Spider-Man Homecoming

Filmkritik: Spider-Man Homecoming

Da ist er nun, der erste Film des freundlichen Wandkletterers von nebenan, den Marvel für Rechteinhaber Sony produzierte. Kann „Spider-Man Homecoming die hohen Erwartungen erfüllen, die die Fans nach den beiden enttäuschenden „Amazing Spider-Man“-Filmen haben?

Zweifelsohne ist Peter Parker neben Bruce Wayne und Clark Kent einer der größten und wichtigsten Superhelden der Historie. Als Stan Lee sich Anfang der 60er Jahre erstmals traute, einen Superhelden zu erschaffen, dessen kompliziertes Privatleben genauso wichtig für die Handlung war wie Kämpfe gegen Superschurken, eröffnete er damit völlig neue Möglichkeiten und erfand ganz nebenbei den „Human Touch“ bei Marvel, für den der Verlag bis heute berühmt ist. Hat das auch bei Homecoming geklappt?

Spider-Man Homecoming
Michael Keaton spielt Adrian Tooms alias „The Vulture“, einen von Spideys ältesten Gegnern.

Spider-Man Homecoming: Die Handlung

Gleich zu Beginn gibt es zwei Rückblicke. Nummer eins: Nach den immensen Schäden in der Stadt nach den Geschehnissen aus „Avengers“ räumen Adrian Tooms (Michael Keaton) und seine Männer den Alienschrott beiseite, bis sie von der neu gegründeten Firma „Damage Control“ nach Hause geschickt werden. Das sorgt für Frust, denn Tooms hatte für den Auftrag vieles angeschafft und Leute eingestellt. Eine Wagenladung Alientech bringt ihn auf eine Idee …

Nummer zwei: Wer sich an „Captain America: Civil War“ nicht mehr so recht erinnert, für den hat Peter Parker seine privaten Handyaufnahmen des Geschehens dabei. Doch dann geht es nach vorne: Wochen sind seit seinem letzten Gespräch mit Tony Stark vergangen und auch Happy Hogan, Starks Leibwächter, ist per Telefon nicht zu erreichen. Dabei wünscht sich der 15-jährige Peter doch nichts mehr, als endlich in seinem High-Tech-Anzug wieder Gutes zu tun. Fahrraddiebe zu fangen ist ihm einfach zu wenig. Und so ist er Feuer und Flamme, als er einen Bankraub vereiteln kann, bei dem offenbar High-Tech-Waffen zum Einsatz kommen, die es gar nicht geben dürfte. Doch Tony Stark pfeift Peter zurück, er solle sich mit solchen Brocken lieber noch nicht anlegen.

Und auch privat läuft es nicht rund: Erst findet sein bester Kumpel Ned heraus, das Peter Spider-Man ist, dann macht ihn Mitschüler Flash ausgerechnet auf der Party von Peters Schwarm Liz lächerlich. Während es aber den meisten Kids schon genug Stress bereitet, auf dem Weg zum Erwachsenwerden so viele Peinlichkeiten zu erdulden, hat Peter dazu noch Superschurkenprobleme. Ganz schön viel für seine schmalen Schultern …

Der Kinofan freut sich …

Ganze acht Namen führt der Film für das Drehbuch und die Story auf, da ist es erstaunlich, wie homogen und aus einem Guss Spider-Man Homecoming wirkt. Wenn man die bisherigen Marvel-Filme bestimmten Genres zuordnen möchte wie „Ant-Man“ (Heist-Film) oder „Thor“ (Fantasy), dann ist Marvels erster Spider-Man-Titel die Teenage Rom-Com und erinnert mehr als einmal an Werke des leider schon verstorbenen Regisseurs John Hughes („Ferris macht blau“, „Pretty in Pink“). Denn Peters Probleme mit den eigenen Gefühlen, Mitschülern und Lehrern nimmt fast mehr Raum als Spider-Mans Suche nach dem geheimnisvollen „Vulture“, der Kriminellen High-Tech-Spielzeug verkauft. Und als fliegender, gepanzerter Schurke das Sahnestück für sich behalten hat.

