Anya Taylor-Joy

Filmkritik: The Menu

Regisseur Mark Mylod gehört zu den wenigen Regisseuren des Planeten, die sich rühmen können, mehrere Folgten von „Game of Thrones“ inszeniert zu haben. Nun hat der Mylod erstmals seit elf Jahren wieder einen Kinofilm in Szene gesetzt. „The Menu“ ist dabei nach einem Drehbuch gedreht worden, das auf Hollywoods Black List stand. Diese Liste ist aber keine Sammlung von verbotenem oder moralisch nicht einwandfreiem Material. Sondern beinhaltet die nach Meinung von Experten besten Drehbücher, die bislang noch nicht verfilmt wurden. Ein guter Grund also für Mylod, wieder für das Kino zu arbeiten. Hält der Film, was die Qualitätsbeurteilung des Scripts verspricht? Das klärt die Kritik.

Nicholas Hoult
Tyler freut sich auf einen exklusiven Restaurantbesuch mit Freundin Margot.

Die Handlung

Tyler (Nicholas Hoult) und seine Freundin Margot (Anya Taylor-Joy) warten auf ein Boot, das sie und einige andere Reiche und Berühmte zu einem der exklusivsten Restaurants des Planeten bringen soll. Das „Hawthorne“ von Spitzenkoch Julian Slovik (Ralph Fiennes) liegt auf einer Insel, die ansonsten unbewohnt ist. Und lässt stets nur wenige Gäste pro Abend zu einem Dinner kommen. Die Warteliste ist lang und im Restaurant selbst kann man nichts bestellen, sondern wird zum Teilnehmer an einem vorher festgelegten Gänge-Menü, das zu den besten und renommiertesten der Welt zählt. Um dieses Erlebnis zu genießen, müssen aber auch die Gäste bestimmte Regeln befolgen. Und sich mit einigen Geboten des exzentrischen Sternekoch abfinden.

Tyler, der bereits seit vielen Monaten auf die Chance wartet, ist sehr aufgeregt und kann es kaum abwarten, die sündhaft teuren Speisen zu kosten. Margot, die mit solcherlei gehobener Küche nichts verbindet, ist hingegen weitaus weniger enthusiastisch, was den Abend angeht. Zumal sie nicht die Frau ist, mit der Tyler eigentlich angekündigt war und sie deshalb von Beginn an mit Misstrauen seitens des Kochs und seiner Bediensteten behandelt wird. Als die Vorträge, die Slovik vor jedem neuen Gang hält, langsam immer persönlicher auf die Gäste zugeschnitten sind, dämmert Margot, dass in diesem Restaurant weitaus unheimlichere Dinge vor sich gehen als Kochkunst …

Genre unklar, Qualität nicht

Manchmal ist es gar nicht so leicht, einem Film ein Genre zuzuordnen. Auch bei The Menu werden verschiedene Zuschauer vermutlich unterschiedliche Urteile treffen. Für einige dürfte der Film eine böse und sehr spitze Satire auf die dekadenten Methoden Superreicher sein, ihr Geld auszugeben. Für andere ist Mylods Werk eher ein fieser Thriller, der gleich zu Beginn eine unangenehme Atmosphäre aufbaut und damit bis zum derben Finale spielt. Einige mögen ihn  vielleicht sogar als Horrorfilm empfinden und die blutigen und fiesen Momente des Film lassen problemlos auch eine solche Deutung zu. Aber welchen Namen man dem Kind nun auch immer geben mag, letztlich zählt die Qualität. Und die ist bei The Menu absolut beeindruckend.

Denn der Film erinnert in seiner Struktur und seiner Umsetzung selbst an ein leckeres Gänge-Menü. Im offensichtlichen Bereich, weil der Film in exakt so viele Teile gegliedert wurde wie das titelgebende Menü Gänge hat. Und im filmischen Bereich, weil Mylod die Geschichte ebenso präzise, dekorativ und auf den Punkt serviert wie der Starkoch Julian Slovik sein Essen. Hier steckt in jeder Szene, jeder Kameraeinstellung eine Aussage, die sich zu einem faszinierenden Gesamtbild zusammenfügen, je länger The Menu dauert. Und der leise Verdacht, den das Publikum früh entwickelt, sich stetig steigert. Bis zu einer Gewissheit, dass dieser Abend im Hawthorne nicht für jeden Teilnehmer einen guten Ausgang nehmen wird.

