Pinocchio

Filmkritik: Pinocchio

Vor einigen Jahren hat der Disney-Konzern begonnen, Animations-Klassiker neu zu drehen, als Gemisch aus Schauspielern und computeranimierten Figuren. Und war damit, wie in vielen anderen Dinge, extrem erfolgreich. Neuauflagen wie „Aladdin„, „Der König der Löwen“ oder „Die Schöne und das Biest“ wurden ein zweites Mal zu Kinohits. Mit „Pinocchio“, dem zweiten Spielfilm von Walt Disney aus dem Jahr 1940, kommt nun der nächste Klassiker mit einer Neuverfilmung an die Reihe. Und der Konzern konnte dafür mit Regisseur Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“) und Komponist Alan Silvestri („Forrest Gump“) gleich zwei Hollywood-Legenden verpflichten. Spiegelt der Film diese Qualität wieder? Das klärt die Kritik.

Pinocchio
Das Wunder geschieht! Die Blaue Fee macht aus der Holzpuppe Pinocchio eine lebende Marionette.

Die Handlung

Italien im späten 19. Jahrhundert. Der alte Tischler und Uhrenmacher Geppetto (Tom Hanks) schnitzt eine Marionette, die ihn an seinen vor vielen Jahren verstorbenen Sohn erinnert. Weil er Pinienholz dafür verwendet hat, tauft er die Puppe auf den Namen Pinocchio. Was Gepetto nicht weiß: Er hat einen kleinen Beobachter. Die Grille Jimini (im Original gesprochen von Joseph Gordon-Levitt) hat sich vor dem Regen in Geppetto Haus in Sicherheit gebracht und sieht dem Meister nun bei der Arbeit zu. Bevor der alte Mann sich ins Bett legt, sieht er eine Sternschnuppe am Himmel und wünscht sich etwas. Als Geppetto eingeschlafen ist, taucht in seiner Werkstatt die Blaue Fee (Cynthia Erivo) auf, die seinen Wunsch erfüllt. Ihr Zauber erweckt Pinocchio zum Leben.

Doch noch ist er weiterhin eine Holzpuppe. Die Fee erklärt ihm, dass er tapfer und selbstlos sein müsse, um sich die Umwandlung in einen richtigen Jungen zu verdienen – und Pinocchio will das unbedingt schaffen. Um ihm zu helfen, stellt ihm die Fee die kleine Grille als Gewissen zur Seite und verlässt ihn dann. Als Geppetto am nächsten Morgen aufwacht, ist die Freude groß – doch sie währt nicht lang. Denn als der alte Tischler seine Schöpfung in die Schule schickt, läuft Pinocchio zwei üblen Kerlen über den Weg, die ihn zu einer Karriere im Showgeschäft überreden wollen. Es gelingt ihnen, Pinocchio vom rechten Weg abzubringen – mit üblen Folgen für den kleinen, hölzernen Jungen …

Hommage ans Original

Carlo Collodis Geschichte von 1883 gilt zwar immer noch als Klassiker der Literatur, ist aber dennoch als Geschichte für Kinder weitgehend in Vergessenheit geraten. Auch weil die Story mit ihren düsteren, manchmal fast grausamen Momenten, nicht mehr so recht in die heutige Zeit passt. Dennoch hat sich Disney entschlossen, das Original von 1940 ohne große Veränderungen 2022 neu aufzulegen. Und das Ergebnis ist dementsprechend. Für ganz kleine Zuschauer ist der Film, angefüllt mit bösartigen Charakteren, schwarzer Magie und Monstern, sicherlich nicht sonderlich gut geeignet. Stattdessen präsentiert Robert Zemeckis einen Film, der vor allem Disney-Historie ausatmet.

