Baba Yaga

Filmkritik: Baba Yaga

Russland spielt im Westen als Filmproduktionsland kaum eine Rolle. Nur selten schafft es ein Film auf den deutschen Markt – und dann in aller Regel nur als Heimkino-Premiere. Dass ein russischer Film in die deutschen Kinos kommt – wie 2004 „Wächter der Nacht“ von Timur Bekmambetov – ist eine Seltenheit. Auch „Baba Yaga“ hat es hierzulande nur auf die silberne Scheibe geschafft. Aber ist das düstere Märchen nach der in Osteuropa bekannten Figur deshalb schlecht? Das klärt die Kritik.

Dass Horrorfilme ihre Wurzeln oft in Folklore und alten Geschichten haben – ganz wie Märchen – dürfte den meisten Kinofans durchaus bekannt sein. Die unheimlichen Gestalten, die heute über die Kinoleinwände huschen, sind oft sehr viel älter, als manche wissen. Das gilt auch für das Monster in Baba Yaga, einer Figur, die zuletzt auch im unsäglich schlechten „Hellboy“-Remake auftauchte, und noch zu den erträglicheren Momenten des Films gehörte. Kann der russische Regisseur Svyatoslaw Podgaevsky das besser machen?

Baba Yaga
Egor hat seine Mutter verloren und ist in eine neue Umgebung gezogen – ganz schön hart für ein Kind.

Baba Yaga: Die Handlung

Der junge Egor (Oleg Chugunov) hat keine einfache Zeit. Seine Mutter ist vor einer Weile gestorben, sein Vater hat erneut geheiratet und mit seiner neuen Frau Yuliya eine kleine Tochter. Und seit dem Umzug in eine Trabantenstadt am Rande einer Metropole hat Egor auch keine Freunde mehr. Immerhin steht er seiner Mitschülerin Dascha (Glafira Golubeva) zur Seite und freundet sich mit ihr an, muss sich danach allerdings immer wieder der Attacken einer Kinderbande erwehren, die ihm die Einmischung übel nehmen.

Als eines Tages ein neues Kindermädchen in der Wohnung auftaucht, ist Egor bald misstrauisch, denn er hört und sieht seltsame Dinge. Schwarze Krallenhände, die nach seiner kleinen Schwester greifen und die Geräusche einer Frau mit Metallspitze als Bein, die nachts durch die Wohnung stapft. Schließlich muss Egor feststellen, dass seine Schwester verschwunden ist und sein Vater und seine Stiefmutter sich nicht an sie zu erinnern scheinen. Mit Dascha und Schläger Anton begibt sich Egor auf die verzweifelte Suche nach dem Baby …

Baba Yaga: Mehr Fantasy als Horror

So richtig viel Mut hatten die Macher des Films nicht. Denn gleich zu Beginn tun sie etwas, das eigentlich mittlerweile vermieden wird: Sie erzählen dem Publikum, was sie erwartet, erklären die Legende von Baba Yaga. Das mag dem Publikum zwar bei der Orientierung dessen helfen, was es zu sehen bekommt, nimmt aber auch eine Menge Spannung aus der Story. Denn so ist der Gedankensprung zwischen dem neuen Kindermädchen und der bösen Hexe wahrlich nicht weit. Und der Film verschenkt hier einige Möglichkeiten für gruselige Szenen.

So richtiger Horror ist Baba Yaga denn auch nicht, will es aber wohl auch gar nicht sein. Denn der Film arbeitet ganz bewusst mit starken Märchen-Motiven und serviert dem Zuschauer eher eine düstere Fantasy-Geschichte als echten Horror. Denn die böse Hexe, die Kinder verschlingt, erinnert in ihrem Hexenhaus tatsächlich mehr an „Hänsel und Gretel“ als an Gestalten wie Freddy Krueger. Aber auch eine Dark Fantasy-Story kann ja durchaus unterhaltsam sein. Und genau das kann man Baba Yaga auch nicht absprechen.

baba Yaga
Deswegen glaubt ihm auch niemand, als er herausfindet, dass seine kleine Schwester in tödlicher Gefahr schwebt.

Baba Yaga: Flott erzählt, gut gespielt

Denn Regisseur Podgaevsky legt ein ordentliches Tempo vor und erzählt seine gar nicht so simple Geschichte in gut 90 Minuten zu Ende. Und beweist dabei auch erstaunliches Geschick im Zeigen oder Nicht-Zeigen der Hexe. Lange bleibt sein Monster im Dunkeln und macht dort eine bessere Figur als im Finale, wo das fehlende Budget für eine leichte Enttäuschung sorgt. Doch der Regisseur macht aus dieser Not oft eine Tugend und erzeugt seine unheimliche Stimmung mit Licht und Farbe, die dem Film eine ganz eigene Note verleihen.

Außerdem hat Podgaevsky ausgezeichnete Kinderdarsteller gefunden, die ihre Rollen glaubhaft verkörpern, ohne dem Zuschauer auf die Nerven zu gehen. Vor allem Oleg Chugunov ist dabei eine Art Tom Sawyer im Monsterland und fängt das Publikum mit seinem Charme schnell ein, ähnlich wie die zarte Glafira Golubeva als Dascha, die an Becky Thatcher erinnert. Gemeinsam mit dem ruppigen Artyom Zhigulin als Huck Finn-Verschnitt Anton ist die Verbeugung vor Mark Twains Jugendbuch-Klassiker perfekt. Auch wenn der Indianer-Joe hier bedeutend unheimlicher ist.

Schwächen hat der Film hingegen bei Drehbuch, dessen Taktung nicht immer überzeugt und das manche scheinbare Nebenhandlung im Sande verlaufen lässt. Das stört den sonst guten Eindruck ein wenig und sorgt für Szenen, die weder so richtig in die Handlung passen, noch sonderlich unheimlich oder spannend ausfallen. Dennoch: Was der Regisseur hier für etwa eine Million Euro auf den Bildschirm bringt, kann sich in den meisten Bereichen mehr als sehen lassen. Die Freigabe ab 18 Jahren weckt allerdings möglicherweise Erwartungen an den Blutgehalt, den der Film nicht einlöst.

Fazit:

Baba Yaga ist ein stets solider, manchmal sogar richtig guter Märchen-Grusler, der mit starken Kinder-Darstellern, flotter Story und einem unheimlichen Monster aufwarten kann. Abzüge gibt es für ein mitunter schlampiges Drehbuch und das fehlende Budget, das besonders im Finale für Enttäuschung sorgt. Wer aber auf düstere Märchenwelten und sanften Horror steht, der dürfte mit diesem Film durchaus seinen Spaß haben. Bei Erfolg steht dann auch inhaltlich einer Fortsetzung nichts im Wege. Dark Fantasy mit frischer Farbe!

Baba Yaga ist ab dem 12. Juni 2020 auf Blu-Ray und DVD im Handel.

Baba Yaga
Mit seinen Freunden Anton und Dascha macht sich Egor auf den Weg ins Reich der Hexe, um seine Schwester zu holen.