The Quarry

Spieletest: The Quarry

Ist es ein Spiel? Ist es ein Film? In jedem Fall ist „The Quarry“, der gefühlte Nachfolger des Horror-Hits „Until Dawn“ ein Sammelbecken für Ikonen des Genres. Ob die Rettung von neun Teenagern auch Spaß macht, klärt der Test (für PC).

Das britische Entwicklerstudio Supermassive Games begann mit den niedlichen Sony-Titeln „Little Big Planet“, verlegte sich aber mit Until Dawn auf das Genre des interaktiven Horror-Games. Denn nach dem ersten Erfolg folgten mit der Anthologie-Reihe Dark Pictures drei weitere, kürzere Spiele. Die allerdings nicht an den Erfolg von Until Dawn anschießen konnten. Nun legt das Studio mit The Quarry erneut ein längeres Abenteuer vor, das daher auch als eine Art Nachfolger des ersten Hits gelten darf. Was auch daran liegt, dass es alte Qualitäten und Fehler wiederholt. Und worum geht es?

Ted Raimi
Laura und Max wundern sich: Warum ist der Cop so unfreundlich?

Die Handlung

Max und seine Freundin Laura sind nachts auf dem Weg zum Sommercamp Hackett’s Quarry, als sie plötzlich einem Wesen auf der Straße ausweichen müssen. Der Unfall bleibt ohne Folgen, auch weil ein mürrischer Polizist ihnen weiterhilft, ihnen aber auch verbietet, ihre Reise zum Sommercamp fortzusetzen. Und sie stattdessen zu einem Motel in der Nähe schickt. Natürlich fährt das junge Paar trotzdem zu Hackett’s Quarry. Hätten sie mal lieber auf den Cop gehört …

Zwei Monate später ist das diesjährige Sommercamp vorbei und die jungen Betreuer packen ihre Sachen, um mit einem Van zurück in die Stadt zu fahren. Weil einer der Jungs mit Liebeskummer heimlich das Fahrzeug sabotiert, müssen die Teenager noch eine weitere Nacht bleiben, sehr zum Unwillen des Biestzers Chris. Und die weiteren Ereignisse zeigen dann, wie recht der Mann mit seiner Warnung hatte, nachts nicht draußen im Wald zu sein …

Das Spielprinzip

Aus spielerischen Gesichtspunkten bietet The Quarry wie die Vorgänger nur wenig Action. Die meiste Zeit sieht der Spieler den handelnden Figuren zu. Und trifft hin und wieder eine Entscheidung darüber, wie die Antwort auf eine Frage ausfällt oder wie sich die betreffende Person benehmen soll. Ab und zu kommen so genannte Quick Time Events dazu, bei denen der Spieler schnell genug reagieren muss, um beispielsweise einen Autoschlüssel zu fangen oder einem Hindernis auszuweichen. Und er sucht in den freien Sequenzen der Handlung, wenn man sich mit einer Figur durch ein Areal bewegen kann, nach Spuren und Hinweisen darauf, was in Hackett’s Quarry eigentlich los ist. Am Ende jedes Kapitels trifft man dann eine alte Frau, die einem für mindestens eine gefundene Tarotkarte einen kurzen Ausblick auf ein Ereignis im nächsten Kapitel zeigt. Diesen Hybrid aus Spielfilmszenen und eigenen Handlungen sollte man mögen, wenn man The Quarry selbst erleben will.

David Arquette
David Arquette ist als Camp-Leiter Chris Hackett leider nur kurz dabei.

Starke Optik

Den wohl beeindruckendsten Teil des Spiels sieht man sofort – die spektakulär gute Grafik. Auf einem leistungsstarken PC lässt sich The Quarry in 4k spielen – und das sieht verdammt gut aus. Vor allem im Pausenmenü, wenn man die gerade aktive Figur in Großaufnahme sieht, überzeugt die Unreal-Engine mit täuschend echter Haut mit kleinen Unreinheiten – und auch die Augen wirken wirklich lebendig. Schon 2015 war Until Dawn eine Augenweide. The Quarry nutzt hier sieben Jahre Evolution der Grafik für einen noch besseren Look.

Die Optik sorgt auch zu einem guten Teil für die großartige Atmosphäre, die das Spiel verbreitet. Der dunkle Wald, der immer wieder in kaltes Mondlicht getaucht wird und unheilvolle Schatten wirft. Oder der ruhig liegend See, in dem die kleine dunkle Insel ebenso neugierig wie ängstlich macht – die Grafikabteilung von Supermassive Games darf sich für The Quarry definitiv auf die Schulter klopfen.

The Quarry
In witzigen Zeichentrick-Tutorials erklärt das Spiel die wichtigsten Möglichkeiten.

