Ana de Armas

Filmkritik: Blond

Immer wieder gibt es Filme, die es dem Zuschauer schwer machen. Denn sie machen den Eindruck, als würden sie eine wahre Geschichte erzählen, weichen aber oft von der Wahrheit ab oder dichten Ereignisse dazu, die es in der Realität nie gegeben hat. Mal sind das eher kleine Eingriffe, wie etwa bei „Bohemian Rhapsody„, bei dem die Autoren mit Jahreszahlen und Ereignissen jonglierten. Mal sind es größere Änderungen wie etwa bei „JFK – Tatort Dallas“, in dem Regisseur Oliver Stone Fakten und Fiktion bis zur Unkenntlichkeit vermengte. Und nun kommt „Blond“, der die Lebensgeschichte von Marilyn Monroe ach einem Roman erzählt. Und bei dem Regisseur und Drehbuchautor Andrew Dominik selbst noch Dinge hinzudichtete. Wie gut ist das knapp dreistündige, angebliche Skandalwerk? Das klärt die Kritik.

Julianne Nicholson
Norma Jeans Mutter Gladys ist mental instabil und wird zur Bedrohung für ihre Tochter.

Die Handlung

Die 30er Jahre in Hollywood. Norma Jean ist noch ein kleines Mädchen, muss ich aber bereits mit sehr erwachsenen Problemen herumschlagen. Ihre alleinerziehende Mutter Gladys (Julianne Nicholson) ist emotional sehr instabil und eigentlich nicht in der Lage, ein Kind großzuziehen. Mehrfach kommt die kleine Norma nur knapp mit dem Leben davon, weil ihre Mutter sie töten will, um ihr Leid zu ersparen, bis sie in einem Heim landet. Jahre später ist aus Norma Jean Baker Marilyn Monroe (Ana De Armas) geworden, eine außerordentlich hübsche junge Frau, die viele Männeraugen auf sich zieht, aber oft an ihrer eigenen Unsicherheit scheitert. Gegen sexuelle Übergriffe innerhalb der Traumfabrik kann sie sich ebenfalls nicht zur Wehr setzen, bekommt aber schließlich ihre erste größere Rolle.

Schließlich kann sie durch die Hauptrolle in „Niagara“ endlich erste Lorbeeren sammeln und auch in der Liebe läuft es gut. Mit den Söhnen von Charlie Chaplin (Xavier Samuel) und Edward G. Robinson (Evan Williams) unterhält sie eine Dreierbeziehung, in der sie sehr glücklich ist und sogar schwanger wird. Doch die Studiobosse verbieten ihr bald den öffentlichen Umgang mit den beiden, auch das Kind opfert Norma der Karriere. Und immer mehr verabschiedete sie sich innerlich von ihrem Alter Ego Marilyn Monroe, mit der sie weniger und weniger verbindet. Weil ihr zweiter Gatte, der Baseball-Star Joe DiMaggio (Bobby Cannavale) aber nur Marilyn heiraten wollte, steht die Ehe unter keinem guten Stern …

Ein Film wie eine Collage

Blond ist ein in vielen Aspekten anstrengender Film. Denn er erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die bereits in ihrer Kindheit traumatisiert wurde und in einer Art und Weise vom männlichen System Hollywood ausgenutzt und missbraucht wurde, dass es fast erstaunt, dass Marilyn Monroe 36 Jahre wurde – und nicht sch0n früher starb. Andrew Dominiks Drama lässt dabei nur wenig Raum für heitere oder schöne Szenen, sondern reiht ein emotionales Fiasko ans andere. Und das verpackt er in so viele verschiedene Ideen wie irgend möglich. So wechselt der Film dauernd zwischen Schwarz-Weiß und Farbe, ändert die Bildgröße oder nutzt scheinbar unterschiedliches Filmmaterial für verschiedene Optiken.

