Sierra McCormick
Disney

Serienkritik: American Horror Stories

Im Gegensatz zu einer normalen Serie sind so genannte Anthologien in abgeschlossene Geschichten unterteilt. Während also eine Serie wie „Grey’s Anatomy“ mit jeder neuen Staffel auf den alten aufbaut und sie weitererzählt, machen Anthologie-Serien genau das nicht. Von „American Horror Story“ gibt es mittlerweile zehn Staffeln, die alle eine (weitgehend) eigene Story erzählen. Doch das war Serienerfinder Ryan Murphy („Glee“, „Hollywood„) offenbar immer noch zu lang. In „American Horror Stories“, die man aufgrund des sehr ähnlichen Namens leicht mit der Mutterserie verwechseln kann, geht es noch kürzer: Beinahe jede der sieben Episoden von Staffel 1 steht für sich. Wie schlagen sich diese Horrorhappen im Vergleich zur Hauptserie? Das klärt die Kritik.

American Horror Stories
Zu Beginn bringt Scarlett dem neuen Haus nur wenig Begeisterung entgegen.

Die Handlung

Rubber (Wo)Man 1+2

Die einzige Doppelfolge der Staffel bringt AHS-Fans wieder dorthin zurück, wo alles begann: ins Mordhaus der ersten Staffel. Diesmal zieht das schwule Paar Michael (Matt Bomer) und Troy (Gavin Creel) mit seiner 16-jährigen Tochter Scarlett (Sierra McCormick) dort ein. Ihr Plan ist es, nach der Renovierung eine Art Gespenster-Café zu eröffnen, in dem die Leute essen und sich gleichzeitig ob der Historie des Hauses gruseln können. Während die beiden Männer sich schnell in die neue Umgebung eingewöhnen, fällt Scarlett das bedeutend schwerer. Als lesbisches Mädchen fühlt sie sich von ihren Mitschülern gemobbt und unglücklich verliebt in Klassenschönheit Maya (Paris Jackson) ist sie auch noch. Umso erstaunlicher, dass die Blondine auch für sie Interesse zeigt. Doch das Murder-House schläft nie …

Drive In

Chad (Rhenzy Feliz) würde zu gern bei Freundin Kelly (Madison Bailey) landen – und zwar zwischen ihren Schenkeln. Doch bislang wehrt sie ihn immer wieder ab, bevor es zu mehr kommt als wilden Küssen. Seine Kumpels raten Chad daraufhin, doch mit Kelly am Abend in eine Sondervorstellung eines Horrorfilms ins Drive-In-Kino zu fahren, denn Angst würde die Höschen der Mädchen schneller nach unten gleiten lassen. Und für „Rabbi Rabbit“ soll das besonders gelten. Die Legende besagt, dass der Film nur einmal aufgeführt worden sei und die Vorstellung in einem Blutbad geendet hätte. Chad glaubt das nicht, selbst dann nicht, als eine ältere Dame mit nur einem Auge sich am Zaun als Überlebende dieser Vorstellung outet und die neuen Zuschauer eindringlich warnt. Hätte Chad mal auf sie gehört …

Zwei unterschiedliche Stile

Die drei Folgen, die Disney vorab aus einer mit ohnehin nur sieben Episoden nicht gerade üppigen Staffel zeigte, beweisen vor allem eines: Hier ist Vielfalt Trumpf. Denn während sich die Doppelfolge wie eine Fortsetzung von Murder House sieht – und de facto auch ist, wandelt Drive-In auf ganz anderen Wegen, inhaltlich wie formal. Und auch die weiteren Episoden sollen sich deutlich voneinander unterscheiden. Bis es in Folge sieben nochmals ins Murder House zurück geht. Das Konzept geht auch deshalb so gut auf, weil sich Ryan Murphy und Brad Falchuk, die AHS-Macher, sowohl vor als auch hinter die Kamera einige Veteranen des Genres holten, die ihren Job einfach können.

