Tyler Rake Extraction

Filmkritik: Tyler Rake Extraction

Seit die Russo-Brüder mit „Avengers Endgame“ den erfolgreichsten Film aller Zeiten (momentan) gedreht haben, gilt ihr Name als Gütesiegel. Selbst wenn sie, wie im Fall von „Tyler Rake Extraction“ nur als Produzenten dabei sind. Allerdings hat Joe Russo auch das Drehbuch beigesteuert. Als Regisseur debütiert Stunt-Spezialist Sam Hargrave, der mit den Russos in Endgame zusammenarbeitete. Kann die Mischung aus den Russo-Brüdern und Chris Hemsworth erneut überzeugen?

Beinharte Söldner-Filme fanden sich nach ihrem Auftakt in den 70er-Jahren mit Produktionen wie „Die Wildgänse kommen“ später meist statt im Kino eher in den hinteren Regalen der Videotheken wieder. Die hartgesottenen Kämpfer, die in aller Regel für ein Himmelfahrtskommando angeheuert wurden, bekamen meist Charakterisierungen von der Tiefe einer Pfütze und mussten hauptsächlich Gegner töten – je mehr, je besser. Hat Joe Russo mit seinem Drehbuch also alte Jugenderinnerungen verarbeitet? Oder holt er aus einem ausgelutschten Genre neue Impulse heraus? Das klärt die Kritik.

Tyler Rake Extraction
Elitesöldner Tyler Rake hält seinen neuen Auftrag für gefährlich, aber durchaus machbar.

Tyler Rake Extraction: Die Handlung

Tyler Rake (Chris Hemsworth) ist ein Elitesöldner mit Todessehnsucht. Seit sein kleiner Junge an einer Krankheit starb und auch seine Ehe darüber zerbrach, nimmt der Hüne jeden gefährlichen Auftrag an – ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben. Da kommt ihm der neue Job gerade recht. Der Sohn eines indischen Drogenbarons wurde von einem Konkurrenten entführt. Weil der Vater im Gefängnis sitzt, muss Rake nun ran. Doch schon bei den ersten Schritten des Plans hat der erfahrene Söldner ein ungutes Gefühl. Jemand scheint falsch zu spielen.

nach diversen Pannen erhält Rake den Befehl, den Jungen zurückzulassen und schleunigst zu verschwinden. Doch da hat er Ovi (Rudhraksh Jaiswal) bereits bei sich und denkt nicht daran, das Kind wieder in die Hände seiner Entführer zu geben. Doch Dhaka, die Hauptstadt von Bangladesh, in der sich Rake und Ovi befinden, ist fest in der Hand von Drogenboss und Entführer Avid (Priyanshu Painyulli). Und der hetzt alles, was er hat, auf die Spur der beiden Flüchtigen. Für Rake und Ovi so gut wie ein Todesurteil …

Tyler Rake Extraction: Action aus der Oberliga

Regisseur Sam Hargave macht in seinem Regie-Debüt keinen Hehl daraus, aus welcher Ecke des Filmemachens er es auf den Regiestuhl geschafft hat. Immer wenn es um brachiale Action geht, überzeugt der Film komplett. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um wilder Schießereien handelt. Oder um Nahkampf Mann gegen Mann. Mit Chris Hemsworth, der die körperliche Präsenz für so eine Rolle mitbringt, fanden Hargrave und die Russos denn auch die ideale Besetzung. Viel überzeugender als der 1,90 Meter-Schrank kann man nicht agieren.

Und so zeigt der Film Stunts von einer Qualität, die höchstens noch die „John Wick“-Reihe bislang so gezeigt hat. Weil Joe Russo auch ein ordentliches Drehbuch abgeliefert hat, in dem nicht alle fünf Minuten geschossen wird, sind die Action-Momente auch so gut gesetzt, dass jede lange Sequenz für sich im Gedächtnis bleibt und beeindrucken kann. Allerdings kann Tyler Rake Extraction mehr, als nur Blut zu verspritzen und einen hohen Bodycount zu liefern. Denn bei aller Schlichtheit der Story funktioniert sie trotzdem sehr ordentlich.

Tyler Rake Extraction
Doch bald läuft der Plan aus dem Ruder und Rake findet sich mit seinem Zielobjekt im Kugelhagel wieder.

Tyler Rake Extraction: Nicht originell, aber intensiv

So richtig originell ist die Geschichte vom lebensmüden Soldaten, der bei seiner Rettungsmission auf ein Kind trifft und dieses unbedingt retten will, natürlich nicht. Das haben Genre-Fans sicherlich schon häufiger zu sehen bekommen. Neu ist hier die Qualität der Produktion, die sich auf dem Top-Niveau eines internationalen Kinofilms befindet. Und auch die Qualität der Schauspieler, die sich allesamt sehen lassen können. Von den bei uns eher unbekannten indischen Darstellern ist vor allem der junge Rudhraksh Jaiswal als Ovi absolut sehenswert.

Aber auch Hemsworth selbst, der hier bedeutend intensiver und nuancierter spielt als im ähnlich angelegten „12 Strong“, ist nicht nur wegen der Action sehenswert. Und David Harbour („Stranger Things“) ist als alter Kumpel des Helden ebenfalls gewohnt stark. Russos Script lotet in den ruhigen Momenten seine Charaktere aus und gibt ihnen dadurch mehr Profil als nur Retter oder Opfer. Zudem erzeugt die Story mit den Bildern des „Bohemian Rhapsody“-Kameramannes Newton Thomas Sigel eine niederschmetternd tödliche Atmosphäre.

So glaubt das Publikum den Figuren, dass sie tatsächlich jederzeit in Todesgefahr schweben und auch Ovi trotz seiner Jugend keineswegs sicher ist. Und daraus bezieht Tyler Rake Extraction einen Teil seiner Spannung. Der andere Teil beruht darauf, dass der Zuschauer keinem einzigen anderen Charakter in dieser Story voll vertrauen kann – jeder könnte Rake und seinen Schützling verraten. So sorgt der trotz seiner zwei Stunden nie langweilige Film für permanente Unsicherheit beim Publikum – bis zum spektakulären Showdown.

Fazit:

Auch wenn die Actionsequenzen das Filetstück von Tyler Rake Extraction sind, so ist doch auch der Rest des Films sehr sehenswert. Das solide Drehbuch von Joe Russo setzte Regiedebütant Sam Hargrave als fiebrigen, dreckigen Alptraum einer Rettungsmission so brutal und derb um, wie es nötig ist, um Fans harter Filme auf ihre Kosten kommen zu lassen. Der Überlebenskampf des Helden im komplett rechtsfreien Raum, wo nur der Starke überlebt, gehört zu den besseren Eigenproduktionen von Netflix und ist für Genre-Liebhaber absolut empfehlenswert.

Tyler Rake Extraction startet am 24. April 2020 bei Netflix.

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Tyler Rake Extraction
Jetzt lauert tödliche Gefahr hinter jeder Ecke und Rake muss ständig um sein Leben und das den Jungen kämpfen.