Regisseur Jon Watts hat zwar noch nie mit einem derartigen Budget oder Erfolgsdruck gearbeitet, doch er hat damit sichtbar kein Problem. Er erzählt seine Story ebenso sicher, wie er seine Gags setzt und verliert über 130 Minuten nie Tempo oder Ton aus den Augen. Auch eine Origin erspart er, ebenso wie einen weiteren Tod von Onkel Ben. So gesehen eigentlich ein sehr gelungener Film. Eigentlich …

Der Comicfan leidet …

Die Freiheiten, die sich die Autoren, zu denen auch Watts zählt, hier herausnehmen, dürften manchen Spider-Man-Fan die Zornesröte ins Gesicht treiben. Dabei geht es gar nicht um die vielen Kleinigkeiten und Details, die nicht stimmen und die zum Teil einfach ärgerlich weil unnötig sind. Watts ließ zwar Peter Parker so, wie die Fans ihn lieben, Spider-Man aber nicht. Zum einen ist er im Umgang mit dem High-Tech-Kostüm von Stark ein wenig zu ungeschickt, um glaubhaft zu wirken, zum anderen passt so viel Iron-Man-Technik einfach nicht zu Spidey, der seit über 50 Jahren seine Gegner vor allem mit Grips besiegt – und nicht mit Infrarotsicht, Drohnen und 576 verschiedenen Netzdüseneinstellungen.

Spider-Man Homecoming
Spidey in typischer Comicpose: Leider erinnert sonst wenig an den klassischen Spider-Man der Marvel-Comics.

Dazu kommt, das Watts eine von Spider-Mans wichtigsten Fähigkeiten entsorgte, um seine Story zu polieren: den Spinnensinn. Spideys untrüglicher Warninstinkt, der ihn auch in Sam Raimis Trilogie immer wieder vor Verletzungen und Entdeckung schützte, ist in Homecoming schlicht nicht existent. Und so bleibt sein Doppelleben auch nicht lange unentdeckt. Das wird den Marvel-Kinofan nicht weiter stören, wer aber seit Jahren oder Jahrzehnten die Comics liest, der wird mit diesem Spider-Man garantiert seine Probleme haben. Erst im letzten Akt, den Watts mit einem zwar packenden, aber extrem unglaubwürdigen Twist eröffnet, bekommen auch die Comicleser halbwegs den Spider-Man zu sehen, auf den sie sich den ganzen Film gefreut haben – ein bisschen wenig.

Geist der Vorlage erfasst

Dass der Film dennoch gut ist, liegt am Geist der Vorlage, den Watts sauber trifft: Der Underdog aus armen Verhältnissen, der für seinen Traum, ein verantwortungsbewusster, guter Mensch zu sein, fast jeden Stress in Kauf nimmt, den setzt Wats einfach gut in Szene. Was auch an Tom Holland liegt, der einen großartigen Peter Parker abgibt. Und auch die Einbettung der Grundstory ins Marvel-Kino-Universum ist absolut gelungen und wird die Fans sicher ein wenig mit den teils derben Änderungen an der Figur versöhnen. Von einem großartigen Marvel-Film wie den Avengers ist Spider-Man Homecoming aber ein gutes Stück entfernt. Das können auch ein paar sehenswerte Actioneinlagen nicht wettmachen.

Fazit:

Ein toller Peter Parker, aber ein mittelprächtiger Spider-Man: Das macht einen guten, aber keinen großartigen Film. Halb Superhelden-Action, halb Teenager-Dramedy, funktionieren die Teile ohne Kostüme besser. Die teils drastischen Änderungen am Helden werden vielen Comicfans zusätzlich sauer aufstoßen. Hier hätte Marvel gern ein wenig mehr den ordnenden Daumen drauf haben dürfen. So wird bei den meisten Fans „Spider-Man 2“ weiterhin an der Spitze ihrer Rangliste stehen. Wer den freundlichen Wandkletterer von nebenan ausschließlich aus dem Kino kennt, ist hier klar im Vorteil. Denn dem sind die ganzen Änderungen vermutlich egal.

Spider-Man Homecoming startet am 13. Juli in den deutschen Kinos.

Was Sony jetzt alles für seinen Marvel-Helden plant, lesen Sie hier.

Spider-Man homecoming
Marisa Tomei hat als Peters Tante May eigentlich nichts mit der Filmhandlung zu tun.