The Gifted

Serienkritik: The Gifted

Während in „Legion“, der ersten X-Men-Serie von FOX, das Wort Mutant noch tunlichst vermieden wurde, gehört „The Gifted“ eindeutig in die Welt der „X-Men“, daraus macht die neue 13-teilige Serie keinen Hehl. Die Geschichte der Familie Strucker, deren halbwüchsige Kinder sich als Mutanten entpuppen, erinnert im Grundton stark an „X-Men – Zukunft ist Vergangenheit“. Ist sie ähnlich gut?

Dc hatte es schon jahrelang vorgemacht und auch Marvel punktete im Fernsehmarkt vor allem mit seinen Netflix-Serien. Da war es für FOX höchste Zeit, die lukrative X-Men-Lizenz auch für den kleinen Bildschirm umzusetzen. Während Legion aber eher ein intellektuelles Verwirrspiel um Realitäten war und sich selbst nicht so recht als X-Men-Ableger begriff, setzte The Gifted-Showrunner eindeutig andere Prioritäten. Bereits in der ersten Folge wird klar, dass die X-Men hier existieren und die Serie starke Bezüge zum Mutanten-Team aufweist. Aber ist sie auch gut?

The Gifted
Eclipse und Polaris sind das Liebespaar der Serie.

The Gifted: Die Handlung

Die Struckers sind eine ganz normale Familie – zumindest auf den ersten Blick. Vater Reed (Stephen Moyer, „True Blood„) arbeitet als Staatsanwalt und ist hauptsächlich damit beschäftigt, Mutanten aus dem Verkehr zu ziehen, die als Bedrohung für die Gesellschaft angesehen werden. Mutter Caitlin (Amy Acker, „Angel“) ist Krankenschwester. Die Kinder Lauren (Natalie Alyn Lind) und Andy (Percy Hines White) ganz normale High-School-Kids. Doch auf einer Schulparty sorgen ein paar Schläger dafür, das Andy in Panik gerät – und sich so seine Mutantenkräfte erstmals zeigen. Nur seiner Schwester, die ihre Kräfte schon länger besitzt und damit umgehen kann, hat Andy es zu verdanken, dass er die Sache unbeschadet übersteht.

Doch das normale Leben der Struckers ist mit einem Schlag vorbei. Sie müssen fliehen und versuchen, Kontakt zum Mutanten-Untergrund zu bekommen, einer Organisation, die Mutanten hilft, außer Landes zu gelangen. Denn der „Sentinel Service“, eine Regierungsorganisation, die sich auf die Jagd nach Mutanten spezialisiert hat, ist ihnen in Form des Agenten Jace Turner (Coby Bell), bereits auf den Fersen. Da Reed kurz vorher die Mutantin Polaris (Emma Dumont) im Gefängnis besucht hat, versucht er nun, ihren Freund Marcos (Sean Teale) alias Eclipse zu erreichen, um seine Hilfe im Tausch gegen sein Wissen zu bekommen. Gemeinsam mit dem Anführer des Untergrunds, dem Indianer John Proudstar (Blair Redford) alias Thunderbird und der Teleporterin Blink (Jamie Chung), versucht Reed, seine Kinder zu retten. Doch das System ist überall …

The Gifted: Erwachsene Teenie-Serie

Die ersten Trailer zur Serie weckten den Verdacht, dass The Gifted eine typische Teenie-Serie wie „Vampire Diaries“ oder „I, Zombie“ werden würde, in denen schöne junge Menschen ihre große Liebe vor Fantasy-Hintergrund finden und verlieren. Und so ganz falsch ist das auch nicht. Aber man würde The Gifted doch Unrecht tun, würde man sie darauf reduzieren. So halten sich Love-Storys in der ersten Staffel wohltuend zurück, die es angesichts der prall gefüllten Handlung auch wirklich nicht braucht. Zudem sorgt der mythologische Unterbau aus Comics und Filmen dafür, dass das Universum der Serie sofort sehr viel dichter wirkt, als das bei anderen neuen Serien der Fall ist.

