Citadel

Serienkritik: Citadel

Mit der Agentenserie „Citadel“ hat sich Amazon Prime Video zu einer besonderen Aktion entschlossen. Weil die Handlung es hergibt, sind bereits Spin-Offs geplant. Eine indische Staffel und eine italienische sind bereits bestätigt, weitere sollen folgen, ebenso wie eine zweite Staffel der Hauptserie, die schon bestellt wurde. Citadel gilt momentan als teuerste Serie der Welt, was allerdings nicht ausschließlich an der üppigen Ausstattung liegt, sondern eher an extrem langwierige und kostspieligen Nachdrehs, wenn man den zahlreichen Gerüchten und Meldungen dazu glauben kann. Dennoch ist die Serie für Prime Video definitiv ein Premium-Produkt. Kann die Serie diese Erwartungen auch erfüllen? Das klärt die Kritik.

Richard Madden
Der Countdown läuft. Bald wird der Zug explodieren und Mason Kane wird sich an nichts davon mehr erinnern können.

Die Handlung

Mason Kane (Richard Madden) und Nadja Singh (Priyanka Chopra Jonas) sind die Topagenten einer streng geheimen und keinem Land unterstallten Geheimdienst-Agentur namens Citadel. Sie liegen schon lange im internationalen Clinch mit einer ebenso geheimen Verbrecher-Organisation, die sich Manticore nennt. Und ganz offensichtlich  hat Manticore auf verschlungenen Wegen von der Identität aller Citadel-Agenten erfahren, denn mehr oder weniger zeitglich werden alle auf der Erde attackiert. Mason und Nadja, die sich gerade in einem Einsatz in einem Schnellzug in Italien befinden, werden kalt davon erwischt, dass die ganze Operation nur getrickst wurde, um die beiden Agenten hervorzulocken und zu eliminieren. Das klappt auch beinahe.

Denn wenig später wacht Mason in einem Krankenhaus auf – und hat keinerlei Erinnerungen mehr daran, wer er eigentlich ist. Das bessert sich auch nicht. Viele Jahre später hat er eine Frau (Ashleigh Cummings, „NOS4A2„) und eine kleine Tochter und führt ein ruhiges Leben. Doch das ändert sich, als plötzlich ein Mann namens Bernard (Stanley Tucci) in sein Leben tritt und ihm eröffnet, dass er in Wirklichkeit ein Top-Agent ist. Und ihm das auch noch beweisen kann. Mason bleibt keine Wahl, als Bernard zu folgen, denn schon bald bemerkt er, dass Elitekiller sich auf seine und die Spuren seiner Familie gesetzt haben. Für Mason beginnt eine lebensgefährliche Reise zurück in die Erinnerung, bei der er auch auf Nadja trifft …

Wo wollen sie bloß hin?

Wie so oft haben die Briten für eine Serie wie Citadel den am besten passenden Begriff: „all over the place“. Denn die Serie, die von David Weil („Hunters“, „Solos„) geschaffen und von den Russo-Brüdern produziert wurde, kann sich in den ersten drei, vorab gezeigten Folgen überhaupt nicht entscheiden, was sie denn nun genau sein möchte. Der Beginn zeigt eine durchaus gut gemachte Actionsequenz in einem Hochgeschwindigkeitszug und ähnelt nicht nur deshalb der „Mission Impossible“-Reihe. Danach beginnt dann mit dem Gedächtnisverlust die „Jason Bourne“-Phase von Citadel, bevor sie in Episode drei eine wie aus einem Bond-Film gerissene Willi Bogner-gedächtnis-Ski-Verfolgung präsentiert.

