Eine junge Frau in großer Gefahr – das ist noch immer eine der beliebtesten Themen für spannende Thriller oder Horrorfilme. Schon hunderte Blondinen, Brünette oder – wie in diesem Fall – Asiatinnen gerieten ins Visier eines Killers, Vergewaltigers oder anderweitig gestörten Charakters. Lässt sich aus diesem Plot tatsächlich noch eine originelle Geschichte zaubern? Mit „Secret Obsession“ versucht es hier Regisseur Peter Sullivan, der auch gleich noch am Drehbuch mitschrieb. Hat das funktioniert?
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Mit romantischen Komödien hat Netflix in Eigenproduktionen mittlerweile schon ein gutes Niveau erreicht und nimmt mehrfach im Jahr ansehnliche Beiträge des Genres wie „The Last Summer“ oder „The Kissing Booth“ ins Programm auf. Bei Spannung und Horror hatte der Streaming-Dienst bislang eher bescheidenen Erfolg. Ein paar sehenswerte Filme wie „The Perfection“ oder „Cargo“ stehen vielen Gurken wie „Die Kunst des toten Mannnes“ oder „Open House“ gegenüber. Kann Secret Obsession die Quote heben?
Secret Obsession: Die Handlung
Jennifer (Brenda Song) rennt um ihr Leben. Im strömenden Regen mitten in der Nacht versucht sie, einem maskierten Killer mit einem Messer zu entkommen. Doch ihre Flucht endet vor der Motorhaube eines Wagens. Im Krankenhaus trifft ihr besorgter Ehemann Russell (Mike Vogel, „Under The Dome“) ein, der sich große Sorgen um seine Frau gemacht hat. Doch Jennifer hat bei dem traumatischen Unfall ihr Gedächtnis verloren und kann sich weder an ihren Gatten noch an den Vorfall erinnern, der zu ihrer Amnesie führte.
Während sich Russell rührend um seine Frau kümmert, die langsam wieder auf die Beine kommt, interessiert sich der erfahrene Detektiv Frank Page (Dennis Haysbert, „24“) für den Unfall, den Jennifer angeblich hatte. Und bei dem ihm immer mehr Ungereimtheiten auffallen. Bald findet Page Spuren in Jennifers Vergangenheit, die nicht mit den Aussagen des Ehemannes übereinstimmen. Und die muss mittlerweile im eigenen Haus angekommen feststellen, dass sich ihre Gedächtnislücken nicht mit dem füllen, was sie erwartet hätte …
Secret Obsession: Thriller von der Stange
Peter Sullivan ist ein erfahrener Regisseur, der seit Jahren im Schnitt etwa zehn Filme pro Jahr inszeniert – meist für den familienfreundlichen Pay-TV-Sender Hallmark. Und genauso fühlt sich Secret Obsession, seine erste Arbeit für Netflix, auch an. Die Story hat keine einzige originelle oder nicht vorhersehbare Szene, die Altersfreigabe ab 12 Jahren sorgt für wenig Blut – und noch weniger Spannung. Vermutlich würden lediglich 12-jährige, die noch nie in ihrem Leben einen Thriller gesehen haben, beim Ansehen erhöhten Puls haben.
Ältere hingegen haben höchstens dann ein wenig Spaß, wenn sie die vielen Anleihen, die vermutlich keine Referenzen sein sollen, aus Klassikern des Genres suchen und finden. Ob der Halloween-Kleiderschrank samt Messerkiller, Hitchcocks berühmte Milchglas-Szene aus „Verdacht“ oder die beliebte Frage, hinter welcher Klotür sich das Opfer wohl versteckt hat. Handwerklich ist Secret Obsession also nichts vorzuwerfen. Nur an irgendwelchen eigenen Ideen hapert es überall. Wer mit diesem Film zum ersten Mal einen Thriller sieht, den wird es wohl nicht stören. Aber auch nur den.
Secret Obsession: Problem nicht vor der Kamera
Das mag den den drei Stars Song, Vogel und Haysbert gar nicht vorwerfen, denn die sind zumindest bemüht, ihren komplett beliebigen Figuren ein wenig Profil zu verleihen. Sich gegen ein derart lahmes Script zu profilieren, gelingt aber keinem von ihnen. Und so fiebert man kaum mit der zarten Jennifer mit, wundert sich nicht über die seltsamen Aktionen von Gatte Russell und ist auch nicht überrascht von den neuen Fakten, die Detektiv Page herausfindet. Denn das kennt so gut wie jeder Zuschauer aus Dutzenden von TV-Krimis mit ähnlichem Thema.
Ein wenig über TV-Niveau ist lediglich die Ausstattung, die zwar auf wenige Sets begrenzt ist, dort aber absolut überzeugt. Der Rest überzeugt lediglich optisch, mit Spannungsaufbau und Suspense hat Sullivan trotz vieler Anleihen erkennbar wenig am Hut. So verrät das Script selbst dem unaufmerksamen Zuschauer nach 30 Minuten, worum es hier eigentlich geht – dem Opfer erst nach gut einer Stunde. Diese dreißig Minuten nutzen andere Regisseure, um die Spannungsschraube immer weiter anzuziehen und das Publikum mitfiebern zu lassen – Sullivan nicht.
So bleiben die Figuren blass, der Plot spannungsarm und der Puls ruhig. Mit Secret Obsession hat Netflix Thrillerfans erneut keinen Gefallen getan. Da sind inhaltlich ähnlich gelagerte Serien wie „You – Du wirst mich lieben“ deutlich besser. Der Titel täuscht also, geheimnisvoll ist hier eigentlich nichts, und die Besessenheit ist auch nicht zu entdecken. Der Film könnte auch eine zu lang geratene Episode von „Criminal Minds“ sein. Für eine Netflix-Filmproduktion ist das eindeutig zu wenig.
Fazit:
Secret Obsession ist leider absolute Thriller-Stangenware, die keine einzige eigene oder originelle Idee beinhaltet. Sehr vorhersehbar und sehr harmlos erstreckt sich der Film über zähe 95 Minuten, bis das passenderweise ebenso wenig überraschende Finale endlich erreicht ist. Filmfans können immerhin mitraten, aus welcher Vorlage die einzelnen Szenen stammen, damit es nicht ganz so langweilig ist. Schade um die zumindest bemühten Schauspieler, die hier aber auch nichts mehr retten können.
Secret Obsession startet am 18. Juli 2019 bei Netflix.