Thor Love and Thunder

Filmkritik: Thor Love and Thunder

Mehr als 850 Millionen Dollar spielte „Thor: Tag der Entscheidung“ 2017 in den Kinos weltweit ein. Selbst für einen Marvel-Film kein alltägliches Ergebnis. Weil sowohl Star Chris Hemsworth als auch Regisseur Taika Waititi Interesse an einem weiteren Abenteuer des Donnergottes zeigten, machte Disney den Deal schnell perfekt und gab „Thor Love and Thunder“ in Auftrag, der nun in den deutschen Kinos startet. Viele Marvel-Fans mochten den Vorgänger ob seines Humors sehr, nur viele Comic-Leser konnten mit dem allzu spaßigen Umgang mit eigentlich sehr ernsten und dramatischen Storylines nicht so viel anfangen. Ist das beim neuen Film auch wieder so? Das und mehr klärt die Kritik.

Chris Hemsworth
Thor als Guru? Im All entdeckt der Donnergott ungeahnte Seiten an sich selbst.

Die Handlung

Auf den ersten Blick hat Thor (Chris Hemsworth) eine gute Zeit mit seinen neuen Kumpels von den Guardians of the Galaxy. Doch tief im Inneren sieht es anders aus. Der Donnergott kämpft noch immer mit den Verlusten in seinem Leben. Der Tod von Odin, Freya und Loki, die Vernichtung Asgards und sein vermeintliches Versagen im Kampf gegen Thanos haben ihre Spuren auf der Seele des Asen hinterlassen. Und so wird Thor trotz seiner vielen Kämpfe tief im All nicht wirklich glücklich. Als er dann auf Beweise dafür stößt, dass eine Waffe wieder aufgetaucht ist, mit der ihr Träger Götter töten kann, sieht er sein Volk bedroht und macht sich auf den Weg zurück zur Erde, um Neu Asgard zu beschützen.

Hier trifft er nicht nur auf erwartete Verbündete wie die neue Königin Valkyrie (Tessa Thompson), sondern auch auf echte Überraschungen. Seine große Liebe Jane Foster (Natalie Portman) lebt mittlerweile auch in Neu Asgard – und sie wurde durch die Kräfte von Thors altem Hammer Mjölnir zum neuen Donnergott! Um alte und neue Gefühle auszuloten, bleibt aber nur wenig Zeit. Denn ein Wesen namens Gorr (Christian Bale) hat es sich in den Kopf gesetzt, mit seinem neuen Schwert alle Götter des Universums zu töten. Und so machen sich Thor, Jane und Valkyrie auf, um unter den Bedrohten Mitstreiter für einen Kampf gegen Gorr zu finden. Das gestaltet sich aber gar nicht so einfach …

Ragnarök Teil 2

Würde Disney nach 850 Millionen Dollar wirklich ein Wagnis eingehen und den neuen Thor-Film deutlich anders werden lassen als den erfolgreichen Vorgänger? Die Antwort ist ein klares Nein. Thor Love and Thunder ist quasi die Kopie von Thor Tag der Entscheidung. Wieder nimmt Regisseur Waititi eine bekannte Comic-Saga aus dem Comic-Universum von Thor, die eigentlich alles andere als lustig ist. Und dreht sie derart auf links, dass von der eigentlich Story nur noch ein paar Knochen übrig bleiben. Dann ordnet er diese Reste dramaturgisch noch ein paar Lachern unter. Vielen Zuschauern weltweit hat das sehr gefallen – und die dürften auch im neuesten Marvel-Film wieder voll auf ihre Kosten kommen.

Wer aber zur zugegeben kleinen Gruppe treuer Comic-Leser gehört, dürfte mit dem MCU-Thor spätestens seit dem dritten Solo-Film auf Kriegsfuß stehen. Dass Marvel wohl der Überzeugung war, die sehr ernsten und oft epischen Kämpfe des edlen Asen gegen mächtige Gegner seien im Kino nicht passend und müssten durch einen blonden, leicht trotteligen Muskelberg ersetzt werden, lässt sich verstehen. Aber warum Waititi ausgerechnet wirkliche Meilensteine der Comic-Historie völlig verfremden und sinnentleeren muss, wird der Neuseeländer wohl nur selbst wissen. Denn ein witziger Film mit eigentlich tragischer Handlung, der dennoch emotional berührt, das gelingt dem Regisseur und Co-Autor auch im zweiten Versuch nicht.

