Seit einigen Jahren fährt der japanische Publisher Capcom bei seiner Erfolgsserie zweigleisig. Zum einen kommen neue Spiele der Reihe heraus, wie die Teile 7 und 8, die in Ego-Perspektive erzählt werden. Zum anderen überarbeitet Capcom die alten Klassiker, die die Serie einst groß machten. Nachdem bereits die Teile 2 und 3 neu erschienen, folgt nun mit „Resident Evil 4“ nach Meinung vieler Fans der Reihe das Flaggschiff. Die erschreckenden und blutigen Abenteuer von Spezialagent Leon S. Kennedy auf der Such nach der entführten Tochter des US-Präsidenten gehört in der ersten Version zum Besten, was die Reihe je hervorbrachte. Kann das Remake da mithalten? Oder sogar noch eins draufsetzen? Das klärt der Test.
Die Handlung des Spiels
Leon, den Fans der Reihe erstmals in Teil 2 als frischen Rekruten der Polizei von Raccoon City kennenlernen – und als einen von zwei spielbaren Helden – ist mittlerweile bei einer Spezial-Agentur, die sich um Verbrechen mit Biowaffen kümmert. Er ist im ländlichen Spanien unterwegs, denn dort soll sich nach Auffassung des Geheimdiensts Ashley befinden, die entführte Tochter des US-Präsidenten. Leon soll als unauffälliges Ein-Mann-Team das Ziel finden und sicher wieder nach Hause bringen. Doch das gestaltet sich nicht so einfach. Das müssen die beiden Cops, die ihn gefahren haben, auch schnell am eigenen Leibe erfahren. Ein Dorf, in dem sich alle Einwohner mehr als seltsam verhalten, wird zum Grab für sie.
Auch Leon wird attackiert, ihn rettet mehr oder weniger der Gong. Denn als die Kirchenglocken zu läuten beginnen, stoppen die Bewohner ihre Angriffe auf Leon und laufen wie in Trance in die Kirche, verschließen die Tür hinter sich. Leon ist nun sicher, dass er an der richtigen Stelle sucht. Allerdings hat er keine Ahnung, was für Kreaturen auf seinem Weg zu Ashley auf ihn warten und gegen welche Monster er sich zur Wehr setzen muss. Obwohl Leon auf seiner Flucht aus Raccoon City schon Dinge gesehen hat, die ihm kein Mensch glauben würde, wird sein Vorstellungsvermögen in diesem Fall erneut auf die Probe gestellt. Kann er den Wahnsinn überleben und Ashley nach Hause bringen?
So wird gespielt
Resident Evil 4 bleibt optisch den Vorgängern verhaftet, der Spieler schaut Leon über die Schulter, sieht die Figur aber immer. Als Leon muss sich der Spieler mit mehreren Aufgaben herumschlagen: Weg finden, kleine Rätsel lösen, Dinge wie Schlüssel finden, und kämpfen. Mehr braucht es nicht, um ein großartiges Spielerlebnis zu kreieren. Den Weg zu finden, ist manchmal noch das größte Problem in Resident Evil 4, denn nicht immer ist völlig klar, wo der langführt. Die Rätsel sind meist recht schnell zu durchschauen, auch das Finden von Schlüsseln ist meistens kein Problem. Auch wenn sie manchmal nur durch einen Kampf zu bekommen sind. Kämpfe können dafür je nach Schwierigkeitsgrad und Beobachtungsgabe durchaus fordernd sein.
Gleich vorweg: Zombies kommen in Resident Evil 4 nicht vor. Zwar verhalten sich manche Einwohner durchaus ähnlich, aber sie haben eine gänzlich andere Entstehungsgeschichte und sind auch nicht ansteckend. Dennoch werden Spieler hier Monstern begegnen, die den Virus-Züchtungen von Umbrella alle Ehre machen. Manche sind recht einfach zu besiegen, weil die Mechanik dahinter auf der Hand liegt, etwa ein Riesenlurch, der Leon mit einem Boot durch einen See zieht – und in diesem Bott reichlich Harpunen liegen. Aber es gibt andere zähe Gegner, deren Schwachpunkte nicht so einfach zu finden sind. Und in die unerfahrene Spieler schonmal ihren gesamten Munitionsvorrat versenken, bis sie merken, dass damit nichts gewonnen ist.
Die Anforderungen an Spieler
Je nach Ausgangslage ist Resident Evil 4 entweder sehr anspruchsvoll oder relativ einfach (vier Schwierigkeitsgrade helfen auch bei der Wahl) . Neulinge in der Resi-Welt dürften das eine oder andere Mal verzweifeln, weil sie nicht sofort hinter die Idee eines Boss- oder Miniboss-Kampfes kommen. Erfahrene Resi-Agenten hingegen werden hier auf nichts treffen, dass sie nicht so oder ähnlich schon einmal gesehen hätten. Das beginnt bei den Einwohnern, die sich unterschiedlich besiegen lassen. Schüsse auf den Körper sind weniger effizient als Schüsse in den Kopf. Noch besser ist ein Schuss ins Knie und ein Nahkampfangriff, der im besten Fall noch weitere Gegner trifft – aber ein wenig Übung im Timing erfordert. Anders sieht es aus, wenn stärkere Gegner Kettensäge oder Hammer schwingen, denen ist mit einem Schuss nicht beizukommen.
