Bislang war die Insel Taiwan, die offiziell noch immer zu China gehört, nicht unbedingt ein Land, aus dem beachtete Horrorfilme kommen. Und streng genommen war es auch der kanadische Regisseur Rob Jabbaz, der das Projekt in Taiwan umsetzte, seine Impulse aber sicherlich eher aus dem westlichen Kino holte. Dennoch hat „The Sadness“ bereits im vergangenen Jahr beim Fantasy Film Fest Furore gemacht. Denn so hart und kompromisslos kam lange kein Zombiefilm mehr in die Kinos, wobei auch dieser Begriff eigentlich nicht korrekt ist. Denn um Zombies handelt es sich hier nicht – ganz im Gegenteil. Was vom Film zu erwarten ist und ob es um mehr geht als exzessive Gewalt, das verrät die Kritik.
Die Handlung
Jim (Berant Zhu) und Kat (Regina Lei) sind ein junges Paar, dass am Rande der Großstadt in einer kleinen Wohnung zusammenlebt und auf bessere Zeiten hofft. Während Kat einem Bürojob nachgeht, hält sich Jim mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser und sucht nach einer richtigen Anstellung. Der Morgen scheint wie jeder andere, eine Meldung im TV von einer drohenden Epidemie durch eine neuen Virus nehmen beide nicht sonderlich ernst. Doch das soll sich bald ändern. Denn Jim erlebt bald hautnah, dass die Bedrohung durch dieses Virus sehr real ist. Als eine alte Frau in einem Restaurant Amok läuft und einen Angestellten schwer verletzt, bricht bald um Jim herum die Hölle aus. Aus harmlosen Gästen werden blutrünstige Killerbestien, die mit einem verzerrten Lächeln im Gesicht auf jeden Nichtinfizierten losgeht.
Während Jim mit Mühe nach Hase entkommt, wo der nächste Horror wartet, ist Kat noch mit der U-Bahn unterwegs. Dort muss sich sich erst der Avancen eines älteren Mannes erwehren, dann steigt ein Infizierter ein und das Blutbad beginnt auch hier. Nur mit Mühe kann Kat sich und eine verletzte junge Frau retten, ist aber bald schon der nächsten Bedrohung ausgesetzt. Denn ihr Verehrer lässt nicht nun gar nicht mehr aufhalten. Rasend schnell verbreitet sich die Krankheit in der ganzen Stadt und bald gibt es keine sicheren Orte mehr. Als Jim und Kat sich endlich per Telefon erreichen, sind sie Kilometer voneinander entfernt. Dennoch macht sich Jim auf den Weg, um seine Freundin zu retten …
Romero und Cronenberg als Vorbilder?
Blutigen Horror mit gesellschaftlicher Kritik mischen, das ist keine neue Erfindung. Schon 1968 brachte George A. Romero mit „The Night of the Living Dead“ einen beinharten Zombiefilm heraus, der heute als kultureller Beitrag geehrt und im Museum of Modern Art ausgestellt wird. Auch Romeros spätere Werke tragen immer ähnliche Botschaften in sich, Horror um des Horrors Willen war Romeros Sache nicht. Auch David Cronenberg drehte in den 70ern einige Filme, die ebenso gesellschaftskritisch wie blutig waren, ob „Parasitenmörder“ oder „Rabid – der brüllende Tod“. In diesem Fahrwasser bewegt sich auch Rob Jabbaz mit seinem Debütfilm. Und nimmt dabei auf zwei Vorlagen besonders Bezug.
So sieht sich der Kandier von der Comicserie „The Crossed“ inspiriert, die vom Schotten Garth Ennis („The Boys„) erfunden und von vielen anderen Autoren und Zeichnern weitergeführt wurde. Die Handlung seines Films zeigt aber ganz unverkennbar viele Ähnlichkeiten zu Romeros großer Zombie-Trilogie Night, Dawn und Day of the Dead. Zwar lässt sich aus Spoilergründen nicht ins Detail gehen. Aber Kenner dieser Filme werden manche Szene auch in The Sadness wiedererkennen – und manche Idee ebenfalls. Hier wie dort interessiert sich der Macher vor allem für die Auswirkungen auf die Lebenden/Nichtinfizierten und deren Reaktionen auf die lebensbedrohliche Situation. Jabbaz lässt aber keine apathischen und hungernden Untoten auf seine Helden los, sondern fühlende Wesen ohne jeden Moralkodex.
