House of Gucci
Universal

Filmkritik: House of Gucci

Auf seine alten Tage wird Regisseur Ridley Scott nochmal richtig aktiv. 2021 brachte der inzwischen 84-jährige gleich zwei Filme heraus: „The Last Duel“ und „House of Gucci“. Leider und völlig zu Unrecht floppte der erste (zu sehen ab dem 1. Dezember auf Disney+) und verleitete Scott dazu, ein unglückliches Interview zu geben, in dem er die Milennials für den Flop verantwortlich machte. Nun steht sein zweiter Film in den Startlöchern und muss sich dem Publikum stellen. Wird auch die Krimistory nach wahren Begebenheiten beim Publikum scheitern? Oder feiert Scott zumindest mit Lady Gaga und Adam Driver einen Erfolg? Ob der Film das Zeug dazu hat, verrät die Kritik.

Lady Gaga
Patrizia liebt die Partys der späten 70er – und auf einer trifft sie ihren Traummann.

Die Handlung

Italien 1978: Die junge Patrizia Reggiani (Lady Gaga) lernt auf einer Party Maurizio Gucci (Adam Driver) kennen, einen Jura-Studenten – und der Erbe von 50 Prozent des Modehauses Gucci. Zwar interessiert sich Maurizio nicht sonderlich für Mode oder Geschäfte, dafür aber bald umso mehr für Patrizia. Doch Maurizios Vater Rodolfo (Jeremy Irons) glaubt, dass Patrizia nur hinter Maurizios Geld her ist. Und verweigert seinem Sohn die Erlaubnis, seine große Liebe zu heiraten. Doch den zieht es trotz Geldentzugs so sehr zu Patrizia, dass er lieber bei deren Vater als Autowäscher arbeitet, als weiterhin von seiner Liebe getrennt zu sein. Und schließlich mischt sich auch Maurizios Onkel Aldo (Al Pacino) ein, um den Frieden in der Familie wieder herzustellen.

Als Patrizia schließlich als Teil der Familie akzeptiert ist, beginnt sie, sich den momentanen Stand des Modelabels genau anzusehen. Und stellt schnell fest, dass aus der einstigen Nobelmarke regelrechter Ramsch geworden ist. Das will sie in jedem Fall ändern. Also wirkt sie auf Maurizio ein, doch endlich die Verantwortung für das Familienunternehmen zu übernehmen und es nicht länger in den Händen von Aldo und seinem unbegabten Sohn Paolo (Jared Leto) zu lassen. Dabei entwickelt die einstige Sekretärin erstaunliches Geschick, wenn es darum geht, im Hintergrund die richtigen Fäden zu ziehen. Doch das Leben als Chef verändert Maurizio …

Kontroversen zum Film

Mit der Verfilmung der wahren Geschichte des Gucci-Clans über einen Zeitraum von 17 Jahren hat Scott sich nicht nur Freunde gemacht. So haben bereits Teile der Gucci-Familie öffentlich ihren Unmut über die Darstellung ihrer Verwandten im Film geäußert. Vor allem die Rolle Paolos traf bei dessen Nachkommen auf wenig Verständnis. Und das ist auch eines der wenigen Probleme des Films. Angesichts der teilweise fast absurd wirkenden Geschehnisse kann sich Scott nie so ganz entscheiden, ob der einen kalten, bösen Thriller drehen oder doch eine Art Farce aus der Story machen wollte. Elemente beider Ideen treffen in House of Gucci aufeinander – und tun sich gegenseitig nicht gut.

Denn die unterschiedliche Tonalität des Films sorgt immer wieder dafür, dass der Zuschauer aus dem Gefühl gerissen wird, an dass er sich gerade gewöhnt hatte. Einem Könner wie Scott darf man da gern Absicht unterstellen, nur – so richtigen Sinn ergibt es hier nicht. Will er Patrizia nun als liebende Gattin und Mutter inszenieren? Oder doch als eiskaltes Miststück, das für eigene Macht über Leichen ging? Hin und wieder erinnert House of Gucci daher an „I, Tonya“ der einen medienwirksamen Skandal ebenfalls satirisch überspitzt in Szenen setzt. Auch dort bleib einem so manches mal das Lachen im Hals stecken. Doch da die wahre Geschichte im Fall Gucci deutlich düsterer ausfällt, wirkt diese Satire hier in manchen Szenen schlicht deplatziert.

