Blood Red Sky

Filmkritik: Blood Red Sky

Horrorfilme aus Deutschland sind seit Jahrzehnten so gut wie ausgestorben. Hin und wieder blitzt einmal ein Film auf, der zumindest in die Nähe von Horror passt, wie „Der Goldene Handschuh“ oder „Ich seh, ich seh“ (der aus Österreich stammt), aber grundsätzlich ist das Genre, das der deutsche Filme in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts maßgeblich mitprägte und Meilensteine wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ oder „Nosferatu“ hervorbrachte, nicht einmal mehr untot. Doch nun kommt bei Netflix ein lupenreiner Horrorfilm heraus, der aus Deutschland stammt: „Blood Red Sky“. Als Filmfan muss man sich darüber eigentlich schon freuen, bevor man ihn überhaupt gesehen hat. Aber lohnt sich das Einschalten? Oder können deutsche Regisseure Horror gar nicht mehr? Das klärt die Kritik.

Blood red sky
Nadja will nach New York – ihre letzte Chance, Mensch zu bleiben.

Die Handlung

Nadja (Peri Baumeister) und ihr kleiner Sohn Elisa (Carl Koch) wollen mit einem Nachtflug aus Deutschland in die USA reisen, wo sich Nadja einer ganz besonderen Behandlung unterziehen möchte. Die junge Frau hat eine überaus seltene Krankheit. Und ein Arzt in den USA hat versprochen ihr zu helfen – kostenlos. Das würde für Nadja bedeuten, endlich die Medikamente nicht mehr nehmen zu müssen. Und ihr auch für andere lebensgefährliches Problem endgültig zu lösen. Denn Nadja wurde kurz nach der Geburt ihres Sohnes von einem Vampir gebissen und verlor bei diesem Angriff auch ihren Ehemann. Seit dieser Zeit kämpft sie gegen den Blutdurst. Den Flug in die USA sieht sie als ihre letzte Hoffnung an, wieder ein Mensch werden zu können.

Während sich ihr Sohn mit dem mitreisenden Farid (Kais Setti) anfreundet, klingeln bei Nadja plötzlich die Alarmglocken. Offenbar hat sich eine Bande Verbrecher auf den Flug geschmuggelt und will nun das Flugzeug entführen. Doch eine Umkehr der Maschine in den Morgen hinein wäre für Nadja der sichere Tod. Und so versucht sie, die Verbrecher auf ihre ganz besondere Art außer Gefecht zu setzen. Doch die Bande um Berg (Dominic Purcell) und den vermeintlichen Stewart (Alexander Scheer) ist brutal und skrupellos. Leichter Opfer sehen also anders aus. Dennoch kämpft Nadja mit allen Mitteln um das Leben und die Sicherheit ihres Sohnes, auch wenn sie dafür den letzten Rest Menschlichkeit aufgeben muss, der ihr noch geblieben ist …

Starke Hauptrolle

Regisseur und Drehbuchautor Peter Thorwarth ist für Filmfans kein Unbekannter. Der 50-jährige Dortmunder drehte mit „Bang Boom Bang“ und „Was nicht passt, wird passend gemacht“ gleich zwei deutsche Kult-Komödien. Zuletzt war er aus Autor für die Netflix-Serie „Wir sind die Welle“ aktiv – und konnte dort offensichtlich Produzenten von seiner Horrorfilm-Idee Blood Red Sky überzeugen. So ganz neu ist die Monster-im-Flugzeug-Story allerdings nicht. So kämpfte sich Samuel L. Jackson vor ein paar Jahren in „Snakes on a Plane“ durch ein Flugzeug voller giftiger Reptilien. Und auch die Untoten sind mit „Plane Dead“ und „Flight of the Living Dead“ bereits abgehoben. Thorwarth präsentiert dem Publikum nun die Variante Vampire im Flugzeug, wie es der Trailer leider schon vorab verraten hat.