Blutig, aber nicht zum Selbstzweck
Wie einst Romero muss sich Jabbaz natürlich die Frage stellen lassen, ob seine Botschaft mit etwas weniger Gewalt nicht auch zu vermitteln gewesen wäre. Ob The Sadness nun der blutigste Film seit Menschengedenken ist, wie manche Artikel behaupten, sei einmal dahingestellt. Drastische Bilder von blutigen Morden liefert der Film allemal. Auch wenn besonders derbe Momente nicht gezeigt und somit der Phantasie des Zuschauers überlassen werden. Sei es eine zweckentfremdete Augenhöhle oder Säuglinge, deren Verbleib Jabbaz nicht im Detail zeigt, sondern nur Andeutungen liefert. Und was will der Regisseur nun mit seinem Film sagen?
Auffällig ist, dass seine Infizierten sehr wohl noch sprechen und ihre Absichten damit artikulieren können. Das zeigt die Membran zwischen den Infizierten und den Gesunden als sehr dünn. Und hin und wieder findet Jabbaz auch Szenen, in denen die genaue Zugehörigkeit der handelnden Figuren zu einer der Gruppen verschwimmt. Nun ist die Botschaft der Bestie Mensch auch nicht neu, aber Jabbaz findet einen interessanten neuen Ansatz, um seine Interpretation zu erzählen. Und nimmt seinen Film damit in jedem Fall aus der Reihe von Horrorbeiträgen heraus, deren Inhalt ausschließlich aus möglichst unappetitlichen Szenen besteht. Ohne deshalb einen tieferen Sinn zu vermitteln.
Auch wenn nicht jeder Regie-Einfall sitzt, liefert Jabbaz als Erstling einen erstaunlich runden und einfallsreichen Film ab. So ist das verzerrte Lächeln der Infizierten fast gruseliger als deren Handlungen. Die Szenen, in denen die Pandemie im Vordergrund steht, und nicht das Gemetzel, gelingen dem Regisseur zum Teil sehr eindrucksvoll. Und er schafft einige intensive Momente ganz ohne Splatter-Effekte. Horror-Kenner werden möglicherweise bemängeln, dass viele Ideen der Handlung eben nicht wirklich neu sind. Und damit hätten sie auch Recht. Dennoch darf man Rob Jabbaz bescheinigen, dass er mit The Sadness einen sehr ordentlichen Beitrag zum Genre liefert. Und die Bezüge zur aktuellen Situation auf der Welt ihre Wirkung nicht verfehlen.
Fazit:
Mit The Sadness liefert Regie-Debütant Rob Jabbaz einen beachtlich blutigen und spannenden Pandemie-Thriller in der Tradition von Romero-Zombie-Filmen und „28 Days Later“ ab, der sich hinter den Großen seines Genres nicht zu verstecken braucht. Kompromisslos hart, aber immer mit einem Gedanken dahinter. Extrem blutig, aber auch mit sehr spannenden Momenten ganz ohne Gewalt. Und mit einer niederschmetternden Botschaft, die leider nur zu gut in unsere heutige Zeit passt. Daher bleibt zu hoffen, dass Jabbaz‘ auch auf einer psychologischen Ebene gut funktionierender Horrorfilm nicht nur Gorehounds in die Kinos lockt. Momentan ist er nur dort ganz sicher ungeschnitten zu sehen. Eine FSK-Freigabe zum Heimkino-Release liegt bislang noch nicht vor.
The Sadness startet am 3. Februar 2022 in den deutschen Kinos.