Daher ist im stets zu engen Gepäck kluge Planung gefragt. Welche Waffen sollte ich mitnehmen? Welche kann ich momentan in die Ablage packen? Grundsätzlich gilt: Eine Waffe für jede Entfernung ist nie verkehrt. Zwar sind Level, in denen eine Sniper-Rifle die perfekte Wahl ist, nicht wirklich üppig gesät, befindet man sich aber in einem solchen, dankt man dem Spielegott, dass man die Waffe dabei hat. Insgesamt wichtiger ist aber die Einschätzung, mit welcher Waffe man am besten auf welchen Gegner schießt. Denn eines ist bei Resident Evil 4 sicher: Wer zu wahllos mit seiner Munition haushaltet, wird bald ernste Probleme bekommen, im Spiel voranzukommen. So kann es sinnvoll sein, mit einer Granate ein halbes Dutzend Gegner auszuschalten, als jeden mit vier bis fünf Kugeln zu stoppen.
Der Händler – ein Segen
Spieler werden ihn nur alle 30 bis 40 Minuten zu sehen bekommen, aber der Besuch beim Händler ist essentiell für ein gutes Spiel. Denn hier werden wichtige Entscheidungen getroffen. Kaufe ich mir eine neue Waffe, oder investiere ich das erbeutete Geld und die gefundenen Schätze, um bereits gekaufte Waffen zu verbessern? Während Gegner mit dem Gewehr oft nach einem Treffer bereits aus ihrer Position in die Tiefe stürzen und die Waffe daher eher keinen Boost benötigt, kann mehr Wumms bei der Schrotflinte, für deren Einsatz das Ziel schon gefährlich nahe sein sollte, lebensrettend sein. Grundsätzlich gilt: Waffen, die oft eingesetzt werden, sollten schleunigst verbessert werden. Dazu kommt: Der Händler verkauft im Verlauf des Spiels eine Schutzweste, die er ebenso reparieren kann wie zu Bruch gegangene Kampfmesser. Und die können bei Umklammerung durch Gegner Leben retten, selbst gegen Bosse.
Dazu hat der Händler nun eigene Aufträge wie das Finden und Zerstören von im Level verstecke Medaillons oder dass Töten eines besonders harten Gegners. Als Belohnung winken spezielle Edelsteine, Spinells, mit denen man beim Händler Dinge kaufen kann, die es für Geld nicht gibt. Beispielsweise Schatzkarten der Gebiete, in denen alle lohnenswerten Funde eingezeichnet sind. Aber auch besondere Zielfernrohre, die das Treffen erleichtern. Diese Aufgaben sind zwar optional, sollten aber erledigt werden, der Nutzen ist einfach zu stark, um es nicht zu tun. Wer also durch das Abenteuer kommen will, tut gut daran, sich beim Händler Zeit zu nehmen. Und über wichtige Entscheidungen in Ruhe nachzudenken.
Was ist neu?
Die Story schon einmal nicht. Zwar gibt es, wie bei den anderen Remakes zuvor, einige Änderungen und neue Ideen, aber im Kern erzählt Resident Evil 4 die Story, die Fans kennen. Am auffälligsten ist natürlich die deutlich bessere Optik, die dennoch Retro-Vibes verbreitet. Zudem haben die Macher an vielen kleinen Stellschrauben gedreht und das Spiel insgesamt etwas zugänglicher und einfacher gemacht, leicht ist es deshalb aber nicht. Denn die Gegner sind klüger als Zombies, weichen aus, schleichen sich manchmal lautlos an. Grafisch hat sich natürlich viel getan, aber Kenner des Originals werden dennoch fast alles sofort wiedererkennen.
Auch der Kampf hat viel vom alten Charme der Reihe, einschließlich einiger nerviger Elemente wie langsamem Nachladen oder Erholen von einem gegnerischen Angriff. Diese Dinge richtig einzuschätzen und entsprechend zu agieren, ist aber auch Teil des Spielerlebnisses. Dennoch: Ein wenig flotter als früher gehen Aktionen gegen Gegnerhorden schon von der Hand. Sehr viel komfortabler und damit besser ist das Ausrüstungssystem. Der Koffer lässt sich mehrfach vergrößern, nicht benötigte Waffen problemlos verstauen und so aus dem Gepäck verbannen. Allerdings lässt das Spiel nicht zu, alles ins Lager zu packen, momentan nicht genutzte Munition muss der Spieler mit sicher herumschleppen oder verkaufen. Das haben andere Spiele der Reihe besser gemacht.
Fazit:
Optisch schick, inhaltlich so cheesy, wie es die Fans von der Reihe gewohnt sind und spielerisch großartig. So stellt sich das Remake von Resident Evil 4 den Spielern vor. Der lange Survival-Horror, der gut 20 Stunden dauern kann und etliche Optionen und Anreize zum nochmaligen Spielen bereithält, überzeugt auf ganzer Linie. Denn das Spiel bleibt nah genug am bereits grandiosen Original, um nichts von seiner ganz besonderen Atmosphäre zu verlieren, bessert aber im Detail da nach, wo Spielmechaniken nicht mehr so ganz zeitgemäß wirkten. Der Liebling vieler Resi-Fans ist durch eine Neuauflage noch ein kleines Stück besser geworden. Da ist wirklich nur noch verdammt wenig Luft nach oben.
Resident Evil 4 erscheint am 24. März 2023 für PC, PS 5, PS 4, Xbox Series X/S.