Diego Luna

Serienkritik: Andor

Die Zukunft im Kino scheint für das Sci-Fi-Märchen-Universum von Star Wars fürs Erste vorbei zu sein. Unlängst verschwand mit „Rogue Squadron“ der einzige bereits mit einem Termin versehen Film aus den Plänen, weitere Ankündigungen wie eine Trilogie von Rian Johnson bleiben vage. Ganz anders sieht das bei Disneys neuem Liebling Disney+ aus. Denn für den Streamingdienst werden beinahe monatlich neue Star Wars-Serie angekündigt. Die neueste davon trägt allerdings nicht einmal den Zusatz Star Wars im Namen, sondern heißt kurz „Andor“. Die Serie, die für Disney ungewöhnlich viele Episoden (zwölf) enthält, ist bereits um eine zweite und letzte Staffel verlängert – aber was kann die erste? Das verrät die Kritik.

Andor
Cassian Andor sucht nach seiner Schwester – und macht sich dabei Feinde.

Die Handlung

Die Galaxis ist seit nunmehr gut einer Dekade unter der Kontrolle des Imperiums und viele Bürger des neuen Systems haben zu kämpfen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – ohne das Imperium auf sich aufmerksam zu machen. Einer von ihnen ist der Kleinkriminelle Cassian Andor (Diego Luna), der sich mach einer harten Kindheit gerade so über Wasser hält, aber auch seine vermisste Schwester sucht. Bei einem dieser Ausflüge in ein Bordell, in dem angeblich eine junge Frau seines Volkes arbeitet, gerät er mit zwei Arbeitern aneinander, die auf Ärger aus sind. Im Kampf fällt einer der beiden unglücklich und stirbt. Um keine Zeugen zu hinterlassen, tötet Andor den anderen kaltblütig und flieht so schnell es geht.

Doch während der Sicherheitschef der Firma das Ganze als Kampf abtut, meint der junge Offizier Syril (Kyle Soller), sich mit diesem Fall besonders profilieren zu können. Und so beginnt er nach der Abreise seines Vorgesetzten mit einer umfangreichen Suche. Cassian merkt schnell, dass ihm eine Menschenjagd droht und bittet Bix (Adria Arjona), eine Freundin von ihm, einen Kontakt zu einem reichen Kunden zu machen, dem Cassian einen wertvollen Fund verkaufen und sich mit dem Geld aus dem Staub machen will. Doch der geheimnisvolle Kunde Luthen (Stellan Skarsgard) entpuppt sich als Quelle großen Wissens. Doch die Häscher des Imperiums sind durch einen üblen Verrat längst auf Cassians Spur …

Die dunkle Seite gibt es auch ohne Sith

Showrunner Tony Gilroy, der bereits für Rogue One das Drehbuch schrieb, hält sich auch in der Prequel-Serie an den düsteren Look und den kaum weniger hellen Inhalt des Films. Denn auch Jahre vorher ist Cassian Andor nicht unbedingt ein netter Kerl. Dass in einer Star Wars -Serie der vermeintliche Held in den ersten zehn Minuten bereits einen Mord begeht, das war bislang kaum das bevorzugte Thema des Franchise. Zwar kommen moralisch durchaus ambivalente Charaktere wie der Mandalorianer oder Boba Fett gut an, aber selbst die haben keine nervigen, aber nicht wirklich schurkischen Figuren einfach so getötet. Andor ist also, wenn man so will, die erste Star Wars-Serie für Erwachsene.

Und das sieht man Andor auch jederzeit an. Nie waren Planeten so dreckig und dunkel, nie die Figuren so trostlos und gebrochen. Die Serie will Cassian Andors langen Weg vom desillusionierten Einzelgänger hin zum Rebellen-Agenten erzählen, der zum Wohle der Allianz schließlich sogar sein Leben opfert. Und dieser Weg beginnt eben sehr düster. Es steht zu erwarten, dass sich der Ton der Serie noch ein wenig an andere Star Wars-Abenteuer angleicht, aber Andor will definitiv etwas Eigenes sein – und tut viel dafür, indem es viel weglässt. Denn es gab noch nie so wenig Fan-Service in einer Star Wars-Serie wie hier. Zwar sind auch hier die typischen Einstellungen mit  skurrilen Tierchen und Aliens zu finden, aber selbst Sturmtruppler sind kaum einmal zu sehen. Gilroy will hier etwas anderes erzählen und zeigen, als es die Galaxis sonst kennt.