Adam Driver
Der junge Maurizio Gucci interessiert sich wenig für das Familiengeschäft, möchte lieber Anwalt werden.

Grandios gespielt – von fast allen

Das ist aber neben der etwas zu langen Laufzeit von mehr als 150 Minuten auch die einzige Schwäche, die man House of Gucci anlasten kann, wenn man von Jared Leto als großartig maskiertem, aber ständig am Rand der Albernheit balancierender Paolo Gucci einmal absieht. Denn der Cast ist nicht nur auf dem Papier großartig. Lada Gaga spielt die facettenreiche Patrizia ebenso gekonnt mit großem Pathos wie mit kleinen Gesten und Blicken. Zudem schafft sie es glänzend, eine schwerreiche Frau darzustellen, die sich möglicherweise aus Überzeugung oder schlicht wegen schlechten Geschmacks anzieht wie eine Sekretärin. Gaga mit schrillen 80er-Frisuren und Leoparden-Look – das bleibt in Auge und Hirn hängen, auch über den Film hinaus.

Adam Driver ist gewohnt souverän in seiner Darstellung des Maurizio Gucci, der sich vom intellektuellen Schöngeist zum knallharten Geschäftsmann mausert – und von Becky Johnstons Drehbuch dafür auch reichlich Prügel bekommt. Obwohl Scott immer wieder auch sehr emotional inszeniert, so ergreift er doch nie Partie. Und überlasst dem Publikum, bei wem es seine Sympathien festmacht. Dass auch Al Pacino in der Rolle des charismatischen, aber letztlich wenig stilsicheren Aldo beeindruckt, sollte wirklich niemanden verwundern. Ob hier die eine oder andere Oscar-Nominierung herausspringt? Vermutlich.

Al Pacino
Onkel Aldo holt Maurizio zurück in die Familie – und später auch in die Firma. Das erweist sich als Fehler.

Wenig überraschend ist auch, wie optisch stilsicher Scott seinen Film in Szene setzt. Licht, Perspektive und Musik, das geht in House of Gucci in fast jeder Szene eine perfekte Symbiose ein und nimmt den Zuschauer mit in die Discos der späten 70er, die Modenschauen der 80er und 90er sowie die Villen der Reichen und Schönen, mit denen Patrizia Gucci sich gerne umgibt. Hätte Scott sich emotional stärker auf ein Genre gestürzt und das konsequent umgesetzt, House of Gucci wäre wohl noch unterhaltsamer geworden, als er ohnehin schon ist. Dennoch gelingt dem Regisseur etwas, dass er schon sehr langte nicht mehr geschafft hat: zwei richtig gute Filme hintereinander zu drehen.

Fazit:

Mit House of Gucci gelingt Altmeister Ridley Scott zwar nicht sein bester Film seit Jahren, aber dennoch ein sehr guter. Denn die stellenweise fast absurd anmutende und dennoch wahre Geschichte unterhält auch dann glänzend, wenn sich Scott nicht so recht entscheiden kann, ob er einen düsteren Thriller oder doch eine satirische angehauchten Krimi drehen will. Das verdankt er auch seinem umwerfenden Cast um Lady Gaga und Adam Driver. Die beide in keiner einzigen Szene langweilen und eine große Präsenz in dem Film bringen. Lediglich bei einer Sache war sich Scott ganz sicher: Er wollte den Schwerpunkt auf die Intrigen und Wirrungen der Familie legen und nicht auf das Modehaus Gucci. Wer darüber mehr zu erfahren hofft, geht hier weitgehend leer aus.

House of Gucci startet am 2. Dezember 2021 in den deutschen Kinos.

Jared Leto
Kaum zu glauben, aber wahr: Das ist Jared Leto!