Curon

Serienkritik: Curon

„Curon“ ist der italienische Name des Dorfes Graun in Südtirol, dessen Kern 1950 durch den Bau eines Staudammes überflutet wurde. Nur der alte Kirchturm ragt jetzt noch aus dem Reschensse. Und die Macher der Serie stricken um diese Überflutung und Umsiedelung eine Story um einen Fluch und dessen Folgen auf die heutige Bevölkerung. Die erste italienische Mystery-Serie, die Netflix in Auftrag gab, bewegt sich also auf auf dem Grund von Tatsachen. Ist sie deshalb auch gelungen? Das verrät die Kritik.

Vor einigen Jahren kündigte Netflix an, nicht nur amerikanische und britische Serien zu finanzieren, sondern auch in anderen Ländern, in denen der Streamingdienst aktiv ist, Produktionen zu ermöglichen. Deutschland ist mit „Dark“, „How to Sell Drugs online“ und einigen anderen bereits gut dabei, aus Dänemark kam unlängst „Ragnarok“, die eine zweite Staffel bekommt. Und nun startet mit Curon auch wieder eine italienische Produktion für Netflix, die erstmals im Horror- und Mystery-Bereich angesiedelt ist. Wie gruselig ist sie?

Curon
Anna bereut schnell, dass sie und ihre Kinder in ihren Geburtsort zurückgekehrt sind.

Curon: Die Handlung

Anna (Valeria Bilello, „Sense8“) kommt nach 17 Jahren wieder nach Hause in die kleine Gemeinde Curon am Reschensee zurück, nachdem sie damals überstürzt geflohen war. Denn ihre Mutter hatte Selbstmord begangen, den Anna mitansehen musste und ihre Familie galt unter den Bewohnern des Dorfes als schuldig, einen Fluch über die Gemeinde gebracht zu haben. Doch weil die Dinge sich nicht gut entwickelt haben, steht sie nun mit ihren 17-jährigen Zwillingen Daria (Margherita Morchio) und Mauro (Federico Russo) vor der Tür ihres Vaters.

Der ist wenig begeistert, dass seine Tochter wieder da ist, zumal sich im Dorf das Wissen darum schnell verbreitet. So trifft Anna in der Kneipe ihre Jugendliebe Albert (Alessandro Tedeschi) wieder, der inzwischen selbst verheiratet ist und Tochter Miki (Juju Di Domenico) und Sohn Giulio (Giulio Brizzi) hat. Während sich die Kinder der beiden schnell annähern, bleibt Albert keine Gelegenheit, mit Anna zu reden, denn sie verschwindet kurz darauf in den Bergen. Und Mauro entdeckt nachts im Hotel eine Frau, die wie seine Mutter aussieht, es aber nicht ist …

Curon: Bekannte Horror-Motive

Schon in der ersten Szene der Serie gibt Chef-Autor Ezio Abbate den Twist preis. Und wer hofft, Curon hätte danach noch irgendeinen Dreh zu bieten, wird enttäuscht. Tatsächlich arbeitet die Serie mit einem seit Jahrhunderten beliebten Horror-Motiv, dem die Macher hier aber nicht viel Neues abgewinnen können. Zudem ist der Begriff Horror für diese Serie, die sich ganz ähnlich wie Ragnarok hauptsächlich als Teenager-Drama präsentiert, definitiv zu hoch gegriffen. Auch wenn sie gelegentlich Spannung aufbaut – mit Horror hat das wenig zu tun.

Auch wenn hier Übernatürliches am Werk ist, das die Serienschöpfer mit einem Fluch erklären, der allerdings nie wirklich thematisiert wird, so ist das Ergebnis doch eher milde Mystery. Und die ist mit sieben Folgen auch noch deutlich zu lang geraten, denn viel mehr Handlung, als in einen langen Film gepasst hätte, kann die Serie nicht bieten. Dafür widmet sie sich recht ausführlich ihren Figuren, von denen einige im Fokus der Erzählung stehen: Anna, Daria, Mauro, Miki, Lucas, Giulio, Albert, seine Frau Klara und Opa Thomas. Ganz schön viele.

Curon
Daria freundet sich bald mit Miki an, der Tochter von Annas Jugendliebe Albert.

Curon: Gründe zum Einschalten

Für Horrorfans ist Curon also nicht unbedingt ein Muss, Gründe zum Ansehen gibt es dennoch. Da wären beispielsweise die Schauspieler. Valeria Belillo ist zwar erst in den finalen Folgen wirklich aktiv, spielt ihre Rolle aber überzeugend. Auch ihre Kinder Daria und Mauro werden von zwei guten Darstellern verkörpert. Und die Kinder von Albert bekommen ebenfalls ein paar interessante Sub-Plots, die von Juju Di Domenico und Giulio Brizzi auch stark gespielt werden. Daneben gibt es aber auch ein paar Ausfälle, wie den sehr unglaubwürdigen Lucas. 

Auch optisch kann Curon durchaus überzeugen. In eine ähnliche Dunkelheit getaucht wie „Dark“ oder „Der Pass“ untermauern die entsättigten, düsteren Bilder die Atmosphäre der Story. Und bringen so wenigstens ein wenig Unbehagen in die ansonsten doch weitgehend harmlose Schauermär. Schwächen dagegen liegen im Drehbuch. Wenn man dem Zuschauer schon keinerlei Erklärungen gibt, warum etwas geschieht, dann sollte zumindest das Geschehen so fesseln, dass die fehlende Information nicht weiter stört. Das gelingt in Curon so gut wie nie.

Nur gelegentlich blitzen gute Ideen auf, wenn sich Großvater Thomas beispielsweise über den gefangenen Wolf auslässt, dessen Präsenz in der Serie immer wieder für gelungene Überleitungen steht. Außerdem steuert der Plot sein Ursprungs-Motiv aus dem Schwarz-Weiß-Bereich langsam in eine durchaus originelle Grauzone, aus der man allerdings mehr hätte machen können, wenn nicht müssen. Leider bringen die Macher ihre Story auch nicht zu einem wirklich überzeugenden Abschluss, sondern winken einer zweiten Staffel mit dem Zaunpfahl zu.

Fazit:

Ein wenig Licht und viel Schatten, so lässt sich Curon ganz treffend umschreiben. Ein bereits oft strapaziertes Horrormotiv verkommt hier zu einem sehr sanften Mystery-Plot, der auch Zartbesaitete nicht verschrecken dürfte. Dafür glänzt die Serie mit starken Bildern und guten Schauspielern, die beim Zuschauer zumindest das Interesse an ihren Figuren wachhalten. Einige interessante Ansätze der Geschichte reichen zwar nicht für einen echten Netflix-Hit. Wer Ragnarok oder „Locke & Key“ mochte, sollte aber mal reinschauen.

Curon startet am 10. Juni 2020 bei Netflix.

Gesehen: Sieben von sieben Folgen.

Die Serie liegt mit komplett deutscher Synchronisation vor.

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