Britt Robertson
Disney

Filmkritik: Books of Blood

Clive Barker galt in den 80er Jahren als die große neue Hoffnung des Horrors, gleich neben dem Herrscher Stephen King. Vor allem sein Talent, das Schema von Gut und Böse aufzubrechen und manche seiner Geschichten aus der Perspektive der vermeintlichen Monster zu erzählen, brachte ihm Ruhm und Anerkennung in der Horror-Szene. Auch als Regisseur machte er sich in dieser Zeit mit „Hellraiser“ und „Nightbreed“ einen Namen. Doch Barker widmete sich literarisch danach oft Dark Fantasy-Themen und verließ sein Kerngeschäft ein wenig. Es wurde ruhiger um ihn, obwohl er noch immer eine Horror-Ikone ist. Bei Disney+ startet mit dem Anthologie-Film „Books of Blood“ ein neuer Versuch, Barkers Frühwerk filmisch zu adaptieren. Wie gut hat das funktioniert?

Books of Blood
Jenna ist mit den Nerven am Ende. Kann der Aufenthalt in Ellies kleiner Pension ihr helfen, zur Ruhe zu kommen?

 Die Handlung

Jenna

Die junge Jenna (Britt Robertson) leidet seit langer Zeit unter Depressionen und Angstzuständen infolge eines schlimmen Vorfalls in der High School. Weil ihre Mutter sei deswegen einweisen lassen will, schnappt sich die junge Frau Geld und verschwindet aus dem Haus. Weil sie ständig einen Stalker sieht, der sie verfolgt, steigt sie zu früh aus dem Bus nach Los Angeles und findet sich in der Provinz wieder. Dort quartiert sie sich in der Pension eines netten alten Ehepaares ein. Doch dort gibt es eine merkwürdige Kakerlaken-Plage …

Simon

Die Wissenschaftlerin Mary (Anna Friel) ist am Boden zerstört, seit vor einigen Monaten ihr kleiner Sohn Miles an Krebs gestorben ist. Da taucht eines Tages ein junger Mann namens Simon (Rafi Gavron) in ihrem Büro auf und behauptet, ein Medium zu sein, das mit den Toten in Kontakt steht. Vor allem mit Marys Sohn Miles, der sich ganz in ihrer Nähe aufhält und unbedingt mit ihr sprechen will. Mary geht auf das Experiment ein – mit verblüffendem Ergebnis …

Bennett

Gangster Bennett (Yul Vazquez) ist nicht zimperlich, wenn es ums Geschäft geht. Weil ein Buchhändler seine Schulden nicht zahlen kann, verrät der Bennett das Versteck eine ungemein wertvollen Buches. Bennett tötet ihn dennoch, plant aber mit Kollege Steve (Andy McQueen), sich den Schatz zu holen, der in einer verlassen Kleinstadt auf ihn wartet. Doch Bennett findet dort viel mehr, als er erwartet hatte …

Nur zwei von drei

Gleich zu Beginn müssen Fans des Autors eine bedauerliche Nachricht zur Kenntnis nehmen. Obwohl Barkers Bücher des Blutes in sechs Bänden insgesamt 30 Kurzgeschichten beinhalten, haben die Filmemacher es nicht geschafft, drei zu finden, die sie für eine Verfilmung für gut genug hielten. Und so stammt die Story um Jenna nicht aus der Feder des britischen Schriftstellers, sondern von Brannon Braga und Adam Simon. Braga, der bislang hauptsächlich als Star Trek-Autor und Produzent in Erscheinung trat, hat bei Books of Blood auch Regie geführt. Horrorerfahrung sammelte Braga lediglich bei der von ihm mitentwickelten Serie „Salem“. Und ein wenig merkt man dem Film auch an, dass er von einem erfahrenen TV-Regisseur und Autor, nicht aber von einem Horrorspezialisten gedreht wurde.

