The Terminal List

Serienkritik: The Terminal List

Momentan läuft die Karriere von Chris Pratt nicht sonderlich rund. Der letzte Jurassic World-Film kommt bei Kritikern und Publikum nicht sonderlich gut an. Dazu hat er durch unbedachte Äußerungen zur Geburt seines Kindes und angebliche Zugehörigkeit zu einer konservativen, homophoben Glaubensgemeinschaft auch die öffentliche Meinung Hollywoods gegen sich. Da täte ein Befreiungsschlag ganz gut, um als Schauspieler positive Schlagzeilen zu generieren. Kann das mit der von ihm selbst produzierten Serie „The Terminal List“ für den Streamingdienst Amazon Prime Video gelingen? Das verrät die Kritik.

The Terminal List
Gemeinsam mit Kumpel Ben analysiert James Reece die Ereignisse, die zum Tod von zwölf Kameraden führten.

Die Handlung

Commander James Reece (Chris Pratt) ist ein hochdekorierter Navy SEAL, der bereits viele Einsätze in Kriegsgebieten hinter sich hat. Seine Männer vertrauen ihm. Daher gibt es auch keine Diskussionen, als Reeces Platoon in den Einsatz gegen einen gesuchten Terroristen geschickt wird, für den die Soldaten durch ein unterirdisches System aus Gängen und Höhlen hindurch müssen. Doch diese Höhlen werden für Reeces Männer zur Todesfalle, denn der Gegner erwartet die US-Elitesoldaten bereits. Nur Reece selbst kann der Falle entkommen, zwölf seiner Männer kehren hingegen im Sarg nach Hause zurück. Dort befragt, stellt sich bald heraus, dass James Reece unter Erinnerungslücken zu leiden scheint. Denn seine Erzählung der Ereignisse deckt sich nicht mit den offiziellen Funkaufzeichnungen des Einsatzes.

Das lässt Reece keine Ruhe. Uns so spielt er das Szenario immer wieder in seinem Kopf durch, selbst als er längst wieder zuhause bei seiner Frau Lauren (Riley Keough) und Tochter Lucy ist. Auch sein bester Freund Ben (Taylor Kitsch), ehemaliger Kamerad und inzwischen für die CIA tätig, kann Reece nicht davon abbringen, dass etwas nicht stimmt. Und so beginnen die beiden, sich einzelne Teile des Einsatzes genauer anzusehen. Dabei fallen ihnen Ungereimtheiten auf. Aber gibt es die tatsächlich? Oder deuten Reeces regelmäßige Kopfschmerzen auf eine andere Erklärung für seine Erinnerungen hin? Beim Versuch, diese Frage im Krankenhaus zu klären, erhält Reece endlich die Antworten, die er suchte …

Paranoia und Action satt

The Terminal List basiert auf einem Roman von Jack Carr, der laut Verlag selbst auf eine 20-jährige Karriere als Navy SEAL zurückblicken kann – und demnach weiß, wovon er schreibt. Allerdings ist die Serienumsetzung keinesfalls von diesem Fachwissen geprägt. Die Story setzt neben wenigen, aber gut in Szene gesetzten Action-Sequenzen hauptsächlich auf eine wachsende Stimmung der Paranoia, weil Reece als Held der Geschichte immer weniger Menschen in seinem Umfeld vertrauen kann. Lediglich Ben und die Journalistin Katie (Constance Wu), die in seinem Fall recherchiert, sieht Reece als Verbündete. Der Rest der Welt scheint sich gegen ihn verschworen zu haben. Schon die erste Folge, die der actionerfahrene Hollywood-Regisseur Antoine Fuqua („King Arhur“, „Training Day“) inszenierte, setzt die Serie dafür in die Spur.

Amazon Prime beweist damit erneut ein gutes Gespür für ihre momentane Kernkompetenz – die harte Männer-Serie. Denn wie „Reacher“ und in Ansätzen auch „Jack Ryan“ bedient The Terminal List vor allem Fans tougher Helden, harter Action und einer abgeschlossenen Story. Die neue Serie mit Chris Pratt wirkt tatsächlich wie eine Mischung der beiden genannten Serien. Denn Reece steht Reacher in Sachen Kampfkraft in Nichts nach. Und die Story erinnert durchaus an die Abenteuer des CIA-Agenten Ryan. Ganz so stark wie der Überraschungshit Reacher ist die Zusammenarbeit von Pratt und Fuqua allerdings nicht ausgefallen. Denn sie hat drei unverkennbare Schwächen.