Woher kenne ich …?

Auch die Besetzung kann sich erneut sehen und hören lassen. Waren 2015 Jungstars wie Rami Malek dabei oder Hayden Panetierre dabei, so haben die Macher in The Quarry noch zugelegt. Mit David Arquette („Scream“-Reihe“), Lin Shaye („Insidious“-Reihe“), Ted Raimi („The Midnight Meat Train“), Lance Hendricksen („Aliens“) und Grace Zabriskie („The Grudge“) sind gleich fünf Ikonen des Horrorfilms in kleineren Rollen zu sehen – und im englischen Original auch zu hören. Dazu kommen viele bekannte Gesichter unter den neun Hauptrollen.

Max wird von Skyler Gisondo verkörpert, denn Horror-Comedy-Fans aus „Santa Clarita Diet“ kennen. Ariel Winter, elf Jahre lang als Alex in „Modern Family“ dabei, spielt Abby. Justice Smith, vielen Gamern bekannt als Hauptrolle in „Pokemon: Detektiv Pikachu“ ist der introvertierte Ryan. Emma wird von Halston Sage gespielt, die Sci-Fi-Fans als Sicherheitsoffizierin Alara Kitan von „The Orville“ gesehen haben. Die kennen vermutlich auch den Darsteller von Nick, denn Evan Evagora war zwei Staffeln lang in der Rolle des Romulaners Elnor in „Star Trek: Picard“ dabei. Miles Robins, der Daryl spielt, bringt Erfahrung aus „Akte X“ und dem 2018er „Halloween“ mit. Auch diese geballte Ansammlung an bekannten Gesichtern sorgt für das Kino- und Serien-Feeling, mit dem The Quarry punkten kann. Leider sind in der deutschen Synchronisation nicht alle bekannten Stimmen der Darsteller dabei, im englischen Original ist die Illusion daher intensiver.

Halston Sage
Grafisch kann sich The Quarry mehr als sehen lassen.

Alte Schwächen

Qualitativ hält Supermassive Games dabei das Niveau von Until Dawn. Das gilt auch für die Schwächen. Denn vieles, was in der Handlung wirklich Zeit kostet, wie beispielsweise das gemeinsame Holz sammeln im Wald von Abby und Nick oder das Durchsuchen des Lagers von Jacob und Emma, hat für die Story keine oder nur geringe Relevanz. Und ob ein Charakter lebt oder stirbt, entscheidet sich nach 30 oder mehr Minuten Spielzeit in einem Kapitel durch ein Quick Time Event, für das der Spieler eine Zehntelsekunde Zeit bekommt. Was gerade in den Momenten, in denen man mit der Schrotflinte sowohl zielen als auch abdrücken muss, so gut wie nicht zu schaffen ist.

Wer hier also alle neun Teenager retten will, muss mit mehr als einem Durchgang rechnen. Wobei bereits einer je nach Gründlichkeit der Suche nach versteckten Tarotkarten und Hinweisen zehn Stunden und mehr dauern kann. Alle umkommen zu lassen, ist übrigens auch nicht leichter als alle zu retten – und bringt ebenfalls ein Achievement. Aber nach dem ersten Durchlauf wird sicher bei manch einem Spieler ein leicht fader Eindruck zurückbleiben, dass die Rettung einzelner Figuren arg von unfairen Events und unscheinbaren Entscheidungen viele Kapitel vorher abhängt. Und es genügen wenige Momente falscher oder zu langsamer Reaktion, um ein verheerendes Endergebnis zur Folge zu haben. Bei dem viele Story-Fäden gar nicht aufgelöst werden – und somit nach sofortiger Wiederholung schreien.

The Quarry
Na, wer oder was treibt denn hier im See?

Die es dem Spieler aber auch nicht großartig leichter machen. Zwar gibt es beim zweiten Versuch drei Joker, mit denen man versuchen kann, einen Tod zu verhindern (Deluxe-Version-Vorbesteller bekommen dieses Feature schon im ersten Durchlauf). Aber dauerhaft verschiedene Kapitel anwählen und nur die nochmal spielen – das erlaubt The Quarry nicht. Wie es auch nicht verrät, was der Spieler in welchem Spielabschnitt noch nicht gefunden hat. Der Spielstand nach Ende des Epilogs ermöglicht das Laden eines Kapitels, von dort geht es dann aber wieder normal weiter. Wer hier platinieren will, muss also viel Zeit mitbringen. Und möglichst keine Motion Sickness-Anfälligkeit. Denn trotz des Third-Person-Looks schwankt die Kamera beim Laufe leicht und sorgt dazu mit unglücklichen Perspektiven für mögliche Übelkeit und Schwindel bei dafür anfälligen Spielern.