Denn obwohl hier und da durchaus auch ein blutiger Effekt im Film auftaucht, fehlt ihm doch vor allem die Barker-typische Abgründigkeit. Die Produktion wirkt für die Umsetzung von Barker-Material schlicht ein wenig zu glatt und brav. Der Meister selbst hätte wohl deutlich rabiatere Bilder auf den Bildschirm gebracht. Wobei der Film für den in den USA wichtigen Disney-Streamingdienst Hulu produziert wurde und deshalb eine Einflussnahme auf den Gore-Gehalt des Films durchaus vorstellbar ist. Dennoch: Was Clive Barkers Horror von anderen unterscheidet, das haben Braga und Simon nicht unbedingt überrissen.

Anna Friel
Medium Simon gibt Wissenschaftlerin Mary Hoffnung, mit ihrem toten Sohn sprechen zu können.

Wenig Barker, viel Durchschnitt

Immerhin adaptiert Braga die mittlere Geschichte relativ eng am Original, auch wenn in der Kürze der Zeit nicht jede Facette der Story den Weg in den Film findet. Aber schon Story Nummer 3, die in den Büchern als Fortsetzung von Book of Blood gilt, erzählt seinen Inhalt sehr frei und hat lediglich das Finale gemein mit der Kurzgeschichte. Zugute halten muss man Braga und Simon immerhin, dass ihre selbst geschriebene Story um die junge Jenna mit einem Schluss aufwarten kann, der den Geist von Barkers Werk ganz gut trifft. Den Fans wäre eine echte Barker-Story vermutlich trotzdem lieber gewesen.

Positiv zu erwähnen ist auch das Casting der Rollen. Mit ihren großen Kulleraugen erweckt Britt Robertson sofort den Beschützerinstinkt im Zuschauer und zieht ihn so schnell und direkt in die Geschichte hinein. Anna Friel nimmt man jederzeit die von Trauer überwältigte und dennoch kluge Wissenschaftlerin ab, die sich trotz vermeintlich besseren Wissens an einen Strohhalm der Hoffnung klammert. Und Yul Vazquez ist als über Leichen gehender Gangster ebenfalls gut besetzt. Da aber die zweite und dritte Story zusammen nicht so viel Zeit bekommen wie die erste, leiden die Darbietungen dort schlicht ein wenig unter Zeitmangel – die Charaktere erreichen nie die tiefe, um sie wirklich interessant zu machen.

Typische TV-Produktion

Books of Blood
Killer Bennett hatte seinen Besuch in einer Geisterstadt vorher nicht so buchstäblich erwartet.

So ist Books of Blood vor allem für Barker-Fans eine kleine Enttäuschung, denn sonderlich viel Typisches oder Bekanntes ist hier nicht zu sehen. Es gibt ein paar derbe Momente, aber es kommt beim Ansehen viel zu oft ein TV-Seriengefühl auf. Dabei hätten sich alle drei Stories durchaus angeboten, etwas expliziter erzählt zu werden, als Braga das hier getan hat. Immerhin kann sich Darstellerin Britt Robertson nun damit brüsten, sowohl in einer Stephen King-Adaption („Under the Dome“) als auch in einer Cliver Barker-Verfilmung dabei gewesen zu sein. Denn auch wenn die Schauspielerin oft nur mit Love-Storys in Verbindung gebracht wird, hat sie schon einige Horrorfilme in ihrer Vita.

Fazit:

Brannon Bragas Books of Blood ist zwar keine Katastrophe, wird in den meisten Momenten dem Werk Clive Barkers aber auch nicht wirklich gerecht. Zu harmlos, zu unspektakulär inszeniert und die längste Story der Anthologie nicht einmal von Barker – da sind die Fans des Autors zurecht nicht sonderlich beeindruckt. Die Schauspieler schlagen sich zwar wacker, können dem oft auf TV-Niveau agierenden Film aber auch keine entscheidenden Impulse verleihen. Für die ebenfalls für Hulu produzierte Neuauflage von Barkers Hellraiser verheißt das nicht unbedingt Gutes. Weitere Anthologien mit Barker-Material sind auch nicht angekündigt. Books of Blood ist kein komplett missglücktes Experiment, aber auch kein Film, zu dem man sich dringend eine Fortsetzung wünscht.

Books of Blood startet am 29. Oktober 2021 bei Disney+ (Star).

Books of blood
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