie wäre allerdings undenkbar ohne die Schauspieler. Das Casting erweist sich erneut als perfekt. Allein Ethan Pecks Leistung als Spock ist derart gut, dass man Folgen ohne ihn kaum sehen möchte. Anson Mount überzeugt ein weiteres Mal als Captain Christopher Pike, der sich als Vorgänger von Kirk auf dem Kommandostuhl der Enterprise so ganz anders zeigt als sein Nachfolger – und dessen allen Fans bekanntes Schicksal in vielen Momenten wie ein Damoklesschwert über ihm hängt. Die Tragik seiner Existenz und die Tapferkeit, mit der er damit umgeht, ist immer wieder ein Grund, emotional tief in einzelne Folgen hineingezogen zu werden. Aber auch zwei zarte Love-Storys, die ebenso stark geschrieben sind wie der Rest der Folgen, passen perfekt in die bittersüße Stimmung der Serie.

Ethan Peck als Spock
Dafür, dass Vulkanier wenig Emotionen zulassen, ist Spocks Liebesleben ganz schön wild.

Und so präsentiert sich Strange New Worlds Staffel 2 wie die erste auch als eine Art „Best of“ einer früheren TNG-Staffel, aus der sämtliche Episoden, die nicht wirklich großartig sind, herausgestrichen wurden. Denn – und so ehrlich sollte man sich machen – hätten TNG oder DS9 nur zehn Episoden pro Staffel erzählen müssen und dabei ein ähnliches Budget gehabt wie jetzt Strange New Worlds, die Staffeln wären keinen Deut schlechter gewesen. Das Niveau der Autoren ist heute nicht höher als damals. Sie haben nur mehr Zeit, sich auf wirklich ausgefeilte Plots zu konzentrieren. Und nutzen diesen Fokus für mindestens sechs weitere großartige Folgen Star Trek. Die Chancen stehen gut, dass die nächsten 14 – noch vier aus Staffel 2 und zehn weitere der bestellten dritten Staffel – ähnlich hochwertig ausfallen.

Fazit:

Keine Frage, die weitgehend für sich stehenden Einzelfolgen von Strange New Worlds Staffel 2 stehen den großartigen Episoden der ersten Staffel in nichts nach. In Sachen Produktionswertigkeit erneut auf Kinoniveau ist jede einzelne Story absolut sehenswert. Füller-Episoden, wie es sich früher bei den weit über 20 Folgen pro Staffel gab, sind hier nicht zu sehen. Die Crew hat sich, soweit nötig, in den neuen Storys noch mehr aufeinander eingespielt als in Staffel 1, sodass die Gags zünden, aber auch die emotionalen Momente zu Herzen gehen. Dabei halten sich Humor und Tragik in den ersten sechs Folgen der neue Season geschickt die Waage. Die Abenteuer der Enterprise unter Captain Christopher Pike bleiben also absolut großartig für Fans des Star Trek Universums.

ST: Strange New Worlds startet am 15. Juni 2023 bei Paramount+.

Anson Mount in Strange New Worlds Staffel 2
Allein auf fremden Welten: Pike muss einen alten Fehler korrigieren.