Dabei lässt sich aber der übergeordnete Plot so an, als würde Prime Video dem Publikum hier eine etwas gehobenere Version von „G.I. Joe“ präsentieren. Denn in vielen Momenten bleibt offen, ob das Publikum das Ganze noch Ernst nehmen soll oder gerade eine durchaus gelungenen Parodie auf Agentenfilme sieht. Denn manchmal sind die gezeigten Kämpfe so übertrieben, dass es schwierig wird, hier noch an eine düstere Spionage-Serie zu glauben. Der Plot hilft dabei nicht, denn nach der Hälfte der kurzen ersten Staffel (sechs Folgen) ist kaum jemand das, was er zu Beginn der Serie zu sein schien. Eine derart übertriebene Doppel- und Dreifachagenten-Story hat man lange nicht gesehen.

Stanley Tucci
Als Jahre später Bernard in Masons Leben auftaucht, bringt er ein paar Antworten mit.

Coole, aber eindimensionale Helden

Gibt es denn gar nichts Gutes? Doch. Richard Madden läuft recht gelungen Probe für eine mögliche Rolle als nächster James Bond, macht sowohl im Smoking als auch blutend im Kampf eine gute Figur. Und taugt auch als mehr oder weniger einziger Fixpunkt des Vertrauens für das Publikum, weil man ihm die Sorge um Frau und Tochter wirklich abnimmt. Stanley Tucci ist gewohnt gut als kühler Citadel-Boss mit unklarer Agenda. Und Priyanka Copra Jonas ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern darf auch in Sachen Action und Undurchsichtigkeit zeigen, was sie kann. Ihr Charakter könnte einer der interessanteren werden in einer Serie, die mit arg vielen Klischees operiert und dem Publikum daher bislang wenig Neues zu bieten hat.

Auch die Actionsequenzen, die Citadel seinem Publikum zeigt, können sich mit teuren Filmproduktionen durchaus messen und überzeugen auch mit dynamischen Kamerafahrten und gut choreographierten Prügeleien. Und daher kann die Serie Fans solcher Stoffe schon Spaß machen, wenn man sich dazu durchringen kann, möglichst wenig über die Story nachzudenken. Denn bleibt in den ersten drei Episoden leider verdächtig oft auf der Erzählqualität einer Kinderserie. Langweilig wird es dennoch nie, weil die Episoden zum einen recht kurz sind, einige gerade einmal 30 Minuten, und zum anderen mit Dauerkrawall auch dafür sorgen, dass immer irgendetwas passiert. Zwar sind erklärende Dialoge selten, aber soviel soll der Zuschauer zu Beginn ja auch gar nicht verstehen.

Citadel
Der Boss der Verbrecherliga Manticore ist eine Frau.

Spin-Offs der Serie dürften von weiteren Citadel-Agenten handeln, die den Angriff von Manticore überlebt haben und möglicherweise irgendwann auch in eine gemeinsame Erzählung überführt werden. Vielleicht kommen aus Indien oder Italien ein paar originellere Figuren als in der Hauptserie. Schaden würde das nicht.

Fazit:

Citadel ist unterhaltsam schnell und actionreich erzählt, kann mit schönen Menschen, ordentlichen Actionsequenzen und guten Darstellern aufwarten und ist daher als leicht zu konsumierender Serienhappen für Zwischendurch auch gut geeignet. Für eine richtig gute Serie fehlt es aber an zu vielen Zutaten. So scheint Citadel alle gängigen  Filme und Serien abzuklappern, in denen Agenten vorkommen und kann sich dabei nicht auf einen eigenen Kurs festlegen. Zudem ist die comichafte Vereinfachung des Konflikts zwischen zwei streng geheimen Agenturen teilweise so platt, dass es fast albern wirkt. Aber vielleicht kann Citadel sich in den verbleibenden drei Folgen von einem netten Appetithappen doch noch zu einer sättigenden Mahlzeit entwickeln. Warten wir es ab.

Citadel startet mit zwei Folgen am 28. April 2023 bei Prime Video, danach immer freitags eine neue.

Richard Madden und Priyanka Chopra Jonas
Waren Mason und Nadja mal ein Paar? Er hat keine Ahnung – sie schon.