Spielmodi

Wer das Ganze in kürzerer Form genießen möchte, kann sich auch für den Film-Modus entscheiden, der alle freien Szenen des Spiels herausnimmt und das Geschehen so deutlich kürzer und knackiger präsentiert, dafür aber noch weniger eigenes Spiel zulässt. So fallen hier unter anderem die Quick Time-Events weg. Und ein Couch-Coop-Modus erlaubt mehreren Spielern gleichzeitig den Horror-Trip, Entscheidungen werden hier durch Mehrheit herbeigeführt.

Der Film-Modus ist dabei für alle empfehlenswert, die auf eigenes Spiel weniger Wert legen und die Geschichte(n) erleben wollen. Supermassive Games gibt die Zahl der möglichen Enden des Spiels mit 186 an. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass damit einfach sehr viele unterschiedliche Kombinationen aus Überlebenden und Toten gemeint sind – Null zu Neun, neun zu Null und alles dazwischen in unterschiedlichen Konstellationen. Die Grundstory selbst hat deutlich weniger Möglichkeiten zu bieten, wie das Ende aussieht.

The Quarry
Hinweise bringen Licht ins Dunkel der Story. Leider haben sie kaum Auswirkungen auf die Handlungen der Figuren.

Ein Fest für Horrorfans?

Dennoch werden gerade Horrorfans mit The Quarry ihren Spaß haben. Denn hier haben ganz offenkundig Fans für Fans gearbeitet. Das beginnt schon mit den ersten Tönen der Musik im Prolog. Die vom Sound und der Melodie frappierend an „Nightmare on Elm Street“ erinnern. Später tauchen dann noch Themen auf, die wie frühe John Carpenter-Filme klingen. Doch damit enden die Verbeugungen vor Horror-Größen noch lange nicht.

So ist auch diesmal die Handlung, wenngleich leider nicht in sich logisch, so doch spannend und unterhaltsam. Denn wie Until Dawn beginnt auch The Quarry eher wie ein Psycho-Thriller oder Slasher. Was angesichts eines Sommercamps wie in „Freitag, der 13.“ auch zu erwarten war. Um dann aber doch in eine ganz andere Richtung abzubiegen, die clevere Spieler aber vielleicht schon im Prolog erraten. Creative Director und Storyschreiber Will Byles nennt jedenfalls viele Horror-Klassiker wie „The Hills Have Eyes“, „The Thing“, „Evil Dead“ und andere Genre-Größen als Inspiration. Und Kenner werden auch alle davon in der einen oder anderen Szene wiedererkennen. Wenn auch insgesamt Until Dawn, für dass sich das Studio die Mitarbeit von Horror-Regisseur und Autor Larry Fessenden („Wendigo“, „The Last Winter“) sicherte, inhaltlich einen Hauch stärker wirkt als das neue Spiel, dessen Handlung Supermassive Games in Eigenregie schrieb.

Zu wenig Neues?

The Quarry
Ab Durchgang zwei (oder der Deluxe-Edition) steht diese Option zur Verfügung – aber nur drei Mal.

Es mag aber auch daran liegen, dass die Grundidee doch recht ähnlich ist. Und Kenner des ersten Spiels hier viele Deja-Vus erleben werden. Das Retten der Protagonisten fällt auch sieben Jahre später noch sehr ähnlich aus. Und birgt schlicht weniger Überraschungen als beim ersten Mal. Das Szenario von einem verschneiten Berg in ein Sommercamp zu verlegen, ist allein eben doch nicht Abwechslung genug. Ob The Quarry aber noch besser geworden wäre, hätten sich die Briten erneut einen erfahrenen Horror-Schreiber gesucht, das bleibt Spekulation.

Fazit:

Optisch ist The Quarry eine absolute Granate und zeigt auf leistungsstarken Computern, was die Unreal-Engie kann. Inhaltlich richtet sich das Spiel hauptsächlich an Horrorfans, die von den vielen Anspielungen auf und Verbeugungen vor Ikonen des Genres angetan sein werden. Spielerisch ist The Quarry hingegen leider manchmal arg unfair, was die Schwierigkeiten der Quick Time Events angeht, die wiederum maßgeblich über Leben und Sterben in Hackett’s Quarry entscheiden. Der Wiederspielwert ist daher hoch. Wenn der möglicherweise große Frust über den wahrscheinlich recht erfolglosen ersten Versuch, neun Leben zu retten, nicht dafür sorgt, dass man dem Spiel den Rücken kehrt.

The Quarry erscheint am 10. Juni 2022 für PC, PS 4, PS 5, Xbox One und Xbox Series X und S.

Siobhan Williams
Laura sucht nach Antworten – und riskiert ihr Leben.