So hat der Regisseur einige der bekannten Songs aus dem Original in seinen Film übernommen, unter anderen „When you wish upon a Star“, die Melodie, mit der jeder Disney-Film beginnt. Und in einer sehr schönen Szene, in der alle Kuckucksuhren in Geppettos Laden schlagen, zeigt Zemeckis eine Art Best of des Disney-Films. Hier sind Figuren wie Woody aus „Toy Story“, Roger Rabbit, Donald Duck und viele andere bekannte Charaktere zu sehen. Mehr Verbeugung vor seinem Auftraggeber kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Dazu holt er mit Luke Evans als singendem Schurken einen Darsteller, der bereits als fieser Gaston in Die Schöne und das Biest überzeugte. Und verärgert die woke-Wächter mit einer schwarzen Fee und einer neuen Figur namens Fabiana, die ebenfalls von einer Afro-Amerikanerin gespielt wird.

Pinocchio
Die kleine grille so ll als Pinocchios Gewissen auf den naiven Jungen aufpassen. Doch das ist ein harter Job!

Klassisch und modern – das passt nicht immer

Hier treffen sich also Historie und Moderne im neuen Pinocchio, der auch tricktechnisch natürlich auf der Höhe der Zeit ist. Die Computeranimationen sind hochwertig. Und Zemeckis gilt mittlerweile fast als Großmeister von Filmen mit einer Mischung aus echten Schauspielern und CGI-Figuren. Daher verwundert es Kenner kaum, wie virtuos der Regisseur diesen Mix auch in seinem neuesten Film umsetzt. Ein weiterer moderner Zusatz im Film sind neue Songs von Alan Silvestri und Glen Ballard, denen man ihre Frische auch deutlich anmerkt. Die Mischung aus alter Story und moderner Erzählweise ist zwar ambitioniert, funktioniert aber nicht durchgehend gut. Denn die Diskrepanz zwischen den sehr düsteren Momenten und der manchmal zuckersüßen Inszenierung passt nicht immer zusammen.

Dabei könnte der Unterschied zwischen Tom Hanks, der seinen Geppetto anlegt, als sei 1940, und Keegan-Michael Key, der seine Sprechrolle des animierten Fuchses Honest John sehr modern interpretiert, durchaus spannend sein, hätte Zemeckis daraus etwas gemacht. Aber die meiste Zeit des Films laufen klassischer und moderner Ansatz weitgehend berührungsfrei nebeneinander her und kumulieren nie zu einer Einheit. Der Clash der Zeiten bleibt aus. Und das führt zu einem wenig homogenen Film, der oftmals nicht zu wissen scheint, wen er nun eigentlich ansprechen will.

Tom Hanks
Der alte Geppetto schickt seinen kleinen Jungen in die Schule – doch die Verführer lauern auf dem Weg.

Vermutlich ist Pinocchio daher auch eher ein Film für Eltern, die selbst mit den Disney-Klassikern groß wurden, als für ihre Kinder, denen je nach Alter die Story entweder zu unheimlich oder zu altmodisch erscheinen dürfte. Und natürlich für alle Fans des Konzerns, der sich mit Pinocchio einmal mehr vor sich selbst verbeugt und augenzwinkernd einige seiner größten Erfolge bejubelt. Aufgrund der technischen Perfektion und der mehr als gelungenen Gesangseinlagen von Cynthia Erivo und Luke Evans lohnt sich Pinocchio in jedem Fall. Dennoch vermittelt der Film den Eindruck, er hätte mit ein wenig mehr Mut noch deutlich besser werden können.

Fazit:

Mit Pinocchio gelingt Regie-Altmeister Robert Zemeckis ein weiterer Film, der technisch durch die Mischung aus echten Schauspielern und animierten Figuren glänzt. Inhaltlich tut sich Zemeckis hingegen deutlich schwerer. Einerseits bleibt er dicht an der Originalversion von 1940, was die Geschichte angeht. Andererseits modernisiert er die Musik und einige Szenen deutlich – das passt aber nicht immer wirklich zusammen. Wirklich feiern hingegen können beinharte Disney-Fans, die nicht nur einen Klassiker im neuen Gewand erleben, sondern auch jede Menge versteckte Anspielungen auf andere Erfolge von Disney suchen können – der Film ist voll davon. Technisch stark, inhaltlich wechselhaft und erzählerisch nicht aus einem Guss: Pinocchio ist ein ordentlicher Film, der besser hätte werden können.

Pinocchio startet a, 8. September 2022 bei Disney+.

Luke Evans
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