Jenna Ortega
Paramount Pictures

Filmkritik: Scream

Ghostface ist zurück! Gut zehn Jahre nach seinem bislang letzten Auftritt ist der Killer mit der Maske wieder in Woodsboro. Wes Craven, der 2015 mit 76 Jahren starb, brachte mit dieser Reihe das Kunststück fertig, nach „Nightmare on Elm Street“ eine zweite klassische Horror-Reihe für das Kino zu schaffen. Etwas, das keinem anderen Horror-Regisseur je gelang. Logischerweise ist Teil 5, der in den Kinos ganz simpel als „Scream“ startet, nicht von Craven inszeniert worden. Diesmal sind das Duo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett („VHS“, „Ready or Not„) für das blutig-ironische Spektakel verantwortlich. Gibt es mit den neuen Regisseuren auch einen Umbruch in der Reihe? Oder bleibt alles, wie es ist? Das verrät die Kritik.

Scream
Wer steckt diesmal hinter der Maske von Ghostface und mordet sich durch Woodsboro?

Die Handlung

Seit Jahren haben die Morde in Woodsboro nun aufgehört – die Filme darüber aber nicht. Nachdem der bei Fans komplett unbeliebte „Stab 8“ in den Kinos floppte, scheint aber auch diese Ära nun vorbei zu sein. Da klingelt bei der jungen Tara (Jenna Ortega) abends das Telefon – und eine unbekannte männliche Stimme ist am anderen Ende. Nachdem die einen Small-Talk mit Tara beginnt, wechselt ganz plötzlich die Stimmung und das Gespräch wird bedrohlich. Schnell muss Tara feststellen, dass der Anrufer nicht nur das Handy ihrer besten Freundin Amber (Mikey Madison) geklont hat und ihr gleichzeitig Textnachrichten als Amber schickt, sondern auch nicht so weit von ihr entfernt ist, wie sie dachte. Denn sie wird Opfer einer Attacke von Ghostface …

Als Taras ältere Schwester Sam (Melissa Barrera) von dem Angriff hört, fährt sie sofort nach Hause ins von Mordserien schon häufiger geschüttelten Woodsboro. Ihr Freund Richie (Jack Quaid, „The Boys„) möchte sie unbedingt begleiten, um sie in dieser schweren Stunden nicht allein zu lassen. Als Sam im Krankenhaus ankommt, findet sie dort bereits Taras Freunde vor. Darunter Wes (Dylan Minette), Amber und die Zwillinge Chad und Mindy. Bald wird klar, dass der Angriff auf Tara, die denkbar knapp überlebt hat, nur der Aufgalopp zu einer neuen Mordserie war. Denn bald türmen sich erneut die Leichen in der Kleinstadt. Das ruft nicht nur Ex-Sheriff Dewey (David Arquette) wieder auf den Plan, sondern auch seine Ex-Frau Gail (Courtney Cox) – und eine gewisse Sidney Prescott(Neve Campbell) …

Scream wie die Fans es kennen und lieben

Wie bei kaum einem anderen Genre fallen Fortsetzungen so sehr durch Einfallslosigkeit auf wie bei Horrorfilmen. Ob Jason oder Michael Myers – der ewig gleich dünne Plot reicht den Fans offenkundig aus, um in die Kinos zu rennen. Nur ein Fakt, über den sich Wes Craven in seinem Genre-Klassiker Scream 1996 lustig machte. Wie vorher kein Film funktionierte sein Slasher-Movie gleichzeitig als harter Vertreter des Genres. Und als lustig-verspielte Meta-Parodie auf Slasherfilme und deren Dummheit. Das passte sogar noch in den Fortsetzungen, denn dort nahm Craven die typischen Slasher-Regeln für weitere Teile aufs Korn, während er eine neue Riege Teenager niedermetzelte. Kein leichter Job also für Bettinelli-Olpin und Gillett, in solche Fußstapfen zu treten.

Doch das Duo schlägt sich wacker. Denn die Story ist nicht nur ähnlich spannend wie die Vorgänger, auch die Selbstreferenzialität der Scream-Reihe treiben die beiden in Teil 5 auf die Spitze. Indem sie sich vor dem ersten Teil ihrer eigenen Reihe verbeugen und ihren Film exakt so anfangen lassen wie Cravens Scream-Erstling. Doch das ist längst nicht alles. Immer wieder fallen dem Scream- und Horrorfan Hommagen an frühere Filme oder Szenen ins Auge, an denen Craven ganz bestimmt seine Freude gehabt hätte. Scream wimmelt förmlich vor Szenen, in denen die Meta-Ebene wilde Feste feiert. Die vielleicht deutlichste ist ein Teenager, der auf der Couch sitzt und sich einen Stab-Film ansieht und Ghostface zeitglich im TV und hinter ihr auftaucht. Wer an so etwas Spaß hat, ist in Scream genau richtig.