Riley Keough
Halt gibt dem erschütterten Navy SEAL vor allem seine Frau Lauren.

Etwas zu lang geraten

Die größte davon ist die Laufzeit. Zwar füllen die Autoren die acht Stunden ordentlich mit Story, müssen sich aber eine gewisse Redundanz vorwerfen lassen. Man muss wohl lange zurückblicken, um eine Serie zu finden, die so viele Rückblenden verwendet wie The Terminal List – und längst nicht alle davon sind nötig. So drängt sich bald der Eindruck auf, sechs Stunden hätten wohl gereicht, um die Geschichte zu erzählen. Und die wäre dann noch spannender und mitreißender ausgefallen. Chris Pratt versucht sich hier an einer ernsten Rolle und kann nicht komplett überzeugen. Die Actionsequenzen beherrscht er mühelos. Wenn es aber in emotionale Tiefen gehen soll, springt nur wenig davon auf den Zuschauer über. Und schließlich erhalten die Schurken im Plot nur wenig Profil und wirken zum Teil sehr beliebig.

Aber trotz dieser Schwächen ist The Terminal List insgesamt ein weiteres starkes Serien-Projekt von Prime Video. Denn die Serie wirkt trotz ihrer nicht wirklich neuen Ideen teilweise wie die grimmigere und blutigere Version des Literatur-Klassikers „Der Graf von Monet Christo“, biegt dann in Episode 6 kurz in Richtung „Rambo“ ab, bevor die beiden letzten Folgen endlich den Blick auf das wahre Geschehen erlauben. Und selbst dort noch ein Twist lauert. Zudem trauen sich die Autoren, aus dem Helden eine nicht durchgehend sympathische Figur zu machen und ihm stattdessen ein paar sehr dunkle Ecken zu verpassen. Von den drei Serien mit harten Kerlen, die Amazon Prime produziert, ist James Reece in The Terminal List sicher die ambivalenteste.

Constance Wu
Die Reporterin Katie konfrontiert Reece mit einigen unangenehmen Fakten.

Actionfans freuen sich über viele Szenen, die absolut auf Kino-Niveau daherkommen und in Härte und Präzision überzeugen. Dazu verfügt die Serie mit den Figuren von Constance Wu und Jeanne Tripplehorn auch über interessante weibliche Charaktere. Und schließlich gelingt The Terminal List durch ihren hohen Grad an Realismus auch eine unverhohlene Kritik am Umgang der USA mit ihren Soldaten. Was ganz im Sinne des Autors sein dürfte. Natürlich steht hier die Unterhaltung im Vordergrund, dennoch bietet die Serie auch dramatische Momente, die nachdenklich stimmen. Gerade weil das Szenario der Serie so gut vorstellbar ist.

Fazit:

Mit The Terminal List bietet Amazon Prime Video nach Jack Ryan und Reacher erneut eine Action-Thriller-Serie, die sich sehen lassen kann. Zwar fehlt ihr der böse Humor von Reacher und auch die Story um seltsame Vorgänge in der US-Armee ist nicht wirklich neu. Aber Chris Pratt überzeugt bis auf wenige Szenen als harter Navy SEAL, die restliche Besetzung spielt stark auf und die Action-Szenen sind top. Dazu entfesselt die fast schon klassische Rache-Story einen Sog, dem man sich nicht so ohne weiteres entziehen kann. Auch wenn die Serie mit acht Folgen etwas zu lang ausfällt, ist The Terminal List für Fans der beiden anderen Serien eine sichere Empfehlung. Selbst wenn der zurzeit in der Heimat unbeliebte Hauptdarsteller eine zweite Staffel unsicher scheinen lässt.

The Terminal List ist ab dem 1. Juli 2022 komplett auf Amazon Prime Video zu sehen.

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