Wednesday

Serienkritik: Wednesday

Regisseur Tim Burton gehört sicher zu den stilprägendsten Machern in Hollywood. Bereits seit den 80er Jahren sind seine Werke stets von einer Handschrift, die den Fan unschwer eine Burton-Arbeit erkennen lässt. Nachdem sein letzter Kinofilm „Dumbo“ kein riesiger Erfolg war, zog sich der mittlerweile 64-jährige für drei Jahre zurück. Um jetzt mit einem Projekt wieder aufzutauchen, dessen Wurzeln Burton vermutlich in seiner Laufbahn beeinflusst hat. Denn mit „Wednesday“, einer Netflix-Serie mit den Figuren der berühmten Addams-Family, kann der Regisseur genau die Themen bearbeiten, die ihn schon immer interessierten und weswegen er vermutlich auch ein Fan der Charaktere um Gomez und Morticia Addams ist. Lohnt sich für Burton-Fans also das Einschalten? Das klärt die Kritik.

Catherine Zeta-Jones
Nach einem Vorfall an der Schule haben Morticia und Gomez Addams keine Wahl: Wednesday muss aufs Internet nach Nevermore.

Die Handlung

Weil Mitschüler ihren Bruder Pugsley (Isaac Ordonez) ärgern, greift Wednesday Addams (Jenna Ortega) zu einem rabiaten Mittel der Rache. Daher wird sie von der Schule verwiesen und braucht eine neue Möglichkeit u lernen. Ihre Eltern Morticia (Catherina Zeta-Jones) und Gomez (Luis Guzman) beschließen, Wednesday auf die gleiche Schule zu schicken, auf der sie beide sich kennen- und lieben lernten: das Internat Nevermore. Wednesday ist von diesem Plan wenig begeistert, fühlt sich die junge Frau doch von ihren Eltern abgeschoben. Und so plant sie, es der Schulleiterin Larissa Weems (Gwendoline Christie) und ihrem Lehrkörper so schwer wie nur möglich zu machen und möglichst bald aufs dem Internat zu fliehen.

Doch mit den Lehrern ist das Problem noch nicht beendet. Die Schülerin, mit der sie ein Zimmer teilt, hört auf den Namen Enid (Emma Myers), ist ein Werwolf und steht auf bunte Farben – für Wednesday ein Alptraum! Spannender ist da schon Xavier (Percy Hynes White, „The Gifted„), der als begabter Künstler in düsteren Farben Monster malt. Dazu kommt die Sirene Bianca (Joy Sunday), mit der sich Wednesday messen kann – ein Kampf, der der jungen Addams durchaus Spaß macht. Doch der beste Grund zu bleiben ist eine Mordserie, die ein Monster in den nahen Wäldern verübt. Wednesday möchte diese Kreatur finden und von weiteren Morden abhalten. Aber kann der brillante Spross der Addams-Familie das wirklich schaffen?

Spektakulär: Jenna Ortega

Neben Tim Burton sind noch weitere bekannte Namen hinter den Kulissen von Wednesday in das Projekt involviert: Alfred Gough und Miles Millar. Das Produzenten- und Autorenpaar arbeitet seit vielen Jahren zusammen und machten sich im TV vor allem mit „Smallville“ einen Namen. Doch seit einigen Jahren haben die beiden keinen Erfolg mehr landen können. Serien wie „Charlies Angels“ und „The Shannara Chronicles“ floppten. Nun sollten die beiden mit Tim Burton als Regisseur von vier der acht Folgen Wednesday für Netflix in die Erfolgsspur bringen. Doch das gelingt nur bedingt. Denn Gough und Millar versuchen, das momentane Lieblingsgenre von Netflix, Dark Fantasy für junge Zuschauer, mit dem morbiden Witz der Addams Family zu mischen – und das passt nicht immer wirklich zusammen.

Aber zuerst zum Positiven. Jenna Ortega, die zuletzt bereits in „X“ und „Scream“ Horrorluft schnupperte, spielt die eiskalte Tochter der eigenwilligen Sippe großartig. Das Publikum sah zuletzt eine grandiose Christina Ricci in der Rolle, die in der Serie deshalb wohl auch eine wichtige Nebenrolle bekam. Doch Ortega kann sich in ihrer Darstellung der brillanten Wednesday mit Ricci durchaus messen. Ihre Szenen, vor allem gemeinsam mit dem Eiskalten Händchen, das Vater Gomez zu ihrem Schutz in Nevermore ließ, strotzen vor gutem schwarzen Humor und verfügen über ein wundervolles Timing. Aber auch die anderen Schauspieler agieren mit Ortega glänzend und helfen ihr, sich als absolute Hauptfigur der Serie zu etablieren. Der Rest der Sippe bringt es hingegen nur auf Gastrollen.