In den ersten Episoden hat Showrunner Matt Nix noch sichtbar Probleme, das richtige Tempo zu finden. Denn im Bemühen, jede Folge in sich abzuschließen und weitgehende Voraussetzungsfreiheit zu schaffen, erleichtert er zwar Neulingen im X-Men-Universum den Einstieg. Das geht aber zu Lasten von Spannung und Logik. Aber im Lauf der Serie gelingt es Nix, das Tempo zu beruhigen und mit dem Autorenteam interessante Verflechtungen aus den Comics in die Serie zu bringen. Denn soviel sei verraten: Einige Namen in der Serie wurden nicht zufällig ausgewählt.

The Gifted
Nachdem Reeds Kinder als Mutanten entlarvt wurden, entwickelt sich Agent Turner zum Feind der Familie.

The Gifted: Spaß für Comicfans

Dazu kommen aus den Comics bekannte Figuren, die zwar nicht unbedingt zur ersten Garde von Marvels Mutanten gehören, aber hier eine gute Rolle spielen. So sind Polaris, Blink, Eclipse und Thunderbird ein starkes Quartett, das sich glaubhaft als Beschützer der Mutanten etabliert. Auch das Auftauchen von Trask Industries, in den Comics und in X-Men: Zukunft ist Vergangenheit Erbauer der Sentinels, die zum Jagen von Mutanten konstruierten Roboter, kommt nicht von ungefähr. Je länger die Serie läuft, desto mehr coole Offenbarungen für Comicfans bietet The Gifted. Dabei verliert Nix mit seinem Team aber nie die Bodenhaftung und galoppiert in Sphären, zu denen ihm auch nur noch Experten folgen könnten. Stattdessen erweitert er die Figuren und Orte im Plot langsam und nachvollziehbar. Vor allem in der zweite Hälfte der Staffel zieht er so die Spannung deutlich an. Und öffnet The Gifted immer mehr zahlreichen Möglichkeiten für die bereits georderte zweite Staffel.

Gut besetzt ist halb gewonnen

Dabei helfen ihm die durchgehend guten Schauspielerleistungen und das passende Casting. Natalie Alyn Lind und Percy Hines White nimmt man die Jugendlichen, die sie spielen, tatsächlich ab. Auch optisch wirken die beiden passend – und nicht wie 25, was in anderen Serien häufig passiert. Und erfahrene Schauspieler wie Stephen Moyer und Amy Acker sorgen für emotionale Momente, die tatsächlich anrühren, weil sie eben gut gespielt sind. Zwar erreicht die Serie nie die Intensität einer „Jessica Jones“ oder eines „Daredevil„. Das war allerdings angesichts des Sendeplatzes auf einem Network-Sender mit allen dazugehörigen Restriktionen auch nicht zu erwarten.

Vergleicht man etwas fairer mit einer Serie wie „Agents of SHIELD„, dann schlagen sich die jungen Mutanten schon besser. Denn den großartigen Humor der Agents haben The Gifted zwar noch nicht, aber die Angst vor dem Andersartigen und dem Anderssein, wie sie in der ABC-Serie in Form der Jagd auf Inhumans gezeigt wird, bringt The Gifted eine Spur intensiver und packender auf den Punkt.Dadurch macht sie Serie nicht nur 15-20-jährigen Spaß, sondern ist auch für ältere Zuschauer durchaus einen Blick wert. Und Fans der X-Men kommen sowieso nicht an ihr vorbei. Denn The Gifted wimmelt nur so vor Anspielungen auf die mehr als 50-jährige Historie von Marvels Mutantenfamilie. Man darf gespannt sein, was FOX – oder dann vielleicht schon Disney – mit der zweiten Staffel machen wird.

Fazit:

The Gifted ist sicher nicht die beste Superhelden-Serie der Welt. Aber sie ist durchaus unterhaltsam, manchmal dramatisch und vollgepackt mit sympathischen Darstellern und Charakteren. Dazu trifft sie besonders in den Momenten, in denen die Jagd auf Andersartige thematisiert wird, stets den richtigen Ton. Und spricht so vor allem eine heranwachsende Zielgruppe gut an. Aber eben nicht nur die. Dazu ist sie so dicht am X-Men-Universum, dass sich auch die Kinofans wie Zuhause fühlen werden.

The Gifted startet am 17. Januar 2018 bei FOX Channel.

The Gifted
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