Neve Campbell, Courtney Cox
Das fragen sich nicht nur die Ghostface-Expertinnen Sidney und Gail.

Auch beim fünften Mal funktionieren die Tricks

Auch die sonstige Machart ähnelt den früheren Werken. Denn das Drehbuch wirkt erneut auf den ersten Blick sehr clever, weil es dem Publikum auch kaum Zeit zum Nachdenken lässt. Bei näherer Betrachtung hält die Story der logischen Überprüfung aber nicht stand. Aber das war auch bei Scream 1-4 schon so. Und stört deshalb kaum, weil der Spaß an diesen Filmen nicht von der absolut durchdachten Handlung abhängt. Sondern neben den aufgestellten Regeln, die hier gebrochen werden oder eben nicht, auch vom Mitraten, wer aus der Gruppe der Charaktere denn diesmal wohl der Killer ist. Wie immer streut das Script dazu reichlich Spuren in verschiedene Richtungen, sodass fast jeder Protagonist im Verlauf der Handlung mal verdächtig ist.

Abzüge in der B-Note muss sich der neue Film aber gefallen lassen. Denn er ist deutlich überfüllt. Auch wenn Sam und Tara im Mittelpunkt der Handlung stehen, so ist durch die Rückkehr der drei Altstars die Zeit für andere Figuren etwas kurz. So bleiben fast alle aus der Tara-Clique bis zum Showdown relativ blass. Und sind dem Zuschauer daher auch weitgehend egal. Und das ist in einem Horrorfilm nie eine gute Sache. Versuchten die Macher, dieses Defizit durch mehr Brutalität auszugleichen? Gut möglich! Denn Scream ist zwar noch immer kein wüster Splatterfilm, aber von den bisherigen fünf Scream-Teilen mit Abstand der blutigste. Die Morde waren schon immer fies in Szene gesetzt, aber Stiche durch den Hals oder durch die Wange wurden so explizit wie hier bislang nicht gezeigt.

Slasher-Regel: Nichts Neues!

Jack Quaid
Ist Richie wirklich der treusorgende Freund von Sam? Oder wiederholt sich der Plot?

So muss sich der neue Scream die Kritik gefallen lassen, dass er als typisches Horror-Sequel nur wenig Neues zu bieten hat. Die möglichen Motive des Killers kamen alle schon einmal vor, auch die Szenen wirken meist beliebig und lassen eine starke kreative Handschrift vermissen. Und so bleibt auch Nummer 5 in den Bahnen, die Fans aus den vorigen Filmen kennen. Das tut der Qualität aber keinen Abbruch. Denn nach gut zehn Jahren Pause wirken ein paar alte Ideen durchaus wieder recht frisch. Das Finale gerät allerdings zur derart tiefen Verbeugung vor dem Original, das es auf Kosten der bis dahin durchaus ordentlichen Handlung geht. Es hätte Wes Craven vermutlich nicht so gut gefallen, dass eine Hommage an ihn einem noch besseren Schlussakkord im Wege steht.

Fazit:

Mit Scream bekommt die von Horror-Altmeister Wes Craven ins Leben gerufene Reihe eine weitere ordentliche Ausgabe. Das zumindest oberflächlich clevere Drehbuch spielt geschickt  mit Klischees und dem Brechen derselben, baut ein paar gute neue Charaktere auf, gibt den alten Helden ihren Platz und beantwortet die drängendsten Fragen und vermeintlichen kleinen Ungereimtheiten umgehend. Und mit einer weiteren Steigerung des Gewaltgrades holt die ohnehin nie zimperliche Serie auch noch die Fans härterer Gangart ins Boot. Das Regie-Duo Bettinelli-Olpin und Gillett erfindet hier nichts neu, nutzt das Bekannte aber auf eine originelle und gute Art, um ein weiteres blutiges Kapitel in der Mordserie von Woodsboro hinzuzufügen. Wer die Reihe bislang mochte, wird von diesem Film ganz sicher nicht enttäuscht.

Scream startet am 13. Januar 2022 in den deutschen Kinos.

Melissa Barrera
Oder hat Sams dunkles Geheimnis mit den neuen Morden in der Stadt zu tun?