Gwendoline Christie
Schulleiterin Weems (hier leicht indisponiert) ist eine alte Freundin der Familie und nimmt Wednesday auf.

Zu viel Teenie-Herz-Schmerz, zu wenig Addams

Und das ist schon eines der Probleme der Serie. Denn wer sich auf skurrilen Humor in der Art der Spielfilme von Barry Sonnenfeld freut, wird enttäuscht. Wednesday wirkt eher wie eine Mischung aus Harry Potter und der CW-Serie „Legacies“, einem Spin-Off von „The Originals“. Die Schule voller Vampire, Werwölfe und anderer Kreaturen passt eigentlich nicht zur Addams Family. Stattdessen schien Netflix erneut das Publikum ansprechen zu wollen, das auch Eigenproduktionen wie „Shadow and Bone“, „The Order“ oder „Locke and Key“ schon mochte. Und bei diesen ganzen Vorgaben braucht die neue Serie viel Zeit, um endlich einen eigenen Ton zu entwickeln. Was leider auch daran liegt, dass Tim Burtons visueller Einfluss auf die Serie nur mit viel gutem Willen zu erkennen ist.

Auf den ersten Blick ist die Idee, Burton mit der Addams Family zusammenzubringen, einfach grandios. Denn der große Fan von abseitigen und schrägen Geschichten und Figuren könnte wenn man ehrlich ist, durchaus ein Mitglied dieser Familie sein. Und so schien Wednesday visuell ein Selbstgänger zu werden. Hin und wieder ist Burtons Handschrift auch zu erkennen, etwa im gemeinsamen Zimmer von Wednesday und Enid. Aber unter dem Strich ist die Serie optisch nicht so spektakulär, dass dem Publikum der typische Burton-Look regelmäßig begegnen würde. Die Serie also nur wegen des Regisseurs zu sehen, wäre vermutlich eine Enttäuschung für seine Fans. Auch wenn sie sich, wie viele gute Serien, im Lauf der Staffel deutlich steigert. Und einige wirklich gelungene Verbeugungen vor großen Horrorfilmen hinlegt.

Wednesday
Auch Psychologin Dr. Kinbott hat es mit Wednesday nicht leicht.

So gibt es in Episode 4 eine Ballszene, die sowohl „Carrie“-Vibes transportiert, als auch an die starke Eröffnungsszene des ersten „Blade“-Films erinnert. Dazu haben die Autoren, neben Gough und Millar waren noch fünf weitere am Werk, immer wieder sehr feine One-Liner und kurze Vorträge für Jenna Ortega geschrieben, die sie als Wednesday wirklich schön umsetzt. Und mit dem stets gleichgültigen Gesicht (bis auf wenige Ausnahmen) einige Lacher produziert. Burtons Haus- und Hofkomponist Danny Elfman liefert ebenfalls einige passende Melodien ab, die der Stimmung der Serie hörbar gut tun. Dennoch ist hier einfach zu wenig Addams-Family und zu viel Young Adult-Dark-Fantasy drin, um auch ältere Zuschauer dauerhaft abzuholen.

Fazit:

Nicht nur viele Köche, auch viele Zutaten können den Brei verderben. Denn was die Chefautoren Alfred Gough und Miles Millar hier alles zu einem neuen Teig verrühren wollen, ist einfach etwas zu viel. Warum eine Schule mit Vampiren und Werwölfen, wenn deren Besonderheiten dann gar keine Rolle spielen? Immerhin werden die zu Beginn holprigen Drehbücher im Lauf der Staffel besser, wenn sich die Macher auf ihren größten Trumpf besinnen: die wunderbare Jenna Ortega und den ebenso wunderbaren schwarzen und höchst skurrilen Humor der Addams-Family, wie ihn ihr Schöpfer Charles Addams bereits 1938 entwickelte – und dessen Zeitlosigkeit auch in dieser Serie beweist. Dass Tim Burton die ersten vier Episoden in Szene setzte, das sieht man hingegen leider viel zu selten. Und so geht Wednesday als gute, aber nicht als tolle Serie durch.

Wednesday startet am 23. November 2022 bei Netflix – natürlich an einem Mittwoch.

Jenna Ortega
Wednesday hat sich in den Kopf gesetzt, das mörderische Monster der Gegend zu stellen – und das eiskalte Händchen soll helfen.