Da 5 Bloods

Filmkritik: Da 5 Bloods

Nach dem Tod des Afro-Amerikaners George Floyd durch Polizeigewalt sind die USA in Aufruhr. Spike Lees neuer Film „Da 5 Bloods“ könnte kaum passender zu Netflix kommen als in dieser Zeit. Denn der schwarze Regisseur, der zuletzt für „BlaKkKlansman“ einen Oscar gewann, ist noch genauso wütend über die Ungleichheit zwischen Schwarz und Weiß in den USA wie zu Beginn seiner Karriere. Und hält mit seiner Meinung auch in seinem Post-Vietnam-Drama nicht hinter dem Berg. Wie gut ist das?

Der Vietnam-Krieg (1955-1975) ist für die USA bis heute aus vielen Gründen ein nationales Trauma. Es war die erste militärische Niederlage der Supermacht, im eigenen Land wurde heftig gegen den Krieg demonstriert und die heimkehrenden Soldaten wurden deshalb auch nicht als Helden gefeiert, sondern als Babymörder beschimpft. Mehr als 1,5 Millionen Vietnamesen und knapp 60000 US-Soldaten ließen ihr Leben und jeder dritte US-GI dort war ein Afro-Amerikaner. Viele Themen also, die sich Spike Lee da aufhalst. Kann er sie stemmen?

Da 5 Bloods
Von wegen alt! Die vier überlebenden Bloods wissen noch immer, wie man eine gute Zeit hat.

Da 5 Bloods: Die Handlung

Vier Soldaten und Freunde aus dem Vietnam-Krieg treffen sich nach 40 Jahren erneut in Saigon. Paul (Delroy Lindo, „The Good Fight“), Melvin (Isiah Whitlock Jr.), Otis (Clark Peters) und Eddie (Norm Lewis) müssen nach den langen Jahren ein Versprechen einlösen, das sie sich einst gaben. Denn gemeinsam mit ihrem Anführer Storming Norman (Chadwick Bozeman) hatten die Vier einst im Einsatz eine große Menge Gold geborgen und heimlich versteckt. Nun wollen sie den Schwur einlösen, das Gold bergen und es einem guten Zweck zuführen.

Otis knüpft deshalb über seine alte Liebe Tien (Y Lan Le) Kontakt zum französischen Geschäftsmann Desroche (Jeno Reno), der fütr einen Anteil das Gold in Bargeld umwandeln und dem Quartett Zugriff auf ein Nummernkonto einrichten soll. Bevor die Männer aufbrechen können, stößt auch noch Pauls Sohn David (Jonathan Majors) dazu, der aus Erzählungen seines Vaters von dem Plan weiß und ebenfalls seinen Anteil fordert. Bald wird aus der gut gelaunten Expedition in den Dschungel allerdings blutiger Ernst …

Da 5 Bloods: Viel Zeit für viele Themen

Mehr als zweieinhalb Stunden Zeit nimmt sich Spike Lee um seine Story zu erzählen, die er gemeinsam mit drei anderen Autoren auch geschrieben hat. Das ist nicht gerade kurz. Und doch braucht Lee diese Zeit für die Vielzahl an Themen, die er in diesen Film packt. Ein Vater-Sohn-Drama. Ein Mann, der geistig nie aus dem Krieg heimgekehrt ist. Eine Liebe, die nicht sein durfte und doch Folgen hatte. Große Ziele, die nicht jeder einhalten kann. Und vieles mehr, das Lee teilweise in nur wenigen Szenen oder Sätzen unterbringt. Und das so gekonnt, dass Da 5 Bloods nie überladen wirkt.

Immer wieder beleuchtet Lee das Thema der schwarzen GIs, die zwar nur gut 10 Prozent der US-Bevölkerung ausmachten, aber fast ein Drittel der Soldaten in Vietnam stellten. Die die Ermordung von Martin Luther Kings aus dem Feind-Radio erfahren müssen. Und auch nach diesem Krieg nicht die Rechte erhalten haben, die ihnen vorher zugesichert worden waren – von den gleichen alten, weißen Männern, die ihre Söhne als untauglich einstufen ließen und zuhause behielten, wie einen gewissen Herrn Trump. Lee ist wütend – und hat einen wütenden Film gemacht.

Da 5 Bloods
Doch auf der Suche nach dem Gold und dem fünften Mann, der Vietnam nicht verlassen hat, brechen alte Wunden wieder auf.

Da 5 Bloods: Starker Stoff mit vielen Anleihen

Allerdings ist der inzwischen 63-jährige Regisseur so erfahren, dass er seine Wut in einer packenden Handlung unterbringt, die vor Reminiszenzen an bekannte Klassiker der Filmgeschichte nur so wimmelt. „Apocalypse Now“ lässt Lee mit dem „Walkürenritt“ von Wagner neu aufleben. Und was als Beinah-Komödie mit vielen Sympathien für die alten Haudegen beginnt, entwickelt sich im Lauf der Zeit nicht nur zu einer klugen Beobachtung über Schuld und Sühne, sondern verbeugt sich auch vor Filmen wie „Deliverance“ und „Das Gold der Sierra Madre“.

Dazu glänzt Da 5 Bloods mit hervorragenden Schauspieler-Leistungen. Allen voran der von Delroy Lindo, der den mit PTSD und tiefer Schuld beladenen Paul mit einer Intensität spielt, die an Humphrey Bogarts Rolle in „Die Caine war ihr Schicksal“ oder Gregory Pecks Darbietung des Captain Ahab in John Hustons „Moby Dick“ erinnert. Schicht um Schicht dringt Lindo weiter in die kranke Seele seiner Figur vor, die im Verlauf des Films nicht nur seinen eigenen Kameraden immer mehr Angst macht, sondern auch dem Zuschauer.

Dazu kommen viele kleine und große Regie-Ideen, mit denen Lee seinen Film veredelt. Ob der Bildformat-Wechsel auf 4:3 bei Rückblenden samt körnigem Bild oder die Einblendungen wichtiger Ereignisse der Geschichte afro-amerikanischer Menschen in den USA – Lee packt seinen Film voller kleiner und großer Momente, die im Gedächtnis bleiben. Meist einmal pro Jahr sorgt Netflix bei sonst häufigem, filmischen Durchschnitt für ein großes Werk wie „Roma“ oder „Marriage Story“. Mit Da 5 Bloods haben sie für 2020 schon ihr Soll erfüllt.

Fazit:

Ein gutes Drehbuch, eine noch bessere Regie und ein Delroy Lindo in der wohl besten Rolle seines bisherigen Lebens: Da 5 Bloods bietet großes Kino bei Netflix, wie man es dort nur selten findet. Spike Lee hat hier viel von seiner Wut, aber auch viel von seinem Können in einen Film gepackt, der trotz seiner Länge von mehr als 150 Minuten nie langweilt. Und seine zahlreichen Themen und Erzählstränge virtuos zusammenhält. Für Filmfans eine tolles Erlebnis, für Cineasten ein absolutes Fest. Lee dürfte damit erneut bei den Oscars eine bedeutende Rolle spielen.

Da 5 Bloods startet am 12. Juni 2020 bei Netflix.

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