Vetala

Serienkritik: Vetala

Bisher galt Indien nicht gerade als Geburtsstätte interessanter Horror-Stoffe. Doch Netflix brachte auch hier frischen Wind hinein und präsentiert mit „Vetala“ (in anderen Ländern unter „Betaal“ zu sehen), schon wieder einen Horror-Mehrteiler vom Sub-Kontinent. Allerdings hat auch diesmal wieder US-Horror-Produktionsstudio Blumhouse die Finger drin. Nach dem sehr sehenswerten „Ghul“ kommt der neue Vierteiler etwas traditioneller daher und beschäftigt sich auch mit Indiens Historie. Kann sich das sehen lassen?

Indiens Kampf um Unabhängigkeit war schon Thema einiger Filme. Im Westen ist wohl „Ghandi“ der berühmteste davon, auch weil er etliche Oscars einheimsen konnte. Vetala hingegen beschäftigt sich eher mit der Zeit, als das Empire sich den Subkontinent einverleibte, zum Teil auch mit Waffengewalt. Diese Fakten vermischen die Drehbuchautoren Patrick Graham, der auch schon Ghul schrieb, und Nikhil Mahajan mit einer traditionellen Geistergeschichte von Schuld und bösen Geistern im heutigen Indien. Funktioniert dieser Mix auch?

Vetala
Sirohi soll mit seinem Team ein Dorf von angeblichen Terroristen säubern. Doch er merkt schnell, dass hier etwas faul ist.

Vetala: Die Handlung

Ein indisches Dorf am Fuße eines Berges wird zum Spielball wirtschaftlicher Interessen. Der Industrielle Ajay Mudhalvan (Jitendra Joshi) will einen alten Tunnel durch den Berg nutzen, um dass Dorf mit dem Highway zu verbinden – und eine Menge Geld zu verdienen. Auf die Warnung der Einwohner, in dem Tunnel läge seit mehr als 150 Jahren ein böser Fluch begraben, den man besser nicht wecke, gibt der gierige Geschäftsmann nichts. Und kauft sich heimlich die Dienste einer indischen Spezialeinheit unter dem Kommando von Tyagi (Suchitra Pillai).

Deren bester Mann Vikram Sirohi (Viineet Kumar) soll den Trupp anführen, der die Einwohner, von Mudhalvan als Terroristen dargestellt, aus dem Dorf vertreibt. Doch schon bald kommen den Soldaten Zweifel, ob sie hier wirklich bis an die Zähne bewaffnete Killer vor sich haben, als alte Männer mit Schaufeln und Mistgabeln sie an ihrem Vorhaben hindern wollen. Eine letzte Bastion aus den Dorfältesten erwartet die Soldaten dann am Tunneleingang und warnt eindringlich davor, das Böse in die Welt zu entlassen. Doch es kommt, wie es kommen muss …

Vetala: Dead Snow ohne Humor

Die Grundausrichtung der Story, die dem Zuschauer sehr schnell klar gemacht wird, erinnert stark an Tommy Wirkolas grandiose Splatter-Comedy „Dead Snow“. Mit dem Humor dieser beiden Filme wollen die Macher von Vetala aber nichts zu tun haben. Die Geschichte über das Böse aus dem Tunnel wird bierernst erzählt. Und das ist gleich aus mehreren gründen keine gute Idee. Zum einen strotzt das mäßige Drehbuch vor Horror-Klischees. Den gierigen und schleimigen Business-Mann, der für Geld seine eigene Familie verkaufen würde, gab es schon viel zu oft.

Zum anderen mögen die Produzenten von Blumhouse zwar für den Film verantwortlich gewesen sein, ihre Profi-Maskenbildner für Monsterschminke haben sie aber definitiv nicht mitgebracht. Ob aus Budgetgründen oder nicht, sei einmal dahingestellt. Fakt ist aber, dass die Monster aus dem Tunnel nicht viel besser aussehen als John Carpenters Wasserleichen aus „The Fog“ von 1980. Carpenter war das klar, weshalb er sie selten zeigte. Graham, der auch Regie führte, hat diese Weitsicht leider nicht bewiesen. Und so stolpern lächerliche Untote durch das Set und machen es fast unmöglich, das Gesehene ernst zu nehmen.

Vetala
Nach einem Massaker bleibt den Überlebenden kaum eine Wahl als zusammenzuarbeiten.

Vetala: Gute Details, maues Gesamtbild

Dabei gelingen Graham in Details immer wieder durchaus gelungene Szenen, die für sich genommen gut funktionieren, mitunter sogar ein wenig Gore beinhalten und durchaus auch Fans des Genres zufriedenstellen können. Das kleine Horror-Einmaleins aus gut gesetzten Schnitten und dem Auskosten der Spannung hat Patrick Graham schon zur Verfügung. Und auch die Grundidee der Story von den bösen Briten, die für Macht jedes Mittel nutzen, passt recht gut in eine klassische Schauergeschichte, in der sich alles um Moral und Schuld dreht.

Zudem sind einige der Figuren durchaus interessant. Und werden mit wenig Dialogen und Rückblenden mit ausreichend Backstory versorgt, um beim Publikum Interesse zu wecken. Doch Graham gelingt es im Verglich zum deutlich besseren Ghul diesmal nicht, ein stimmiges Gesamtbild aus Story, Darstellern, Atmosphäre und Effekten zu zeichnen. Während er Ghul in einer nahen, dystopischen Zukunft ansiedelte und den Zuschauer so ins Unbekannte stieß, sind die Versatzstücke von Vetala nur allzu bekannt und furchtbar ausgelutscht.

Die Schauspieler versuchen noch, das Beste aus dieser Mischung zu machen und spielen ihre Rollen zum Teil recht ordentlich. Wer allerdings den Fehler macht, die englische Tonspur zu wählen (eine deutsche gibt es bislang nicht), bekommt durch die von den Schauspielern eher hölzern eingesprochene Synchronisation noch eine unfreiwillig komische Note dazu. Wer also ohnehin mit Untertiteln schaut, sollte lieber das Hindi-Original wählen. Eine überzeugende Horror-Miniserie wird es dadurch aber auch nicht, nur eine weniger schlechte. Wer sehen will, wie viel besser so etwas geht, sieht sich lieber „Kingdom“ an.

Fazit:

Wer den Dreiteiler Ghul aus dem Jahr 2018 mochte, mag sich auf Vetala von den gleichen Machern gefreut haben. Und dürfte entsprechend enttäuscht sein. Denn diesmal ist das Drehbuch alles andere als überzeugend und wird von den fast amateurhaft aussehenden Effekten endgültig zu Grabe getragen. Wenn die Untoten mit leuchtenden roten Augen erstmals zu sehen sind, weiß der Horrorfan bereits: Das wird nix! Und so kommt es dann leider auch. Der unfreiwillig komische Vierteiler wäre besser im Inneren des Tunnels geblieben.  

Vetala startet am 24. Mai 2020 bei Netflix.

Gesehen: Vier von vier Episoden (Stand 24. Mai 2020: nur deutsche Untertitel verfügbar)

Vetala
Denn das Böse unter dem Berg ist auf Blut aus – und versucht, sich das zu holen.