Bird Box

Filmkritik: Bird Box – Schließe deine Augen

Netflix ist in diesem Jahr apokalyptisch unterwegs. Mit „Bird Box“ erscheint nach „Auslöschung“, „Cargo“ und „How it ends“ schon der vierte Film beim Streaming-Dienst, der sich mit dem möglichen Ende der Menschheit beschäftigt. Diesmal muss Sandra Bullock um ihr Leben kämpfen und dafür auch noch auf den wichtigsten Sinn des Menschen verzichten. Denn Blickkontakt mit dem Feind ist gleichbedeutend mit dem Tod. Wie gut ist der Thriller mit Starbesetzung?

Viele Eigenproduktionen von Netflix kamen bei Zuschauern nur mäßig an. Liegt es daran, dass der Streaming-Dienst bei Bird Box so viele anerkannte Größen zusammenzog? So ist die dänische Regisseurin Suasanne Bier mit dem Oscar ausgezeichnet worden. Drehbuchautor Eric Heisserer hat unter anderem schon „Arrival“ verfasst, dazu „Lights Out!“ und „The Conjuring 2“. Und Produzentin Barbara Muschietti ist unter anderem für „ES“ verantwortlich. Da kann doch eigentlich nichts schief gehen, oder?

Bird Box
Der Beginn: Rings um Malorie und Jessica spielen die Leute verrückt und töten sich selbst.

Bird Box: Die Handlung

Malorie (Sandra Bullock) ist hochschwanger und fährt mit Schwester Jessica (Sarah Paulson) in die Stadt, um sich untersuchen zu lassen. Doch schon im Krankenhaus häufen sich furchtbare Ereignisse. Scheinbar ohne Grund bringen sich zahlreiche Menschen um, nachdem sie offenbar irgendetwas gesehen haben. Malorie verliert beim Versuch, die Stadt zu verlassen nicht nur ihre Schwester, sondern bleibt auch im Haus von Douglas (John Malkovich) hängen, wo sie mit ein paar anderen Überlebenden versucht, die Situation zu begreifen.

Jahre später lebt Malorie allein mit zwei Kindern und weiß mittlerweile: Wer die geheimnisvollen Wesen sieht, bringt sich entweder sofort um oder wird wahnsinnig und versucht, andere Menschen dazu zu zwingen, die Psycho-Gorgonen anzublicken. Aber sie hat ein Ziel. Den Fluss hinunter soll es eine sichere Zuflucht für Überlebende geben. Mit Augenbinden ausgerüstet, die sie vor den Wesen schützen sollen, wagt Malorie mit den beiden Kleinen in einem Boot eine riskante Flucht über das Wasser – weitgehend blind …

Bird Box: Gruselige Momente

Gleich zu Beginn überzeugt Bird Box am stärksten. Die ersten 15 Minuten des Films sind extrem gelungen, da die völlig unvermittelten Selbstmorde wirklich schockieren. Und von Bier auch gruselig in Szene gesetzt werden. Wenn plötzlich eine Frau ihren Kopf so lange gegen eine Glasscheibe schlägt, bis sie zu Boden sinkt, oder eine andere in ein brennendes Auto steigt, dann sind das harte Bilder. Das gelingt der Regisseurin auch immer wieder im anderen Teil der Story, in dem Malorie und die Kinder auf dem Fluss unterwegs sind. Dazwischen hält sie die Spannung aber nicht durchgehend.

Denn nach starkem Anfang versandet das Überlebensdrama im Haus des feigen und unfreundlichen Douglas zunehmend in vorhersehrbaren Szenen. Was auch daran liegt, dass Autor Eric Heisserer aus den Figuren kaum mehr herausholt als eine Ansammlung von Stereotypen, denen die Reihenfolge, in der sie abtreten, regelrecht auf der Stirn steht – trotz gelungener Szenen wie dem Ausflug in den nahen Supermarkt. Das nimmt derart viel Adrenalin aus dem Plot, dass die Mitte des Films hauptsächlich durch kurze Sprünge in die Zukunft, in denen der Zuschauer die Reise auf dem Fluss zu sehen bekommt, halbwegs spannend bleibt.

Bird Box
Der ängstliche und fiese Douglas bietet den Überlebenden widerwillig eine Zuflucht in seinem Haus.

Bird Box: Viele Fragen, keine Antworten

Und wer sich bei einem Film wie How it ends schon darüber aufgeregt hat, dass es zum möglichen Ende der Welt wenig bis keine Erklärungen gibt, sollte auch um Bird Box einen weiten Bogen machen. Denn wie die Romanvorlage interessiert sich der Film ausschließlich dafür, wie sich die Überlebenden mit der Situation arrangieren, gibt aber keinerlei Auskunft darüber, was die Bedrohung nun genau ist oder woher sie kommt. Bird Box ist in weiten Teilen ein Road-Movie und kein Sci-Fi-Thriller.

Dass der Film unter dem Strich dennoch sehenswert ist, liegt auch an der starken Kameraarbeit von Salvatore Totino („Spider-Man: Homecoming“), der immer wieder interessante Bilder dafür findet, eine unsichtbare Bedrohung ansprechend unheimlich in Szene zu setzen. Zwar nutzt sich das aufwirbelnde Laub, dass die Anwesenheit eines der Monster symbolisiert, im Lauf des Films ein wenig ab, aber gerade im starken Finale erzeugt der Film auch dadurch nochmal echte Angst um die Kinder, die mit Sandra Bullocks Charakter trotz weniger Screentime das emotionale Herz der Story bilden.

Denn dass sich Malorie nicht einmal erlaubt, den Kindern Namen zu geben (sie heißen „Junge“ und „Mädchen“) zeugt von dem Schmerz des Verlustes, vor dem sie mehr Angst hat als vor dem eigenen Tod. Und sich daher nur sehr vorsichtig eine Bindung zu ihren Kindern gestattet. In diesen Momenten berührt der Film am meisten. Letztlich muss man sich fragen, ob die Entscheidung Susanne Biers und Eric Heisserers, einen Roman zu verfilmen, der auf der wichtigsten Ebene des Kinos – dem Bild – nur schwer funktionieren kann, wirklich eine gute Idee war. Denn was als Roman gruselig sein kann, ist als Film wenig überraschend problematischer umzusetzen.

Fazit:

Bei Bird Box stellt sich die Frage, ob das in Szene setzen einer unsichtbaren Bedrohung tatsächlich adäquat verfilmt werden kann. Denn Regisseurin Susanne Bier und Drehbuchautor Eric Heisserer, eigentlich Könner auf ihrem Gebiet, tun sich nach starker Auftakt-Viertelstunde bis zum ebenso starken Finale doch schwer damit, die Spannung über den gesamten Film hoch zu halten. Dazu beantworten sie keine der Fragen, die der Film aufwirft, sondern beschränken sich auf den Überlebenskampf der Protagonisten. Und so ist Bird Box ansehnlich, aber nicht richtig gut.

Bird Box startet am 21. Dezember 2018 bei Netflix.

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Bird Box
Jahre später versucht Malorie, ihre beiden Kinder an einen sicheren Ort zu bringen – ohne etwas sehen zu können.