Dazu arbeitet Dominik auch mit der Kamera wie ein Besessener. Unschärfen, schräge Perspektiven, verfremdete Bilder, ja selbst eine Abtreibung aus dem Blickwinkel von Normas Vagina nutzt er, um ihre fiktive Lebensgeschichte zu erzählen. Ob ihm letzteres in den USA die Einstufung NC-17 bescherte, die sonst nur Pornofilme bekommen oder ob es doch die Sex-Szene mit John F. Kennedy war, darüber lässt sich nur spekulieren. Fakt ist, dass Dominik mit dieser Vielfalt an unterschiedlichen Bildern einerseits fasziniert, anderseits das Publikum aber auch sehr anstrengt. Denn die ständige Unruhe, die Dominik damit erzeugt, ist über 150 Minuten etwas ermüdend.

Blond
Mit den Söhnen von Charlie Chaplin und Edward G. Robinson erlebt Norma Jean eine glückliche Zeit.

Männer als Untergang

Diese optische Vielfalt kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Blond inhaltlich nur wenig Abwechslung bietet. Denn Dominiks Film zeigt lediglich das Ausnutzen der unschuldigen und naiven, wenn auch keinesfalls dummen Norma Jean durch Männer auf unterschiedliche Arten, während die nur nach der Vaterfigur sucht, die sie nie hatte. Da ist DiMaggio, der nur das Sexsymbol will und krankhaft eifersüchtig ist. Da ist der Intellektuelle Arthur Miller, der die belesene Norma Jean schätzt, mit Marilyn aber nur wenig anfangen kann. Und die zahlreichen Vertreter der Studios, für die Norma als Marilyn funktionieren soll. Wie etwa der mitfühlende Maskenbildner, der Norma Jean an die Drogen und Tabletten gewöhnt.

Und so darf die umwerfende Ana De Armas kaum mehr tun, als mehr mehr, mal weniger zu leiden, zu weinen und zu schreien, bis sie schließlich im Finale anscheinend gnädiger Wahnsinn umfängt und ihrer Existenz ein Ende macht. In manchen Szenen sieht die kubanische Schauspielerin ihrem historischen Vorbild zwar verblüffend ähnlich, aber nahe kommt sie der Figur nicht. Dafür ist Dominiks Drehbuch nach dem Roman von Joyce Carol Oates zu unklar in seinen Bezügen zur Realität. Und so sieht das Publikum einer Norma Jean beim Verzweifeln an ihrer Existenz zu, die womöglich nur wenig mit Marilyns tatsächlichem Leben zu tun hat. Wer also eine Biographie der unsterblichen Schauspielerin erwartet, ist mit Blond an der falschen Adresse.

Marilyn Monroe
Bald wird Marilyn Monroe zur überlebensgroßen Ikone in Hollywood.

Statt Fakten packt Dominik lieber Horror in seinen Film. Szenen über verlorene Babys sind ebenso abschreckend wie die Inszenierung von Filmpremieren als Ansammlung sabbernder Männer mit grotesk verzerrten Mündern. An subtilen Kommentaren ist der Regisseur hier nicht interessiert, dafür gibt es eine Breitseite nach der anderen. Das sollte man mögen, wenn man sich Blond ansehen möchte. Unstrittig ist dabei nur die großartige Leistung von Ana De Armas, der ganze Rest ist diskutabel.

Fazit:

Eine furios aufspielende Ana De Armas ist die einzige ungetrübte Attraktion des fiktiven Biopics Blond über das Leben von Marilyn Monroe. Regisseur Andrew Dominik, von dem auch das Drehbuch nach einem Roman von Joyce Carol Oates stammt, tobt sich zwar in Sachen Regie-Einfälle extrem aus, so richtig nachvollziehbar wirken viele seiner Entscheidungen aber nicht. Und so ist der Film in erster Linie die Chronik einer leidenden jungen Frau, die an ihrer Vergangenheit, toxischer Männlichkeit und ihrer Umwelt zerbricht. Dabei richtet sich Dominik nur grob nach den historischen Fakten und erzählt eher von einer dramaturgisch aufbereiteten Marilyn als von der echten Norma Jean Baker. Das wird sicher nicht bei jedem Filmfan gut ankommen.

Blond startet am 28. September 2022 bei Netflix.

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Doch Norma Jean leidet zunehmend unter dem Druck des Ruhms und er Erwartungen an sie.