Oscars 2017
Tracy (Callie Hernandez, rotes Kleid), Alexis (Jessica Rothe, grünes Kleid), Mia (Emma Stone, blaues Kleid) und Caitlin (Sonoya Mizuno, gelbes Kleid)

Oscars 2017 – ein Kommentar

Wieder einmal ist der wichtigste Filmpreis der Welt über die Bühne gegangen, diesmal mit dem wohl schlimmsten Skandal überhaupt. aber abgesehen davon, wie sind die Preise einzuschätzen? Haben die richtigen gewonnen?

Über den grausamen Irrtum am Ende der Veranstaltung kann es keine zwei Meinungen geben: Etwas Schlimmeres, als einem Gewinner den Oscar nach wenigen Minuten wieder aus der Hand zu nehmen, ist für einen Filmschaffenden kaum vorstellbar. Für die meisten kommt diese Gelegenheit einmal im Leben – und für die Größe von La La Land-Produzent Jordan Horowitz, der sofort seinen „Freunden von Moonlight“ zum Sieg gratulierte, kann man nur Bewunderung empfinden. Aber war das die einzige Wertungspanne des Abends?

Die Oscars 2017 gehen in Ordnung

Natürlich gibt es immer wieder Filme, deren Fans Betrug riechen. So ein Film könnte Arrival sein, der einige Nominierungen bekommen hatte, aber nur für den besten Tonschnitt gewann. Aber das ist kein neues Phänomen: Dass die Jury, die in der Mehrzahl aus Schauspielern besteht, für einen Fantasy- oder Science-Fiction-Film stimmt – und sei er noch so gut – ist eine sehr große Ausnahme und passiert so gut wie nie. Für den spröden, grandios gefilmten Arrival gab es diese Ausnahme nicht. Aber: Krasse Fehlentscheidungen gab es nicht, mit diesen Oscars werden die meisten Filmjournalisten gut leben können. Vor allem die Streuung der Preise – fast jeder Kritikerliebling hat wenigstens einen Oscar bekommen – sorgt für versöhnliche Töne.

Oscars #sowhite: Nicht in diesem Jahr

oscars 2017
Moonlight wurde Bester Film. Als Reaktion auf die Proteste vom letzten Jahr? Manch einer wird das glauben.

2016 war die Kritik deutlich zu hören: Afroamerikanische Filme und Schauspieler seien unterrepräsentiert, die Oscars eine Feier der Weißen. Dieser Vorwurf lässt sich für 2017 sicher nicht aufrecht erhalten: Mit  Moonlight, Fences und Hidden Figures standen Filme mit schwarzen Themen und Schauspielern im Fokus, in Lion dreht sich die Story auch nicht um einen Weißen, sondern um einen Inder. 50 Prozent der Schauspiel-Oscars gingen an Afro-Amerikaner, der Preis für den besten Film ebenfalls. Keine Frage, das geht klar. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Oscars nun nicht dadurch geschmälert werden. Stimmen, die diese Auszeichnungen im direkten Zusammenhang mit dem vergangenen Jahr sehen und sicher sind, ohne #oscarssowhite wären die Preise 2017 anders verteilt worden, wird es garantiert geben. Das ist deshalb bedauerlich, weil die Qualität der Filme und Darbietungen diese Unterstellungen nicht verdienen. In Trumps Amerika werden sie dennoch unweigerlich kommen. Hoffentlich so leise, dass niemand sie hört.

Hollywood feiert sich selbst? Nicht in diesem Jahr!

Die beiden Favoriten der Oscars 2017 waren unschwer zu erkennen: La La Land und Moonlight würden das Duell um den Sieger des Abends unter sich ausmachen. Damit stand ein naturistisches, fast dokumentarisch anmutendes Werk, dass mitunter wie improvisiert wirkt, gegen ein perfektes und extrem charmantes Hollywood-Produkt, bei dem kein einziges Detail zufällig im Bild ist: Hollywood pur. Gewonnen hat dieses Jahr, wenn wohl auch knapp, der Beitrag, der Hollywood eben nicht feiert, sich nicht vor der Traumfabrik verbeugt, sondern den Independent-Anspruch ganz deutlich hochhält. Damit hat die Jury nicht nur den Siegeszug dieser Hommage an sie und ihre Kollegen gestoppt, sondern auch eine Aussage getroffen. Es darf auch anders sein! Diversity is good! Dazu ist es auch eine Absage an den Kommerz, denn der deutlich erfolgreichere Film hat verloren. 

Fehlentscheidung? In 20 Jahren gut möglich!

Dennoch könnte Moonlight einer der Filme werden, bei dem sich künftige Generationen fragen werden, wie der zum Teufel gegen so einen Klassiker wie La La Land gewinnen konnte. Denn auch wenn beide sich nicht unbedingt mit aktuellen Themen beschäftigen, so ist Moonlight doch kein Thema für den Massenmarkt – und auch nicht der erste Film über Schwule oder das Leben der Schwarzen in den USA. Auch La La Land (Kritik gibt es hier) erfindet nichts neu, ist aber doch in dieser Form noch nie dagewesen. Wer sich so tief vor den Klassikern verbeugt, der könnte selbst einer werden.

Ob das wirklich so kommt, wird die Zeit zeigen – ich wäre nicht erstaunt.

P.S. Ich hätte für La La Land gestimmt.

Oscars 2017
Hollywood-Traumpaar Emma Stone und Ryan Gosling wieder vereint in LA LA LAND.