Smile

Filmkritik: Smile – Siehst Du Es Auch?

Es geschieht nicht oft, dass ein Horrorfilm knapp zwei Stunden dauert. Es ist auch eher selten, dass das Langfilm-Debüt eines Regisseurs sofort eine große Kinoauswertung in aller Welt erfährt. Zumal der Regisseur Parker Finn auch noch das Drehbuch selbst schrieb und kein bekannter Autor zum Projekt vermarktet werden konnte. Es scheint also, dass Paramount durchaus große Erwartungen an „Smile – Siehst du es auch?“ knüpft, denn, so geht die Legende, wurde der Beschluss zur Kinoauswertung erst nach extrem positiven Test-Screenings gefasst. Ob die Zuschauer dort wirklich einen guten Geschmack aufwiesen oder der Film doch ein wenig überhypt wurde, klärt die Kritik.

Sosie Bacon
Dr. Rose Cotter muss eine schreckliche Tragödie mit ansehen: Eine Patientin bringt sich um – mit einem Lächeln im Gesicht.

Die Handlung

Was für die Psychologin Dr. Rose Cotter (Sosie Bacon, Tochter von Kevin Bacon und Kyra Sedgwick) wie ein ganz normaler Tag anfängt, entwickelt sich rasch zum Alptraum. Denn als die völlig traumatisierte Laura (Caitlin Stasey) sich im Behandlungszimmer das Leben nimmt und dabei ein völlig unnatürlich wirkendes Lächeln zur Schau trägt, reißt das bei Rose einige alte Wunden wieder auf, die sie längst verdrängt zu haben glaubte. Denn schon bald fühlt sich die junge Frau von einer bösen Macht verfolgt, die offenbar schon Laura dazu brachte, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Oder war das am Ende gar nicht mehr Laura, sondern dieses böse Wesen?

Rose gerät aufgrund ihrer Erlebnisse mit dem Bösen immer mehr in Schwierigkeiten. Ihr Verlobter Trevor (Jessie T. Usher, „The Boys„) ist ihr keine große Hilfe, da er ihr kein Wort glaubt. Nur ihr Ex-Freund, der Cop Joel (Kyle Gellner), vertraut Rose und stellt bei Nachforschungen einige unheimliche Fakten zusammen. Es lässt sich eine Kette aus Selbstmorden von Laura zurückverfolgen, die sehr lang ist – und von Fall zu Fall maximal eine Woche dauerte. Endlich erkennt Rose, dass ihre Situation etwas mit ihrer dunklen Vergangenheit zu tun hat – aber kann sie das noch retten? Oder ist ihre Zeit bereits um?

Nicht ganz frisch, aber gut

Parker Finn durfte mit Smile eine lange Version seines Kurzfilms „Laura hasn’t slept“ drehen, in dem Caitlin Stasey die Hauptrolle namens Laura spielte. Und der leider momentan online nirgendwo zu sehen ist. Obwohl das Grundkonzept nicht wirklich neu ist und Horrorfans sicher Parallelen zu anderen Filmen sehen, weist Smile viele gute Ideen auf. So ist das Umfeld von psychisch Kranken, in dem sich die Heldin aufhält, geradezu prädestiniert für unheimliche Stoffe, da hier naturgemäß niemandem geglaubt wird, der eine solche Geschichte erzählt. Das mussten auch die Protagonisten in anderen Filmen schon schmerzlich erleben. In Smile funktioniert diese Vorgabe ausgezeichnet, um die Story um das böse Wesen, das Menschen in den Tod treibt, zügig zu etablieren.

Die Verfolgung durch ein Wesen, das ganz normal aussehen kann, bis es sein furchterregendes Lächeln beginnt, das lässt viele Horror-Veteranen zurecht an „It Follows“ denken. Zudem ist ein satter Schuss „Ring“ dabei, wenn der Protagonistin nur etwa eine Woche Zeit bleibt, ihr Leben vor einer nicht greifbaren Bedrohung zu retten. So ganz taufrisch ist das Konzept von Smile also nicht. Dennoch funktioniert der Schrecken über weite Strecken des Films sehr gut. Denn Finn setzt weniger auf ein Jump Scare-Gewitter, auch wenn er gezielt einige davon einsetzt, als vielmehr auf die Schauspielkunst seiner Hauptdarstellerin. Und Sosie Bacon nimmt das Publikum mühelos mit auf ihren Horrortrip. Denn sie spielt intensiv, glaubwürdig und bleibt dabei zutiefst sympathisch.