Ralph Fiennes
Chefkoch Julian führt sein Team wie ein Tyrann, hat so aber ein exzellent funktionierendes Restaurant geschaffen.

Fiennes und Taylor-Joy ragen heraus

Die beiden Hauptgänge dieses Menüs, das Mylod so vortrefflich kredenzt, sind dabei Ralph Fiennes und Anya Taylor-Joy. Fiennes, der bereits mehrfach äußerst unangenehme Zeitgenossen verkörperte, entwickelt auch hier schnell eine Aura um sich, die dem Zuschauer unmissverständlich vermittelt, dass er zu allem fähig ist. Als perfektionistischer und pedantischer General eines bis in die Haarspitzen motivierten und trainierten Teams glänzt der Brite mit einer präsenten und doch nie wirklich greifbaren Bedrohlichkeit, die durch seine zur Schau getragene Höflichkeit bei gleichzeitig stets vermittelter Geringschätzung seiner Gäste jeden Auftritt des Schauspielers zu einem Ereignis macht.

Ihm ebenbürtig ist Anya Taylor Joy, die ebenfalls ihr Talent für schräge Rollen schon oft unter Beweis gestellt hat. Und hier die vielleicht normalste Person seit langer Zeit spielt. Als Margot, die mit dem überkandidelten und dekadenten Treiben der oberen Zehntausend so gar nichts zu tun hat und es auch deutlich ablehnt. liefert sie sich in den absoluten Höhenpunkten des Films, der an Highlights alles andere als arm ist, wundervolle Duelle mit Fiennes, der für sie schnell eine seltsame Hassliebe entwickelt. Der Rest des starken Casts ist zwar eher schmückendes Beiwerk und hat nur wenige Szenen, um sich auszuzeichnen. Aber jeder nutzt sein Chance, den oftmals absichtlich klischeebehafteten Charakter mit Leben zu erfüllen. Besonders Nicholas Hoult als moralisch verkommener Fan-Boy sticht dabei hervor.

The Menu
Für die optisch und geschmacklich herausragenden Speisen zahlen die Gäste Höchstpreise.

Allerdings sind auch die Schauspieler hier nur ein Teil des Gesamtmenüs. Denn was Kameramann Peter Deming hier an Bildern einfängt, die gleichzeitig atemberaubend perfekt und in dieser Perfektion wiederum abstoßend wirken, ist beeindruckend. Ebenso wie die ganze Kulisse des spartanisch-edel eingerichteten Hawthorne sowie der Umgebung des Restaurants. Film ist immer auch für das Auge des Betrachters gemacht. Und an The Menu werden sich echte Cineasten kaum sattsehen können. Zwar bedient Regisseur Mark Mylod vermutlich nicht den Massengeschmack an der Kinokasse. Aber er liefert mit seinem bösen und doch so schönen Film eine echte Spezialität in einem Kinojahr, das reichlich Hausmannkost geboten hat.

Fazit:

Mit The Menu bietet Regisseur Mark Mylod nach langen Jahren der Kinoabstinenz den Beweis, dass er noch immer für die große Leinwand inszenieren kann. In kunstvollen Bildern erzählt er eine ebensolche Geschichte als Gänge-Menü, das in seiner Konsequenz und seiner klaren politischen Aussage in diesem Jahr seinesgleichen sucht. Ralph Fiennes und Anya Taylor-Joy duellieren sich auf höchstem Niveau. Und die Story filetiert genüsslich die Welt der Schönen und Reichen. Die mit ihrem Leben nichts anderes mehr anfangen können, als sich den elitärsten Genüssen hinzugeben, die sie finden können. Wer mit diesen Zutaten etwas anfangen kann, sollte sich eine der besten Thriller-Satiren seit langem und einen der besten Filme des Jahres im Kino nicht entgehen lassen.

The Menu startet am 17. November 2022 in den deutschen Kinos.

The Menu
Doch bald merken die Besucher, dass das Hawthorne alles andere als ein normales Restaurant ist.