Der Brief für den König

Serienkritik: Der Brief für den König

In den Niederlanden kennt „Der Brief für den König“ jedes Kind. Denn die Autorin Tonke Dragt schrieb den Roman 1962 für die Kinder des Landes. Doch es sollte bis zum Jahr 2008 dauern, ehe das Abenteuer des jungen Knappen Tiuri auch die Leinwand erblickte. Doch die Verfilmung erwies sich als Flop. Dennoch hat sich nun Netflix die Rechte an Dragts Roman gesichert und die Geschichte als sechsteilige Serie verfilmt. Wie gut ist die Fantasy-Saga für die ganze Familie, gespickt mit einigen Stars, nun ausgefallen?

Viel näher kann ein Fantasy-Fan der „Herr der Ringe“-Saga kaum kommen. Denn Der Brief für den König wurde nicht nur in Teilen in Neuseeland gedreht, wie schon Peter Jacksons Trilogie. Mit David Wenham (Faramir) und Andy Serkis (Gollum) konnten die Macher auch zwei Stars aus den Filmen für kleine Auftritte verpflichten. Serkis‘ Tochter Ruby erhielt sogar eine der Hauptrollen. Hat das auf die Qualität der Serie abgefärbt? Können hier Eltern und Kinder gemeinsam eine spannende Fantasy-Story erleben?

Der Brief für den König
So sehr sich Tiuri auch abmüht, ein Kämpfer-Gen kann er in sich nicht auftreiben.

Der Brief für den König: Die Handlung

Der junge Tiuri (Amir Wilson) wächst bei Lord Tiuri dem Tapferen (Davi Wenham) auf, nachdem der seien mutter und ihn vor vielen Jahren als neue Familie annahm. Tiuri soll ein Ritter werden wie sein Vater, doch der Junge aus dem Süden der Welt ist nicht wirklich begabt für den Schwertkampf. Weil seinem neuen Vater so viel daran liegt, probiert er es dennoch – und übersteht sogar die ersten Tage der Auslese. Als er mit vier anderen, angehenden Rittern als letzte Prüfung die Nacht im Grab seiner Vorgänger verbringen soll, geschieht es.

Eine Hilferuf dringt herein und Tiuri ist der einzige, der ihm folgt. Ein sterbender Ritter (Ben Chaplin), den er im Wald findet, nimmt Tiuri des Versprechen ab, einen Brief zu König Favian zu bringen, dem Herrscher des Nachbarlandes. Das treue Pferd des Ritters trägt Tiuri daraufhin in sein größtes Abenteuer, bei dem nicht nur die Roten Reiter des bösen Prinzen Viridian hinter ihm her sind, sondern auch seine ehemaligen Gefährten aus dem Grab. Doch mit seiner neuen Freundin Lavinia (Ruby Ashborune Serkis) findet er heraus, dass mehr in ihm steckt als gedacht …

Der Brief für den König: Fantasy ohne Blut

Natürlich kann man eine Fantasy-Saga so erzählen, wie „Game of Thrones“ das getan hat, mit finsteren Intrigen, einer Menge Sex und Unmengen von Blut. Dass es aber auch ohne geht, beweist Der Brief für den König in eindrucksvoller Weise. Natürlich ist das nur etwa vierstündige Abenteuer nicht mit GoT oder dem Herrn der Ringe vergleichbar. Aber es enthält viele der Zutaten, die Fantasy-Fans von einer guten Geschichte erwarten. Und ein Roman wird nicht Teil einer Kultur, wenn die darin erzählte Geschichte nicht gut ist.

Natürlich ist ein großer Teil davon inzwischen zum Standard für Fantasy geworden. Der Held wieder Willen, in dem mehr steckt, als er selber glaubt. Treue Freunde, die ihm zur Seite stehen. Und ein Schurke, dem es vor allem anderen um die eigene Macht geht. Aber Tonke Dragt schuf in ihrem Buch auch Charaktere mit Witz und der einen oder anderen Überraschung für Leser und damit jetzt auch Zuschauer. Und ließ sich für die Handlung, wenn auch die große Story bald klar ist, im Detail einige schöne Wendungen einfallen.

Der Brief für den König
Und doch muss er zum Helden werden, denn der finstere Prinz Viridian will die Welt zu einem besseren Ort machen – mit rabiaten Mitteln.

Der Brief für den König: Mit Witz und Spannung erzählt

Allerdings nimmt sich Autor Will Davies etliche Freiheiten in der Nacherzählung des Romans, führt neue Figuren ein und würzt die Story, die ursprünglich ohne klassische Fantasy-Elemente auskam, mit Magie nach. Das tut dem Spaß an dieser kurzen Serie, nicht nur, aber auch für Kinder, keinen Abbruch. Die Darsteller erledigen ihren Job sehr gut und lassen trotz der eigentlich ernsten Story immer wieder auch Humor aufblitzen. Und Amir Wilson und Ruby Serkis sind gemeinsam ein wundervolles Team, dem man ihre wachsende Zuneigung füreinander stets glaubt.

Aber auch der Schurke, der seinerseits glaubt, der Gute zu sein, ist mit Gijs Blom toll besetzt. Blom gelingt es, seine Rolle trotz der bösen Dinge, die sein Prinz Viridian tut, stets menschlich zu halten. Und so die Bedrohung für die jungen Helden noch wachsen zu lassen. Dazu finden sich auch hier wieder Anleihen beim Herrn der Ringe, den Davies ganz offensichtlich kennt. Denn statt Tiuri weitgehend allein seine Abenteuer bestehen zu lassen, wie im Roman, stellt der Autor ihm in der Serie einen Haufen Helfer zur Seite, die allesamt wunderbar geraten sind.

So entsteht die spannende Story, die deshalb so familientauglich ist, weil hier die Probleme meist ohne Waffen gelöst werden. Dennoch ist Der Brief für den König deshalb nicht langweilig oder weniger spannend. Gerade für jüngere Zuschauer, die noch nicht die Erfahrung haben, eine Storywendung vorauszusehen, dürfte die Serie richtig aufregend sein. Aber auch ältere Fantasy-Fans werden an diesem niederländischen Klassiker im frischen Outfit sicher ihre Freude haben. Wenn es denn ohne Blut und Sex abgehen darf.

Fazit:

Mit der Serie „Ares“ haben sich unsere niederländischen Nachbarn nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das machen sie mit der wundervollen Familien-Fantasy-Serie Der Brief für den König aber wieder wett. Denn hier stimmt so gut wie alles. In sechs Folgen knackig erzählt, mit gelungenen Wendungen in der Story und viel Spannung, auch ohne derbe Gewaltspitzen. Eine kleine High-Fantasy-Perle, die Netflix da nach dem niederländischen Jugendbuch-Klassiker produziert hat. Und Autor Will Davies war klug genug, Stoff für eine mögliche zweite Staffel anzuteasern. Die hoffentlich kommt.

Der Brief für den König startet am 20. März 2020 bei Netflix.

Der Brief für den König
Deshalb muss Tiuri mit seinen Freunden einen Weg finden, den abgefangenen Brief von Viridian zu König Favian zu bringen.