Twin Peaks

Serienkritik: Twin Peaks – Staffel 3

Als David Lynch 1991 beschloss, auch einmal Fernsehen zu machen, revolutionierte er quasi im Vorbeigehen die Sehgewohnheiten einer ganzen Generation. „Twin Peaks“ wurde zum Ereignis, das von totaler Ablehnung bis götzengleicher Verehrung alles erreicht hat. Ist es da eine gute Idee, nach mehr als 25 Jahren weiterzumachen?

Regisseur David Lynch ist mittlerweile 71 Jahre alt, und wenn eines seiner Werke finanziell erfolgreich war, dürfte das ihn wohl am meisten verwundert haben. Denn er schert sich wenig um gängige Erzählstrukturen, nachvollziehbare Handlung oder gar so etwas profanes wie eine Genre-Einteilung. Und das hat sich in den elf Jahren seit seinem letzten Werk „Inland Empire“ überhaupt nicht geändert.

Twin Peaks: Die Handlung

Tja, die Handlung. Da ließe sich schon einiges erzählen. Nur: Macht das irgendeinen Sinn? Wie soll man wiedergeben, was in den ersten vier Episoden der neuen Staffel passiert? Ohne dass Sie als Leser sich Sorgen machen, der Verfasser dieser Zeilen könnte möglicherweise ernste, psychische Probleme haben?

Daher nur so viel: Wenn Sie noch nie eine Folge Twin Peaks gesehen haben, verstehen Sie so gut wie nichts. Wenn Sie noch nie etwas von David Lynch gesehen haben, verstehen Sie überhaupt nichts. Aber wenn Sie das aus irgendeinem unerfindlichen Grund gar nicht stört, dann haben Sie das Zeug, die Staffel bis zum Ende durchzustehen.

Dreifache Metaebene oder pure Emotion?

Tatsächlich sind die ersten vier neuen Folgen mit den ersten Folgen der damaligen Serie nicht zu vergleichen. Selbst das für viele Fans sehr wirre Ende der zweiten Staffel, an die diese mehr oder weniger anschließt, ist im Vergleich zu den neuen Episoden geradezu harmlos klar erzählt. Es scheint, als habe Lynch sich überlegt, sein Publikum zu testen: Nur wer die ersten drei Stunden durchhält, bekommt langsam so etwas ähnliches wie eine normale Handlung präsentiert. Stattdessen begnügt sich Lynch damit, Emotionen zu erzeugen. Und die sind zu Beginn fast ausschließlich unangenehmer Natur: Twin Peaks präsentiert zum Auftakt hauptsächlich furchteinflößende Momente. Brutale Morde, ausgeführt von fast nicht sichtbaren Monstern. Eiskalte Morde, ausgeführt von Bob, der scheinbar noch immer in Agent Dale Cooper steckt. Und Sequenzen in der Schwarzen Hütte, die in der Machart bekannt sind (rückwärts gesprochene Texte werden vorwärts abgespielt), die auch noch unheimlicher ausfallen als die damaligen.

Was man vergeblich sucht, ist irgendein roter Faden, an dem man sich festhalten und die Bilder in irgendeine sinnvolle Ordnung bringen kann. Lynch kreiert Bilderfluten, aber (noch) keine Story. Falls man David Lynch die Erfindung der Mystery-Serie zuschreiben möchte, dann sieht man hier warum. Macht das alles einen Sinn? Muss es das? Warum sehe ich mir das an? Existenzielle Fragen, die jeder für sich beantworten muss.

Twin Peaks
Hat Agent Cooper all die Jahre in der Schwarzen Hütte zugebracht? Die ersten Folgen legen das nahe.

Wenig Retro-Feeling

Gut, im (neuen) Intro ertönt die alte, geliebte Musik von Angelo Badalamenti. Aber sonst halten Lynch und sein Co-Autor Mark Frost die Wiedersehensfreude mit Ort und Personen auf Sparflamme: In den ersten drei Stunden spielen kaum zehn Minuten in Twin Peaks. Aber hier darf man dem Meister Absicht unterstellen, denn in Folge vier geht es langsam los mit der Heimkehr nach Twin Peaks und seinen schrulligen Bewohnern. Doch die ersten bekannten Gesichter, die der Zuschauer zu sehen bekommt, gehören beide den Toten: Laura Palmer und ihr Vater Leland sind als Bewohner der Schwarzen Hütte zu sehen und nur spärlich lässt Lynch Blicke auf Shelly, Benjamin Horne, Bobby, Andy und alle die anderen zu, auf die sich die Fans seit Beginn der Gerüchte über eine dritte Staffel gefreut haben. Diesmal scheint Lynch das Pferd von hinten aufzuzäumen und nach völlig wirrem Start langsam konventioneller zu werden. Obwohl, trauen kann man diesem Frieden natürlich nicht.

Auch der Spaß stellt sich ab Folge drei langsam ein und sorgt nach all der Düsternis für befreiende Lacher. So legt Gaststar Michael Cera als Wally Brando im Outfit aus „Der Wilde“ (berühmter Marlon Brando-Klassiker) einen grandiosen Auftritt hin, der süße Erinnerungen an den absurden Humor der früheren Staffeln aufkommen lässt. Und im Büro des FBI-Chefs Gordon Cole (David Lynch selbst) hängen sich Bilder einer Atombombenexplosion und Franz Kafka gegenüber. Das wäre doch ein schönes Gesprächsthema bei der nächsten Therapiesitzung, oder?

Fazit:

David Lynch ist auf einem stringenten Weg. Fast alles, was er nach Twin Peaks drehte, darunter solche Perlen wie „Mulholland Drive“ oder „Lost Highway“ sind noch schwerer zugänglich als die Serie, mit der er einst das Serien-Fernsehen auf neue Wege brachte. Und diesen Kurs hält Lynch eisern. Die ersten vier Folgen der neuen Twin Peaks-Staffel sind für Neulinge vermutlich kaum auszuhalten und selbst für Fans mitunter harter Tobak. Denn Lynch schert sich offenkundig einen Dreck darum, ob das irgendjemand versteht. Doch er kann noch immer meisterhaft Szenen filmen, die Angst machen, für Unbehagen sorgen oder dem Zuschauer ein Grinsen ins Gesicht treiben, ohne dass er sofort sagen könnte, warum das so ist. Lynch muss man eben nicht verstehen, man muss ihn erleben – auf eigene Gefahr.

P.S.: Keine Sorge, falls Sie mit dieser Serie nichts anfangen können, mit Ihnen ist alles in Ordnung. Twin Peaks war nie für alle, die neuen Folgen schon gar nicht.

Twin Peaks läuft ab dem 25. Mai wöchentlich auf Sky.

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Shelly und Norma machen noch immer „verdammt guten Kaffee“. Was die neuen Folgen zu bedeuten haben, scheinen sie aber auch nicht zu wissen.