Schneemann

Filmkritik: Schneemann

Krimis und Thrillern aus der Feder skandinavischer Autoren traut man im Allgemeinen eine Menge zu, sie gelten als die Meister dieses Genres. Kann „Schneemann“, die Verfilmung von Jo Nesbøs gleichnamigem Roman, diese gängige Meinung untermauern oder gehört der Thriller zu den Ausrutschern nach unten?

Der norwegische Ermittler Harry Hole ist für den Autoren Nesbø ein echter Hit geworden. Bereits elf Romane mit dem eigenwilligen Cop hat der Autor veröffentlicht, nun hat auch das internationale Kino den Stoff für sich entdeckt. Mit dem siebten Roman der Serie – Schneemann – beginnt eine mögliche Serie von Filmen. Gibt die Qualität des Films Anlass zur Hoffnung, es könnten bald weitere folgen?

Schneemann
Rebecca Ferguson müht sich mit einer nur mäßig spannenden Rolle ab.

Schneemann: Die Handlung

Zu Beginn steht ein Ereignis aus der Vergangenheit. Nach einem Streit mit dem Liebhaber bricht eine Mutter mit dem Wagen im Eis ein. Ihr Sohn kann entkommen und muss ihren Tod mit ansehen. Viele Jahre später erwacht Harry Hole (Michael Fassbender) mit einem schrecklichen Kater, nachdem er sich ein weiteres Mal in die Bewusstlosigkeit gesoffen hat. Kaum zu glauben, dass dieses Wrack einer der besten Ermittler der Osloer Polizei sein soll. Auch die neue Kollegin Katrine Bratt (Rebecca Ferguson) ist leicht enttäuscht, als sie den legendären Cop in natura erlebt. Eher aus Langeweile begleitet Hole Bratt zu einem Fall – eine junge Frau und Mutter ist verschwunden. 

Was Hole erst für einen Routinefall hält, entwickelt sich schnell zu einer Jagd auf einen buchstäblich eiskalten Serienkiller, der offenbar ausschließlich Frauen mit Kindern auf seiner Abschussliste hat und einen Schneemann als Signatur hinterlässt. Kann Hole den Mörder stellen, bevor er weiter mordet?

Schneemann: Viel Schatten

Der Trailer zum Film versprach einen spannenden, blutigen Plot und eine turbulente Jagd auf den Killer. Dieses Versprechen löst der Film nur teilweise ein. Denn Schneemann startet sehr holprig und langsam, es vergehen gut 30 Minuten, bis erstmals so etwas wie Spannung aufkommt. Vorher ist Regisseur Tomas Alfredson, immerhin auch Regisseur des modernen Horrorklassikers „So finster die Nacht“, ausschließlich mit der Einführung seiner Figuren beschäftigt. Und trotz der langen Zeit erfahren wir nur wenig über Hole und seine Kollegen, lange Zeit plätschert das Geschehen arg ruhig vor sich hin.

Zwar spendiert Alfredson dafür gelegentlich blutige Zwischenstücke, Spannung baut aber auch das nicht auf. Dazu kommen Nebenhandlungen, die entweder im Sande verlaufen oder gar nicht aufgelöst werden. Und immer wieder Zeitsprünge, deren Sinn sich erst erschließt, als es eigentlich schon keine Rolle mehr spielt. Hier waren offenbar gleich drei Drehbuchautoren, die den Roman umgesetzt haben, des guten zu viel. Denn die Änderungen im Vergleich zum Buch sind relativ groß, zudem zeigt der Film Szenen, die in der Romanhandlung stimmig wären, es aber durch die Änderungen im Script nun nicht mehr sind. So wird der scheinbar allwissende Killer nie wirklich erklärt, auch die bereits zu Anfang gezeigte Verbindung zwischen ihm und Hole funktioniert im Filmplot kaum. Es macht oft den Eindruck, als habe man den Film nachträglich noch gekürzt und dabei eigentlich notwendige Szenen geopfert. Eventuell kann hier eine längere Version auf DVD noch etwas retten.

Schneemann
Welche Rolle spielt der undurchsichtige Geschäftsmann Arve (J.K. Simmons)?

Schneemann: Wenig Licht

Noch am wenigsten dafür können die Schauspieler. Fassbender spielt erfolglos gegen die schlechte Charakterzeichnung des Drehbuches an. Rebecca Ferguson macht auch noch das Beste aus einer nur mäßig interessanten Figur. Große Namen wie J.K. Simmons („Spider-Man“), Val Kilmer („Kiss Kiss Bang Bang“), Chloe Sevigny oder Toby Jones („Captain America“) sind in kleinen Rollen gleich völlig verschenkt.

Punkten kann der Thriller mit authentischen Drehorten, die die Kälte des Falles toll unterstützen. Die Atmosphäre stimmt auch, wird allerdings allzu oft nicht mit entsprechenden Inhalten gefüllt. Die Idee, den siebten Roman als ersten zu verfilmen, war möglicherweise nicht die beste Entscheidung. Der Roman geht hier von einer Vertrautheit mit dem Helden aus, den der Film natürlich nicht bieten kann. Und auch handwerklich greift Alfredson manchmal daneben. Einen so mäßig geschnittenen Thriller gab es im Kino länger nicht zu sehen. oft liegt es an Kamerawinkel oder zu frühem Schnitt, dass manche Stellen der Geschichte unnötig im Dunkeln bleiben. Das sorgt insgesamt für einen sehr durchschnittlichen Film der selbst in einem mit Thrillern so dünn gesäten Jahr keine Spuren hinterlassen wird.

Fazit:

Schneemann ist eine sehr mäßige Umsetzung des Romans, der zu keinem Zeitpunkt richtig Feuer fängt und sein Publikum mitnimmt. Fassbender und Ferguson spielen umsonst gegen einen schwaches Drehbuch an, das beim Versuch, Teile des Romans zu integrieren, die Spannung über Bord gehen lässt und manche Storys gar nicht zu Ende erzählt. Nach dem tollen Trailer sicher eine leise Enttäuschung.

Schneemann startet am 19. Oktober in den deutschen Kinos.

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