Stellan Skarsgard
Bald ist Cassian auf der Flucht – und trifft dabei den undurchsichtigen Händler Luthen.

Orwells Zukunft als Star Wars-Serie

Für viele Fans gehört Rogue One zu den besten Filmen der Reihe – und genau für die ist auch die Serie gemacht. Keine Jedi, keine Sith, stattdessen ganz normale kleine Leute – und eher kleine Lichter des Imperiums, die sie jagen. Das wirkt sehr viel geerdeter und realistischer als die typischen Storys, dürfte aber auch eine ganze Reihe an Fans der anderen Star Wars-Themen vor den Kopf stoßen. Selbst Mon Mothma, deren Rolle jeder Fan kennt, wirkt noch nicht wie die edle Anführerin der Rebellion, sondern wie eine Politikerin, die sich in einem tückischen Umfeld behaupten muss.

Daher wirkt die Serie immer wieder, als habe sie kein Märchenonkel der bisherigen Storys geschrieben, sondern ein George Orwell-Bewunderer. In den ersten drei Folgen zeigt Gilroy eine zwar langsame, aber immens effektive Maschinerie, wenn es darum geht, unliebsame Gestalten aufzuspüren und zu eliminieren. Lunas zurückhaltendes Spiel passt dazu ebenso gut wie die ambivalent geschriebenen Charaktere Luthen oder Mon. Wem kann man hier trauen? Wer tut was – und aus welchen Gründen? Inhaltlich ist die Abweichung zur Norm also stark, technisch hingegen nicht. Hier bekommt der Zuschauer eine wie immer hochwertig gemachte Serie mit guten Effekten und lebendig wirkenden, fremden Welten – ganz, wie der Star Wars-Fan es gewohnt ist.

Adria Arjona
Kann Cassians alte Freundin Bix ihm helfen?

Wenn man Andor etwas vorwerfen kann, ist es das Tempo. Die ersten drei Folgen ziehen sich durchaus. Und vermitteln das Gefühl, die Story hätte auch in zwei statt drei Episoden genug Platz gehabt. Folge vier zieht das Erzähltempo dann aber an. Wenn es sich dort hält, gibt es an der neuesten Serie aus dem Hause Lucasfilms kaum noch etwas zu nörgeln. Wenn man sich mit der wohl düstersten Story bisher anfreunden kann. Niedlichkeit und Humor ist denn auch Mangelware. Dafür bietet sie reichlich Paranoia.

Fazit:

Bei Marvel sind die Macher bereits seit einiger Zeit mit wechselhaftem Erfolg dabei, die typische Marvel-Story aufzubrechen und neue Wege zu gehen. Nun fängt auch Disneys zweites großes Franchise Star Wars damit an. Mit Andor präsentiert der Streamingdienst des Konzerns eine düstere Gangster-Saga, in der der vermeintliche Held noch ganz am Anfang einer Läuterung steht. Selbst optisch erinnert hier nur wenig an den klassischen Look der Filme. Der dürfte nicht jedem Fan gefallen, wer sich aber schon lange einmal etwas Neues gewünscht hat und auch mit Rogue One etwas anfangen konnte, wird sich mit dieser neuen Serie wohler fühlen als mit den deutlich risikoloseren Versuchen wie „Obi-Wan Kenobi“ oder „The Book of Boba Fett“.

Andor startet mit drei Folgen am 21. September 2022 bei Disney+, danach folgt wöchentlich eine neue Episode.

Andor
Senatorin Mon Mothma kämpft auf ihre Art gegen das Imperium – aber mit welchen Opfern?