So ist in Drive-In Adrienne Barbeau dabei, einst Gattin und Muse von Regie-Legende John Carpenter und Star in „The Fog“. In einer weiteren Episode schaut „From Dusk Till Dawn“-Türsteher Danny Trejo vorbei. Dazu kommen Virginia Gardner („Halloween“ 2018) und Tom Lenk („Buffy“). Für insgesamt vier der Drehbücher gewann das AHS-Duo Manny Coto, der schon seit den 90er Jahren als Autor von Horror- und Spannungsserien wie „Tales from the Crypt“ oder „Dexter arbeitete. Und dessen Ideen für eine coole Horrorstory sich von denen Murphys und Falchuks einfach grundlegend unterscheiden. Und so dürfte die erste Staffel von American Horror Stories künstlerisch zweigeteilt sein.

American Horror Stories
Doch das Kostüm, das Scarlett im Haus findet, lässt sie schnell umdenken.

Stylish kühl oder blutig-witzig

Rubber (Wo)Man hält sich dabei stilistisch sehr an die Vorlage, die Kamerawinkel- und Fahrten sowie Beleuchtung und Farbgebung bleiben auf dem Standard der ersten AHS-Staffel. Und auch die stark sexualisierte Handlung, bei der viele Charaktere von ihren Trieben gesteuert werden, findet hier breiten Raum. Und im Kern steht, wie schon in Staffel 1, oft die Frage, wer von den handelnden Personen eigentlich noch lebt, und wer schon längst vom Haus umgebracht wurde und nun als Geist seinen Aufenthalt für die Ewigkeit verlängert hat. Zudem ist diese Doppelfolge offenbar berühmten Töchtern gewidmet. Denn nicht nur Michael Jacksons Tochter Paris ist hier zu sehen, auch Cindy Crawfords Model-Nachwuchs Kaia Gerber übernimmt eine größere Rolle. Stars aus der ersten Staffel von AHS sucht man allerdings in der ersten Doppelfolge vergeblich, das soll sich erst im Finale von American Horror Stories ändern.

Drive In präsentiert dagegen eine tiefe Verbeugung vor einem von John Carpenters unbekannteren Werken: Cigarette Burns. Dort sucht Kinobetreiber Sweetman nach einem Film, der angeblich bei seiner einzigen Aufführung die Zuschauer in den Wahnsinn trieb und für ein Blutbad sorgte. In der AHS-Folge ist das im Prinzip die gleiche Story-Idee. Nur dass die Episode die Aufführung und dessen Auswirkungen zum Kernthema hat. Der Regisseur des Films heißt hier übrigens Bitterman, falls bis hierhin noch jemand Zweifel an der Hommage des Carpenter-Films hatte. Die Mitwirkung von Barbeau ist da nur ein weiterer Baustein. Im Vorspann zur Folge kommt dann auch noch Christine vor, die King-Story über ein Horror-Auto, die Carpenter 1983 verfilmte. So darf die neue Serie gerne weitergehen.

American Horror Stories
Sehr bald werden Scarletts Aktionen so dunkel, dass ihre Väter eine Therapeutin einschalten.

Fazit:

Mit den ersten Folgen von American Horror Stories hält die Art von Vielfalt in einzelnen Folgen Einzug, die die Mutter-Serie sonst nur innerhalb einer Staffel schafft. Und das tut den sonst oft sehr kühlen und in Hochglanz-Bildern erzählten Plots sehr gut. Ist die erste Doppelfolge noch typische AHS reinsten Wassers, hebt sich Folge drei schon wohltuend vom Standard ab und präsentiert eine für AHS neue Richtung: Blutiger, witziger, mit einer tiefen Verbeugung vor einem Altmeister und entsprechend vielen Anspielungen. Trotz gemischter Kritiken in den USA hat Disney bereits eine zweite Staffel geordert. Wenn die Folgen die bisherige Qualität halten, gibt es dagegen für Horrorfans auch gar nichts einzuwenden.

American Horror Stories startet am 8. September mit einer Folge pro Woche bei Disney+Star.

Paris Jackson
Scarletts neues Selbstbewusstsein bekommen auch die Schulschönheiten um Maya zu spüren.