The Aeronauts

Filmkritik: The Aeronauts

In der Masse ist Amazon Prime als eigenständiger Produzent deutlich hinter Konkurrent Netflix. In der durchschnittlichen Qualität hingegen hat Amazon die Nase vorn. Bei den wenigen Filmen, die der Online-Gigant in jedem Jahr produziert, finden sich keine richtig schwachen Filme. Mit „The Aeronauts“ ist nun ein weitere Spielfilm mit prominenter Besetzung bei Amazon Prime zu sehen. Hält die Serie der ordentlichen bis guten Filme auch bei der Entdeckungsreise per Ballon? Das verrät die Kritik.

 Einer echt, einer nicht! In The Aeronauts erzählt Regisseur, Produzent und Autor Tom Harper die packende Ballon-Expedition von Jeremy Glaisher, den es wirklich gegeben hat. Und der Pilotin Amelia Wren, die nicht real ist, sondern von einigen anderen berühmten Frauen wie Sophie Blanchard inspiriert wurde. Glaisher gilt als einer der ersten Meteorologen und die Ballonfahrt im Film hat wirklich stattgefunden, allerdings mit anderer, männlicher Begleitung. Ist der Film trotz der kreativen Freiheit bei historischen Ereignissen sehenswert?

The Aeronauts
Die wagemutige Ameila schüchtert Wissenchaftler Glaisher nicht nur durch ihre provokante Art ein.

The Aeronauts: Die Handlung

London, 1862. Die abenteuerlustige und wohlhabende Witwe Amelia Wren (Felicity Jones, „Rogue One“) und der Wissenschaftler Jeremy Glaisher (Eddie Redmayne) wollen mit einer Ballonfahrt nicht nur den bestehenden Höhenrekord brechen. Sondern dabei auch noch möglichst viele wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln. Obwohl Glaisher die auf Entertainment und Show bedachte Amelia nicht sonderlich schätzt, hat er keine Wahl. Denn niemand sonst wollte mit ihm diese Reise riskieren, von der sich Glaisher Beweise erhofft, dass Wetter sich vorhersagen lässt.

Als die beiden Ballonfahrer nur Minuten nach dem Start in einen schweren Sturm geraten, wird Glaisher zum ersten Mal klar, wie gefährlich dieser Trip nach oben werden kann. Doch er ist bereit, das Risiko für Leib und Leben in Kauf zu nehmen, um endlich als Wissenschaftler ernst genommen zu werden. Amelia Wren hingegen hat gänzlich andere Motive, wieder in den Ballon zu steigen. Sie verlor bei der letzten Reise im Ballon ihren Ehemann Pierre (Vincent Perez). Hat die junge Frau etwa Todessehnsucht?

The Aeronauts: Spannung durch Blick zurück

Ein Ballon, der immer höher steigt – das klingt erst einmal wenig aufregend. Tatsächlich erzeugt Tom Harper die Spannung auf andere Weise – durch Rückblenden. Denn erst durch die Hintergründe der beiden Figuren erfährt der Zuschauer von den wirklichen Beweggründen, in diesen Korb zu steigen und mehrere tausend Meter in die Luft zu gehen. Und wie viel Schmerz und Trauer sie mit nach oben nehmen. Dabei gelingt Harper eine schöne und sich stetig steigernde Öffnung seiner Figuren, die so ganz anders sind als der Anfang vermuten lässt.

Eddie Redmayne spielt dabei die für ihn fast schon typische Rolle des stets leicht linkisch wirkenden, schüchternen Träumers, dem die Weltfremdheit aus allen Poren quillt. Trotz dieser wenig einladenden Charaktereigenschaften schafft er es aber immer, die Figur sympathisch und interessant wirken zu lassen. Das gilt auch für The Aeronauts. Felicity Jones spielt die tief verletzte und trotzdem scheinbar lebenslustige Witwe ohne Sinn für die eingestaubten Sitten des mittleren 19. Jahrhunderts ebenfalls sehr sehenswert.

The Aeronauts
Amelia muss außen am vereisten Ballon hochklettern, wenn sie die Expedition noch retten will.

The Aeronauts: Grandiose Bilder

Doch der heimliche Star des Films ist Kameramann George Steel. Seine Arbeit dürfte nicht nur Zuschauern mit Höhenangst regelmäßig zu Adrenalinschüben verhelfen, sondern das Publikum auch immer wieder ein Lächeln entlocken, die Bilder aus und um den Ballon herum sind einfach zu schön. Ob der Blick in die Tiefe oder der winzige Ballon, der vor riesigen Wolken völlig lautlos ins Blau des Himmels schwebt, Steels Aufnahmen bleiben hängen und wirken nach. Sie sind das absolute Highlight des Films.

Ebenfalls großen Anteil hat Steel am zweiten Star von The Aeronauts – dem Licht. Die Art und Weise, wie Harper hier mit Beleuchtung arbeitet, erinnert an „The Favorite“, der komplett auf künstliche Lichtquellen verzichtete. So taucht Harper seine Protagonisten auf der Reise oft in gleißendes, klares Licht, durch das sie selbst zu leuchten scheinen. Und in Rückblenden wirken die Gesichter der beiden Stars durch das flackernde Kerzenlicht noch emotionaler als sonst. Das dürfte nicht nur Cineasten begeistern.

Daher lässt sich auch besser darüber hinwegsehen, dass Harpers Story zwar immer wieder gute Spannungsmomente setzt, im Kern aber sehr vorhersehbar bleibt. So richtig Angst um die Helden hat der Zuschauer hier zu keinem Zeitpunkt. Und das ist schade, denn mit ein wenig mehr Dramatik wäre The Aeronauts nicht nur ein wunderschöner, sondern auch ein sehr spannender Film geworden. So hat er nur eines dieser Ziele erreicht. Was ihn aber zu einem sehr ansehnlichen Film macht.

Fazit:

Amazon Primes neueste Produktion The Aeronauts kann zwar optisch mehr überzeugen als inhaltlich, wickelt seine Story aber in derart schöne Bilder, dass der Zuschauer mitunter fehlenden Spannung gut verschmerzen kann. Zudem achtet das Drehbuch auch darauf, dass der Film über eine Ballon-Expedition trotz gelegentlicher Seitenhiebe auf die damalige Gesellschaft nie seinen Leichtigkeit verliert und deshalb in seinen besten Momenten tatsächlich ins Fliegen kommt. Ein schöner, leiser Film mit wahrem Kern.

The Aeronauts startet am 20. Dezember 2019 bei Amazon Prime.

The Aeronauts
Der Sturm trifft den Ballon hart und Glaisher muss alles riskieren, um seine Pilotin wieder in den Korb zu holen.