Der Unischtbare

Filmkritik: Der Unsichtbare

Das Horrorojahr 2020 ist zwar noch jung, hat dem Publikum aber bereits genug durchschnittliche oder schlechte Filme beschert. Die Hoffnung ruht nun auf Leigh Whannell, der nicht nur die drei ersten „Saw“-Teile schrieb, sondern auch alle „Insidious“-Drehbücher. Und mit Teil drei der Geisterreihe auch sein Regie-Debüt gab. Nun bringt er nach „Update“ mit „Der Unsichtbare“ seinen zweiten Film in die Kinos, bei dem er Drehbuch, Regie und Produktion übernahm. Kann er erneut einen überzeugenden Film abliefern?

Eigentlich sollte ja Johnny Depp hier die Titelrolle spielen. Und Der Unsichtbare wäre der zweite Film des neuen „Dark Universe“-Film-Universums gewesen, das Universal auf den Weg bringen wollte. Doch bereits „Die Mumie“, der Auftakt dieses neuen Monster-Universums floppte – und das Thema war so schnell wieder vom Tisch, wie es erschien. Nun backt Universal kleine Brötchen, wollte von der Idee einer Neuauflage des Klassikers aber nicht lassen. Hat sich das für das Studio und die Zuschauer ausgezahlt? Ist Whannells neuer Film gut?

Der Unsichtbare
Nach Jahren des Horrors tritt Cecilia eines Nachts ihre lange vorbereitete Flucht aus dem Haus ihres Freundes an.

Der Unsichtbare: Die Handlung

Cecilia (Elisabeth Moss, „The Handmaiden’s Tale“, „Wir“) flieht mitten in der Nacht aus der Villa ihres schwer reichen, aber psychisch gestörten Freundes Adrian (Oliver Jackson-Cohen, „Spuk in Hill House“). Mithilfe ihrer Schwester Alice (Harriett Dyer) kann sie knapp entkommen. Und lebt danach im Haus des Cops James (Aldis Hodge) und dessen Tochter Sydney (Storm Reid). Doch auch Wochen nach ihrer Flucht traut sich Cecilia kaum weiter aus dem Haus als bis zum Briefkasten. Das ändert sich, als sie die Nachricht von Adrians Selbstmord erhält.

Doch kaum beginnt sie, ihre neue Freiheit zu genießen, da häufen sich seltsame Vorgänge in ihrer Umgebung. Geräusche, die scheinbar aus dem Nichts erklingen, Gegenstände, die nicht mehr an ihrem Platz liegen. Als schließlich fast das Haus von James in Flammen steht, reift in Cecilia die Idee, dass der geniale Wissenschaftler Adrian seinen Tod nur vorgetäuscht und mit seinem Know-How über Licht eine Möglichkeit gefunden haben könnte, sich unsichtbar zu machen. Aber wer sollte ihre eine derart abstruse Geschichte bloß glauben?

Der Unsichtbare: Lupenreiner Thriller

Schon der Anfang überzeugt. Die ersten zehn Minuten, in denen der Film Cecilias Flucht aus der Hochsicherheitsvilla aus Stahl und Glas erzählt, ist spannender als alles, was in diesem Jahr bislang im Kino zu sehen war. Allerdings arbeitet Whannell hier deutlich mehr mit Mitteln des Thrillers (wie im ersten Saw) als mit denen des Horrors (wie in Insidious). Und so geht Der Unsichtbare eigentlich eher als Psycho-Thriller weg denn als klassischer Horrorfilm. Dafür überragt er qualitativ den Rest der bisherigen Kinostarts in Sachen Spannung deutlich.

Virtuos spielt Whannell mit seinen Zutaten und lässt sein Monster auf immer fiesere Ideen kommen, um Cecilias Leben zu zerstören, ohne sie zu töten. Die Hilflosigkeit, die Cecilia angesichts dieser unsichtbaren und unfassbaren Bedrohung erlebt, überträgt sich fast greifbar auf den Zuschauer, der angesichts Whannells Einfallsreichtums trotz der Lauflänge von zwei Stunden kaum einmal Langeweile verspürt. Selbst wenn Whannell gerade einmal nicht darauf aus ist, das Adrenalin des Publikums hochzupeitschen, spinnt er an spannenden Twists.

Der Unsichtbare
Als Cecilia die Nachricht vom Tod Adrians hört, ist sie erst erleichtert. Doch bald kommt die Angst zurück.

Der Unsichtbare: Tolle Moss

Dass sein Film so gut funktioniert, verdankt Whannell aber vor allem seinem Star Elisabeth Moss, die das Kunststück fertig bringt, großartig mit einem nicht sichtbaren Partner zu agieren. Ohne übertriebene Gesten oder Mimik macht sie das Grauen deutlich, das Tag für Tag einen etwas größeren Raum in ihrem Leben einnimmt. Bis sich die Erkenntnis dessen durchsetzt, was nach menschlichem Ermessen gar nicht sein kann. Und Cecilias Kampf, nicht nur um ihr Überleben, sondern auch um ein würdiges Weiterleben nach der Beziehung endlich beginnt.

In der Tatsache, dass Cecilia sich zwar für den falschen Kerl entschieden hat, aber deshalb noch lange kein dummes Mäuschen ist, dass sich den Machtgelüsten ihres Ex-Lovers ergibt, liegt die wahre Stärke von Whannells Script. Obwohl sie Angst hat, denkt Cecilia nicht daran, sich zu fügen. Und sorgt so für einen Spannungs-Sog, dem sich das Publikum kaum entziehen kann. Das unterstützt Whannell mit wenigen, aber perfekt gesetzten Schockmomenten, die selbst der abgebrühteste Thriller-Kenner zum Teil nicht kommen sieht.

Zudem findet Whannell ein Finale, dass ebenfalls so nicht vorherzusehen ist, der grundlegenden Botschaft seines Films aber die passende Krone aufsetzt. Daher darf man mit Fug und Recht Der Unsichtbare als den ersten richtig guten Horror-Thriller 2020 bezeichnen. Zwar lassen sich auch hier einige Kritikpunkte finden, so hätte Whannell die Story sicher auch etwas straffer erzählen können. Und nicht jede Wendung der Geschichte hält einer genauen logischen Überprüfung stand. Das tut der Spannung hier aber keinen Abbruch.

Fazit:

Wer weiß, wie die Zukunft des Dark Universe ausgehen hätte, wenn Universal Der Unsichtbare als ersten Ableger ins Rennen um die Publikumsgunst geschickt hätte. Der edel aussehende und virtuos mit den Stilmitteln des Thrillers spielende Film überzeugt mit einem starken Script, guter Inszenierung und einer großartigen Elisabeth Moss, die den Zuschauer tief in ihren emotionalen Strudel hineinzieht. Das hat deutlich mehr von Hitchcock als von derbem Horror, ist aber dennoch auch für Horrorfans absolut sehenswert.

Der Unsichtbare startet am 27. Februar in den deutschen Kinos.

Der Unsichtbare
Denn Adrian hat offenbar das Ziel, Cecilia in den Wahnsinn zu treiben.