McKenna Grace in Crater

Filmkritik: Crater

1986 geschah etwas Ungewöhnliches. Ein Werk des bereits damals als König des Horrors betitelten Autors Stephen King wurde verfilmt. Und „Stand By Me – das Geheimnis eines Sommers“ hatte so gar nichts von dem, was Zuschauer erwarteten, die King ausschließlich mit blutigen Gruselgeschichten in Verbindung gebracht hatten. Stattdessen erzählte der Film von Regisseur Rob Reiner von vier Jungs, die sich auf eine Wanderung machten, um einen toten Jungen zu finden – und dabei sehr viel mehr entdeckten. Nun kommt mit „Crater“ ein Film zu Disney+, in dem manche US-Kritiker eine Art Stand By Me im Weltraum sehen – zu Recht? Das klärt die Kritik.

Crater
Calebs Vater ist für den Jungen nur noch Erinnerung, Um die zu ehren, will Caleb unbedingt den letzten Wunsch seines Vaters erfüllen.

Die Handlung

Die Zukunft. Der Mond ist mittlerweile besiedelt, dort werden in Minen wichtige Rohstoffe gewonnen. Außerdem geht von dort der Flug über 75 Jahre zur neuen Kolonie in den Tiefen des Alls, den die Kolonisten im Tiefschlaf verbringen. Auch der junge Caleb (Isaiah Russell-Bailey) wird auf dem nächsten Flug dabei sein, weil er nicht nur vor Jahren seine Mutter, sondern auch vor einigen Tagen seinen Vater bei einem Unfall verloren hat und damit einen Neustart bekommen soll. Doch vorher muss der Junge unbedingt noch etwas erledigen. Sein Vater hatte ihm immer wieder vom Lieblingsplatz der Mutter erzählt und ihm versprochen, diesen Ort mit ihm auszusuchen, bevor er den Mond verlassen würde.

Caleb will unbedingt diesen Krater besuchen, bevor er das heimatliche Sonnensystem für immer verlässt. Und dazu braucht er die Hilfe seiner Freunde, denn allein darf er natürlich nicht hinaus auf die Mond0berfläche, um einen ganzen Tag lang mit einem Mond-Rover zu einem weit entfernten Mondkrater zu fahren. Und so bezirzt Dylan (Billy Barratt) die frisch von der Erde eingetroffene Addison (McKenna Grace), um an einen Code zu kommen, der die Tore der Mondbasis lange genug öffnet, um mit dem Fahrzeug aufbrechen zu können. Die besteht im Gegenzug allerdings darauf, die Jungs zu begleiten. Und so machen sich kurze Zeit später fünf Jugendliche auf den Weg zu einem weit entfernten Ort, der für Calebs Eltern so wichtig war …

Gutes Script – guter Film?

Das Drehbuch zu Crater hatte Autor John Griffin bereits 2015 verfasst. Seitdem stand es auf der so genannten Black List in Hollywood, was schlimmer klingt, als es ist. Denn diese Black List ist nichts Schlechtes, sondern sammelt die besten bislang unverfilmten Scripts der Traumfabrik. Ordentliche Vorschusslorbeeren also für das Projekt, das schlussendlich bei Disney+ landete. Den Regiejob übernahm Kyle Patrick Alvarez, der zuletzt vor allem als Serien-Regisseur aktiv war, unter anderem für „13 Reasons Why“. Hat er mit dem starken Drehbuch etwas anfangen können? Absolut! Auch wenn die Trauben im Vergleich zu Stand By Me definitiv zu hoch hängen, so gelang Alvarez dennoch ein ansehnliches Coming of Age-Drama, das für Disney-Verhältnisse recht melancholisch ausfällt.

Das liegt aber nur zum Teil an der Story, die eher in Details und den Dialogen überzeugt als in der Erzählung. Denn hier ist die Ähnlichkeit zum großen Vorbild am deutlichsten und der Film hat trotz starker Optik der Mondlandschaft am wenigsten Neues zu bieten. Besser macht es Griffin bei der Charakterzeichnung seiner jungen Helden. Der kämpferische Waisenjunge Caleb, die zur Zickigkeit neigende Addison und der lebenslustige, aber auch höchste empathische Dylan erweckt Griffin durch solide und und teilweise richtig starke Szene zum Leben. Allerdings bleiben die beiden restlichen Mitglieder der Gruppe dafür eher Stichwortgeber und sorgen für den typischen Sidekick-Humor, als dass sie viel zur Handlung beitragen würden. Im Fokus steht das Trio.

Crater
Doch dazu muss er ein Fahrzeug leihen und ungesehen aus der Station entkommen.

Junge Stars, die überzeugen

Und dieses Trio wird von den jungen Darstellern stark verkörpert. Isaiah Russell-Bailey ist als trauernder Anführer der kleinen Gruppe eine perfekte Besetzung, weil er das Publikum in der ersten Szene bereits von sich einnimmt – und nicht mehr loslässt. Die erfahrene McKenna Grace („Ghostbusters Legacy„, „Spuk in Hill House„) ist so gut wie immer und spielt sich als einzige weibliche Figur fast spielend in die Herzen junger Zuschauer. Aber Billy Barratt, der bereits in der Apple-Serie „Invasion“ sehr überzeugend war, ist der heimliche Star des Films. Er steht am ehesten für die Rolle, die River Phoenix in Stand By Me innehatte und spielt sie großartig. Die meisten Szenen, in denen er ein wenig Text hat, gehen an ihn.

Dass Crater nicht ganz an Stand By Me herankommt, liegt sicher nicht an seinen Darstellern. Vielmehr bleibt der Film im Kern ein Disney-Projekt für ein jüngeres Publikum – und das war Rob Reiners Film eben nicht. Zwar geht es auch hier einmal spannend zu, aber die Tiefe, die Kings Geschichte über das Ende der Kindheit birgt, erreicht Crater nicht. Denn die dazu nötigen dunkleren Aspekte sind hier schlicht nicht zu finden. Allerdings schwingt auch hier von Beginn an eine leichte Schwermut mit, die der Film bis zum Ende halten kann, was neben der Handlung der Hauptgrund für die Vergleiche mit Stand By Me sein dürften. Dass Crater hier auf Zuckerguss verzichtet, ist dem Film hoch anzurechnen. Und die letzten Minuten werden nah am Wasser gebaute Zuschauer garantiert erwischen.

Kinder auf dem Mond
Der Ausflug ist gefährlich, schenkt den Kids aber unvergessliche Momente.

Fazit:

Nein, mit dem großartigen Stand By Me kann es die neue Disney-Produktion Crater nicht ganz aufnehmen, aber in manchen Momenten kommt er der großen Vorlage doch relativ nah. Die Geschichte vom Waisen, der mithilfe seiner Freunde den letzten Wunsch seines Verstorbenen Vaters umsetzt, ist manchmal unerwartet witzig, um kurze Zeit später wieder in andere Emotionen zu kippen. Dank seiner guten Darsteller gelingt ihm das auch glaubwürdig. Und so ist die Odyssey fünf Jugendlicher auf dem Mond eine durchgehend unterhaltsame und manchmal sogar packende Reise geworden, auch wenn hier eine deutlich jüngere Zielgruppe im Fokus steht als es bei der King-Verfilmung der Fall war. Und gut getrickst ist das Ganze auch noch. Als Familienfilm am Sonntag definitiv eine Empfehlung!

Crater startet am 12. Mai 2023 bei Disney+.

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