Und die funktioniert die erste Stunde auch recht ordentlich. Was zum großen Teil an Peri Baumeister liegt. Die emotionalste Geschichte des Films ist ihr Kampf gegen die Terroristen an Bord und zeitgleich gegen ihre finstere Natur, die sie ständig an den Rand ihrer Selbstbeherrschung und näher an die Bestie in ihr bringt, die unbedingt herauswill. Mit ruckartigen Kopfbewegungen, starrem Blick und anderen kleinen und großen Gesten spielt Baumeister diesen inneren Kampf beeindruckend gut. Leider erschöpfen sich damit damit aber auch schon die frischen Ideen von Blood Red Sky, denn die klischeebesetzten und komplett austauschbaren Schurken überzeugen ebenso wenig wie der arg vorhersehbare Plot des Films.

Alexander Scheer
Der Stewart gehört zu den Gangstern – und wird schnell zur Bedrohung für alle Passagiere an Bord.

Blutiger heißt nicht besser

Zudem gibt Alexander Scheer, eigentlich ein toller Schauspieler, bereits zum zweiten Mal in einer Horror-Story deutlich zu viel Gas. Schon in „Hausen“ übertrieb es Scheer in seiner Darstellung, diesmal gibt er eine Art Klaus-Kinski-Version eines psychopathischen Gangsters, die neben dem starken Spiel von Peri Baumeister eher belustigend als bedrohlich wirkt. Das ist deshalb schade, weil Scheer in Filmen wie „Gundermann“ oder Theaterstücken wie „Lazarus“ bewiesen hat, wie viel er eigentlich kann. Hier ist es schlicht zu viel. Je länger Blood Red Sky läuft, desto mehr tritt auch die emotionale Story um Nadja in den Hintergrund. Der Trash-Faktor erhöht sich dafür drastisch.

Es wirkt, als habe Thorwarth seiner Hauptstory nicht zugetraut, das Publikum bei der Stange zu halten. Und so lässt er seinen Plot, der gut begonnen hat, zum Finale hin immer alberner werden. Da helfen dann auch Szenen aus Horror-Klassikern wie „Day of the Dead“ nicht mehr wirklich weiter. Immerhin können sich die Effekte durchaus sehen lassen und Thorwart traut sich auch, ein paar rabiate Momente in seinem Film unterzubringen. Die allein reichen aber nicht, um wirklich eine starke Atmosphäre aufzubauen. Spannend bleibt Blood Red Sky allerdings die meiste Zeit schon. Denn der Film entfaltet gegen Ende eine apokalyptische Stimmung, die man in der ersten halben Stunde nicht unbedingt kommen sieht.

Blood Red Sky
Um ihren Sohn Elias zu retten, nimmt Nadja den Kampf gegen die Terroristen auf.

Dennoch verschenkt Thorwart eine Menge Möglichkeiten, indem er nicht auf sein stärkstes Zugpferd setzt – das tragische Monster, das darum kämpft, keines zu werden. Hier wäre deutlich mehr möglich gewesen und das hätte Blood Red Sky sicherlich auch einen seriöseren Anstrich gegeben. Doch statt auf ruhige Charaktermomente setzt der Regisseur auf mehr Blut und Gewalt. Das mag den einen oder anderen hartgesottenen Horror-Fan abholen, macht den Film aber nicht besser. Es bleibt das Lob über den Mut, in Deutschland einen echten Horrorfilm zu machen, was hoffentlich Nachahmer finden wird. Die es dann vielleicht besser machen als der letztlich nur durchschnittliche Netflix-Horror.

Fazit:

Eine tolle Peri Baumeister reicht nicht aus, um den ansonsten sehr vorhersehbaren und gegen Ende im hohen Trash-Faktor versinkenden Blood Red Sky zu einem guten Horrorfilm zu machen. Viele Figuren wirken klischeehaft und blutleer und sind deshalb dem Publikum auch bald relativ gleichgültig. Regisseur und Autor Peter Thorwarth setzt in der zweiten Hälfte weniger auf seine starke Hauptdarstellerin und mehr auf blutige Effekte und schnelle Action. Dabei wäre aus der spannenden Figur der Nadja noch so viel mehr zu machen gewesen! So bleibt der neue Netflix-Film ein zwar meist spannender, aber letztlich beliebiger Horrorstreifen, der nur durch seine Hauptdarstellerin Angst macht.

Blood Red Sky startet am 23. Juli 2021 bei Netflix.

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Blood Red Sky
Doch mit jeder Tötung entwickelt sich Nadja mehr zu dem Monster, das sie nie werden wollte.