Smile
Roses Ex-Freund Joel, ein Polizist, befragt sie eher routinemäßig, als wirklich am Fall interessiert.

Böses Wesen – oder Wahnsinn?

Finn gelingt darüber hinaus etwas, was heute in Horrorfilmen selten geworden ist. Smile ist eine gut funktionierende Allegorie auf echten Schrecken – in diesem Fall Geisteskrankheiten. Der Horror, den Rose durchleidet, lässt sich auch als psychische Krankheit lesen, die der betroffenen Person das Leben zur Hölle macht. Aufwachen an fremden Orten, Dinge, an die man sich nicht erinnert, getan zu haben – das macht Angst. Gerade weil Finn sich auf vergangene Schicksalsschläge und damit verbundene Traumata bezieht, ist die Story des Films dann auch so packend. Denn wer hätte keine Angst davor, den Verstand zu verlieren? Das dürfte für einen Arzt in diesem Gebiet noch umso mehr zutreffen. Finn schlägt mit seiner Story also eine Saite an, die beim Großteil des Publikums klingen dürfte.

Schwächen zeigt Smile lediglich im Abgang. Denn in den letzten 20 Minuten hat der Regisseur und Autor entweder seiner eigenen Idee nicht mehr vertraut. Oder das Studio hat nach mehr optischen Reizen verlangt. Zeigte Smile vorher noch Schockmomente in geringen Dosen und setzte mehr auf die unheimliche Atmosphäre, so packt der Regisseur zum Finale noch das Monster aus, das hier niemand gebraucht hätte. Und zerschneidet dabei das eigene Netz aus Schuldgefühlen, Angst und Reue, dass Smile so lange von durchschnittlichen Horrorfilmen unterschieden hat. Hier wird der Film zur der oberflächlichen Geisterbahn, die Finn über 90 Minuten vermeiden konnte.

Smile
Bald wird Rose mit schockierenden Ereignissen konfrontiert, die ihr das Leben zur Hölle machen.

Das macht Smile zwar etwas schwächer, als er sein müsste. Dennoch gelingt Parker Finn in seinem Debüt eine beeindruckende Reise ins Grauen. Die mit einigen wirklich fiesen Momenten und einer stetig steigenden Grundstimmung aufwarten kann. Zwar sind Parallelen zu vielen anderen Horrorfilmen der vergangenen Jahre nicht von der Hand zu weisen. Aber Finn macht aus seiner Idee etwas Eigenes. Dazu verfügt er über die Mittel, um einem Publikum Angst zu machen. Denn Smile ist nicht nur inhaltlich gelungen, sondern auch stark inszeniert. Ohne das Rad neu zu erfinden, setzt er virtuos Variationen bekannter Schocks ein, nutzt Kamerafahrten und Schnitte, um den Puls des Publikums hochzutreiben. Für Fans des Genres dürfte der Film daher eine positive Überraschung sein.

Fazit:

Mit Smile – Siehst Du Es Auch? gelingt Regisseur Parker Finn ein ähnlich starkes Debüt wie David F. Sandberg mit „Lights Out“. Beide Filme basieren jeweils auf Kurzfilmen der Regisseure. Beide durften daraufhin selbst das Drehbuch für eine lange Version schreiben und selbst inszenieren. Dabei muss man Smile vielleicht noch einen Hauch stärker einschätzen, da er zwar letztlich die Konventionen des Horrorfilms nicht ganz verlässt, aber gerade zu Beginn stark darauf hinarbeitet, eine sehr realistische Ebene einzuziehen. Und wer mit Sosie Bacon als Rose nicht mitleidet, sollte sein Herz untersuchen lassen. Smile ist atmosphärischer Horror, der erst im Finale seine Linie ein wenig verlässt. Und Parker Finn ein Name, den Horrorfans künftig auf dem Zettel haben sollten.

Smile – Siehst Du Es Auch? startet am 29. September 2022 in den deutschen Kinos.

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