Christian Bale
Als Gorr, der Götter-Schlächter auftaucht, muss Thor wieder zum Helden werden.

Lustig, aber emotional flach

Klar, Thor Love and Thunder hat ein paar wirklich lustige Szenen gerade zu Beginn, wenn Thor noch im All unterwegs ist. Doch nachdem sich die Guardians aus der Story verabschiedet haben und Thor wieder auf der Erde weilt, wird die Handlung melancholisch, gar tragisch. Was Waititi nicht daran hindert, weiterhin lustige Szenen einzubauen. Nun ist das MCU grundsätzlich ein wenig witziger und selbstironischer als beispielsweise viele bierernste DC-Filme, speziell die von Zack Snyder. Dennoch gelang es anderen Regisseuren, auch Momente der Trauer oder des Verlusts zu generieren, nicht zuletzt den Russo-Brüdern in ihren Avengers-Filmen. Der Tod von Tony Stark oder Natascha, da hat so mancher Zuschauer im Saal eine Träne verdrückt. Genau das schafft Thor Love and Thunder nicht.

Denn trotz zum Teil wirklich trauriger Ereignisse bleibt der Film eine Komödie und der emotionale Einschlag bei den tragischen Momenten völlig aus. Und es kann eigentlich nicht viel Schlimmeres geben, als wenn eine echte Bedrohung für die Helden emotional überhaupt nicht funktioniert. Der Grund dafür ist die Mischung, die auch beim zweiten Versuch nicht aufgeht. Eine tragische Story wird nicht emotional, wenn man sie möglichst lustig erzählt. Wenn Taika Waititi unbedingt Thor-Comedy drehen möchte, dann hätte es dafür durchaus Comic-Vorlagen gegeben, wenn auch nicht unfassbar viele. So wäre der Walt Simonson-Run von 1983-87 mit einem Frosch-Thor eigentlich genau Waititis Kragenweite gewesen. Leider hat er das nicht genutzt.

Thor Love and Thunder
Kommen sich Thor und Jane Foster wieder näher?

Dass Thor Love and Thunder handwerklich und tricktechnisch ein guter Film ist, darüber muss man nicht streiten. Und wer keinen anderen Thor kennt als den leicht unterbelichteten Muskelprotz, wird auch hier möglicherweise wieder viel Spaß haben. Wer sich aber eher einen anderen Thor wünscht, der in seinem ersten MCU-Abenteuer von Kenneth Branagh auch noch erkennbar war, für den dürfte Love and Thunder einen neuen Tiefpunkt darstellen. Es ist eigentlich eine gute Sache, dass Marvel sich nicht auf Lorbeeren ausruht. Und jedes Jahr ein zweites Endgame in die Kinos bringt, bis sich die Nummer totgelaufen hat. Aber Thor zum Clown des MCU zu machen, ist kreativ sicher nicht die bisher beste Idee. Selbst wenn die Kasse stimmt.

Fazit:

Mit Thor Love and Thunder kommt ein Marvel-Film in die deutschen Kinos, der in Sachen Humor und Slapstick direkt an den Vorgänger Tag der Entscheidung anschließt. Erneut erzählt Regisseur und Co-Autor Taika Waititi eine im Kern tragische Story. Und das tut er so lustig und albern wie eben möglich. Lacher erzeugt er damit durchaus, aber das Schicksal der zum Teil seit Jahren bekannten Figuren wird dadurch auch schnell relativ egal. Der Satz „Thor will return“ am Ende deutet an, dass Waititi wohl noch einen fünften Teil plant. Zumindest ein Teil der Fans des Comic-Thor werden darüber nicht uneingeschränkt begeistert sein. Dass Waititi ein großartiger Regisseur ist, bewies er mit Filmen wie „Jojo Rabbit“. Es wäre schön, er würde zu solchen Projekten zurückkehren und Thor einem anderen überlassen.

Thor Love and Thunder startet am 6. Juli 2022 in den deutschen Kinos.

Thor Love and Thunder
Und fordert der Sohn Odins seinen Thron von Valkyrie zurück?