I, Tonya

Filmkritik: I, Tonya

Knapp 25 Jahre ist es her, dass die amerikanische Sportwelt von einem ganz besonderen Skandal erschüttert wurde. „I, Tonya“ erzählt nun nach, wie es zu dem Anschlag mit einer Eisenstange auf Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan kommen konnte. Und was ihre Rivalin Tonya Harding wirklich damit zu tun hatte. Das ist sehr viel lustiger, als es sich anhört.

Der australische Regisseur und Produzent Craig Gillespie ist in Hollywood bislang noch nicht wirklich aufgefallen. Das dürfte sich mit I, Tonya nun ändern. Der Film, der sich scheinbar mit der Lebensgeschichte der US-Eisläuferin Tonya Harding beschäftigt, wurde für drei Oscars nominiert, von denen einer an Allison Janney als beste weibliche Nebenrolle ging. Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Film, der die entscheidenden Jahre in der Karriere Hardings nacherzählt?

I, Tonya
Der Beginn: Tonyas Mutter zerrt die Kleine schon mit drei Jahren aufs Eis.

I, Tonya: Die Handlung

Schon mit drei Jahren steht Tonya (Margot Robbie) dank ihrer Mutter LaVona Harding (Allison Janney) auf dem Eis und trainiert für ihren Traum, Eisprinzessin zu werden. Trainerin Diane (Julianne Nicholson) hilft dem kleinen Mädchen so gut sie kann. Aber zwischen dem liebevollen Vater und der kaltherzigen Mutter findet das Mädchen wenig Raum zur Entfaltung. So bleibt Tonya schon mit 15 kaum eine andere Wahl, als sich ganz auf das Eislaufen zu konzentrieren, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 

Als sie eines Tage Jeff (Sebastian Stan) kennen- und lieben lernt, glaubt sich Tonya endlich auf der richtigen Spur. Doch auch Jeff entpuppt sich als weiteres Problem in ihrem Leben. Er schlägt sie nicht nur regelmäßig, sondern versucht auch noch, ihre Karriere nach vorn zu bringen – mit sehr mäßigem Erfolg. Das liegt unter anderen an Jeffs komplett unterbelichtetem Kumpel Shawn (Paul Walter Hauser), der kurz vor den Olympischen Spielen 1994, Tonyas letzter Chance, das Verhängnis ins Rollen bringt …

I, Tonya: Das Lachen bleibt stecken

Darf man über ein derart hartes Leben wirklich lachen? Diese Frage muss man sich als Zuschauer unwillkürlich stellen, denn Tonya Harding hat in ihren ersten 20 Jahren offenkundig mehr Schläge als alles andere bekommen, seien es physische oder seelische Treffer. Und dennoch kommt man nicht umhin, immer wieder zu schmunzeln. Denn Regisseur Gillespie inszeniert diese Momente derart trocken und lakonisch, dass er das Maximum an Humor aus den eigentlich traurigen Szenen herausholt.

Wenn etwa Tonya wieder einmal eine dicke Schicht Schminke auftragen muss, um vor ihrem Eislauf-Auftritt die blauen Flecke im Gesicht zu verdecken, dann tut sie das mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Trauer und Selbstverständlichkeit, dass es tatsächlich für bittere Lacher sorgt. Margot Robbie spielt diese Figur derart gut, dass es ihr immer wieder gelingt, der eigentlichen Witzfigur auch tiefe Tragik zu verleihen, die einem das Lachen oft wieder vergehen lässt. 

I, Tonya
Auch die Ehe mit Jeff bringt Tonya kein Glück.

I, Tonya: Satire in Zartbitter

Gillespies ebenso böser wie witziger Blick in die Niederungen des „Weißen Abschaums“, dessen Stallgeruch Tonya während ihrer gesamten Karriere nicht los wird, ist das Rückgrat des Films. Der Regisseur variiert dazu Interviews, nachgestellte Originalaufnahmen und erzählte Szenen, um das ganze Ausmaß der Situation zu verdeutlichen, in der sich die Hauptfiguren befinden. So ist Tonya im Film stets überzeugt davon, dass sie in keinem Moment ihres Lebens die Schuld an etwas trägt. Gillespie führt den Zuschauer hier geschickt aufs Glatteis, denn er lässt die Grenzen zwischen Fakten und Meinungen der Charaktere verschwimmen.

Und so dürfen wir dem Geschehen zwar vergnügt beiwohnen. Aber eben nichts von dem für bare Münze nehmen, was wir zu sehen bekommen. Was tatsächlich geschah, dazu äußert sich der Film, nicht, lässt nur seine Figuren erzählen, wie sie es sehen. Immer wieder bricht Gillespie dabei auch die vierte Wand auf und lässt sein Helden die Zuschauer direkt ansehen und ansprechen. Das Stilmittel, mit dem „Deadpool“ vor zwei Jahren durchstartete, funktioniert auch bei I, Tonya ganz ausgezeichnet.

Mit einem Biopic oder Sportdrama sollte man den Film aber nicht verwechseln, die beißend-böse Satire zeigt eine böse-lustige Persiflage auf Tonyas Leben – nimmt aber die realen Geschehnisse von damals lediglich als Aufhänger. Wir erfahren hier viel mehr über die US-Gesellschaft. Und ihren Wunsch nach Helden und Schurken als über das Leben der Tonya Harding. Das tut der Qualität des Films aber keine Abbruch.

Fazit:

Ein wunderbar gespielter, bitterböser und doch immer wieder brüllend komischer Blick ins Herz der US-Gesellschaft, die einfach keinen Star aus der Unterschicht wollte. Sebastian Stan und Margot Robbie sind ebenso sehenswert wie Allison Janney und schaffen in I, Tonya spielend die Gratwanderung zwischen anrührenden und lächerlichen Charakteren. Für Fans von realen Geschichten mit dramaturgischen Überhöhungen ein garantierter Spaß.

I, Tonya startet am 22. März 2018 in den deutschen Kinos.

I, Tonya
Jeffs trotteliger Kumpel Shawn löst schließlich die Katastrophe aus.