Prey
Netflix

Filmkritik: Prey

Wenn bei Netflix deutsche Themen ankommen, dann sind es meist unheimliche, spannungsgeladene oder im Krimi-Bereich angesiedelte Inhalte. So wurde „Blood Red Sky“ zu einem der größten Erfolge der jüngeren Zeit, auch „Dark“ und „Biohackers“ fanden das Interesse der Netflix-Welt. Weniger Eindruck machte „Kidnapping Stella“, die deutsche Version des britischen Thrillers „Die Entführung der Alice Creed“. Dennoch drehte dessen Regisseur Thomas Sieben nun für Netflix einen weiteren Thriller, der diesmal aber kein Remake ist, sondern ein eigener Stoff. Wie gut ist der Survival-Thriller „Prey“ (dt. Beute) um einen Junggesellenabschied, der mörderisch schief geht? Das klärt die Kritik.

David Kross
Wer schießt auf Roman und seine Freunde? Die Männer beschließen, sich aufzuteilen, um bessere Chancen zu haben.

Die Handlung

Roman (David Kross) wird seine große Liebe Lisa (Livia Matthes) heiraten. Doch vorher geht es noch mit seinem großen Bruder Albert (Hanno Kofler, „Der Pass“, „Beat“) und seinen drei besten Freunden auch Junggesellen-Tour. Allerdings entscheidet sich Roman nicht für wilde Partys im Strip-Club, sondern für eine Kanu-Tour durch unberührte Natur. Und das Quintett hat dabei auch jede Menge Spaß – ganz ohne Stripperinnen und Alkohol. Auf dem Heimweg schauen die Freund noch bei einem besonders beeindruckenden Aussichtspunkt vorbei und wollen sich dann auf den Weg nach Hause machen. Die Schüsse in ihrer Näher halten die Männer für Jäger, die hier durch die Gegend streifen. Nur Peter (Robert Finster) ist sich recht sicher, dass zurzeit gar keine Jagdsaison ist.

Und er soll Recht behalten. Kaum ist die Gruppe beim Auto angekommen, schlägt in ihrer unmittelbare Nähe eine Kugel ein. Jemand macht Jagd auf sie! Zwar können sie die Männer in die Deckung das Wagens retten, doch ein gezielter Schuss setzt das Auto als Fluchtmöglichkeit außer Gefecht. Ihnen bleibt nur der Weg zurück in das schützende Dickicht des Waldes. Doch nicht alle kommen dort lebendig an. Eine gnadenlose Hetzjagd beginnt und keiner der Männer hat eine Idee, warum es jemand auf ihren Tod abgesehen haben könnte. Während der Flucht vor dem unbekannten Killer kochen zusätzlich noch alte Konflikte hoch, die innerhalb der Gruppe schon lange schwelen …

Kein neuer Impuls in der bekannten Story

Die Jagd auf Menschen in freier Natur ist keine komplett neue Idee. Der bis heute wichtigste Vertreter des Survival-Thrillers ist der 1972 gedrehte „Deliverance – beim Sterben ist jeder der Erste“ mit Burt Reynolds, der unter anderem wegen des berühmten Banjo-Duells Kultstatus genießt. Aber auch Asiens Regie-Legende John Woo schickte 1993 Jean-Claude Van Damme in „Hard Target“ in den Kampf ums Überleben als wehrhaftes Ziel einer Gruppe Menschenjäger. Und vor einigen Monaten ging es in „The Hunt“ ebenfalls um die Jagd auf Menschen. Hat Thomas Siebens Drehbuch dieser Auswahl entscheidend neue Impulse beizusteuern? Leider nein.

Ganz den Regeln des Genres folgend, finden sich die fünf jungen Männer bald in der Rolle der Gejagten wieder, ohne dass sie eine Ahnung haben, wer sie jagt – oder warum. Zwar gibt Sieben früh erste Hinweise auf mögliche Motive des Killers, eine Relevanz dafür ergibt sich jedoch erst deutlich später. Und die gelegentlich durchaus aufkommende Spannung der Situation hält Sieben leider nicht über die gesamte Zeit des Films. Immerhin gelingen dem Regisseur aber einige gelungene Schocks, die auch der erfahrene Thriller-Fan so nicht unbedingt kommen sieht. An der Inszenierung liegt es dann auch nicht, dass Prey über weite Strecken des ohnehin kurzen Films nicht wirklich fesselt – sondern am Drehbuch.

Prey
Können sich Roman und Albert gegenseitig helfen, um dem Alptraum zu entkommen?

Wenig packend

Denn um sich mit den Gejagten zu identifizieren, braucht der Zuschauer einfach mehr als gängige Klischees über unterschiedliche Brüder und unterdrückten Zorn, der sich in Stress-Situationen Bahn bricht. Das ist in Prey nicht komplett unrealistisch, aber eben auch alles andere als neu oder originell. Und deshalb bleiben die einzelnen Figuren auch alle ziemlich blass. Das gilt ausdrücklich nicht für den Killer, der trotz wenig Hintergrund die spannendste Figur im ganzen Film ist. Außer vielleicht für Zuschauer, die alles ganz genau wissen wollen. Denn Sieben lässt bei seinem Killer absichtlich ein wenig Abstand und Luft, um Platz für eigene Deutungen zu schaffen. Das Motiv wird aber dennoch ziemlich klar.

Die Schauspieler erledigen ihren Teil insgesamt ordentlich. David Kross spielt den eigentlich weichen Roman, der im Angesicht der Gefahr zum Kämpfer mutiert und doch bis zuletzt immer noch nicht fassen kann, was er da erlebt, mit genug Kraft und Sensibilität, um ihm die Figur abzukaufen. Und Hanno Kofler als nur vermeintlicher netter und cooler Typ ist ebenfalls überzeugend. Der Rest hat hingegen kaum Gelegenheit, sich in der Rolle auszuzeichnen, zu kurz und zu wenig einprägsam sind die Charaktere. Deshalb bleibt der Zuschauer stets Beobachter, wird nie zum Komplizen des Killers oder zum Daumendrücker für die Gejagten. Dazu fehlt es Prey schlicht an Emotion. Und an ein wenig Story abseits des Erwartbaren.

Prey
Roman entdeckt den Killer – aber kann er ihn auch ausschalten?

Punkten kann Prey neben den Schauspielern auch mit den Bildern. Kameramann Andreas Berger gelingen einige imposante Aufnahmen von Wald und Fels, die die Protagonisten in die richtige Relation rücken. Das reicht aber noch nicht für einen richtigen guten Thriller.

Fazit:

Treue Thriller-Fans können beim Survival-Thriller Prey durchaus einschalten, wenn sie die Erwartungen nicht zu hoch hängen. Denn der Film ist in seinen besten Momenten solide, aber nie mehr. Und weist trotz der kurzen Laufzeit auch ein paar Längen auf. Die Schauspieler schlagen sich aber gut, der richtige Blutzoll im rechten Moment ist auch dabei und der geheimnisvolle Killer zumindest kein Irrer von der Stange. In Sachen Spannung, Charaktertiefe und Atmosphäre hat Prey aber noch ordentlich Luft nach oben.

Prey startet am 10. September 2021 bei Netflix.

Mehr Kritiken zu Netflix-Filmen gibt es hier.