David Bruckner ist ein Horror-Regisseur, der sich eigentlich auf Anthologien spezialisiert hat. Bereits in seinem ersten Film „The Signal“ drehte er eine von drei Episoden. Auch zu den Episodenfilmen „VHS“ und „Southbound“ trug er je einen Abschnitt bei. Aus der Episoden aus VHS, in der es um einen weiblichen Dämonen ging, wurde 2016 mit „Siren“ sogar ein ganzer Film. Ein Jahr später lieferte er dann mit „The Ritual“ die Verfilmung eines Horror-Romans ab, der zu Netflix kam und dort bei vielen Fans gut ankam. Seine bislang letztes Werk „The House At Night“, oder wie er im Original hieß „The Night House“, stellte er Anfang 2020 vor. Nun ist der Film bei Disney+ gelandet. Kann Bruckner damit an alte Qualitäten anknüpfen? Das verrät die Kritik.
Die Handlung
Beth (Rebecca Hall) hat gerade ihren Mann Owen (Evan Jonigkeit) beerdigt und kehrt nun in ihr gemeinsames Haus an einem kleinen See zurück. Owen war dort mit dem Boot hinausgerudert und hatte sich in den Kopf geschossen. Beth, die eher zu dunklen Gedanken neigt als ihr Mann, ist am Boden zerstört und gibt sich die Schuld an seinem Tod. Irgendwie, so glaubt sie, hat sich ihre dunkle Energie auf ihren Mann übertragen, und der konnte damit nicht länger leben. Entgegen dem Rat ihrer besten Freundin Claire (Sarah Goldberg) bleibt sie in dem Haus und hat bald seltsame Träume, in denen sich eine unsichtbare Gestalt bei ihr aufhält und offenbar versucht, mit ihr in Kontakt zu treten.
Auf der Suche nach Möglichkeiten, mit dem Geist Owens zu interagieren, durchsucht Beth die Sachen ihres Ehemannes gründlicher – und stößt dabei auf beunruhigende Dinge. So findet sie Fotos von anderen Frauen auf seinem Smartphone und seinem Laptop. Hat ihr Mann ein Doppelleben geführt, von dem Beth all die Jahre nichts ahnte? Die Antworten, die sie findet, sind deutlich erschreckender, als die Witwe sich das in ihrem schlimmsten Träumen ausgemalt hätte …
Atmosphärischer Grusel
Zu Beginn seiner Karriere griff David Bruckner gern auf blutige Spezialeffekte zurück, um sein Publikum ordentlich zu erschrecken. So ist seine VHS-Episode „Amateur Night“ recht derbe geraten. Auch in The Ritual setzt Bruckner noch einige blutige Schockmomente. Mit The House At Night betritt er nun neue Pfade, denn um Blut oder harte Effekte geht es hier nicht. Stattdessen verfilmt er das Drehbuch von Ben Collins und Luke Piotrowski, beide Horror-Spezialisten, als Mystery-Plot, in dem die Frage nach Realität und Einbildung lange als Thema im Raum steht. Denn Bruckner erzählt Beths Story absichtlich uneindeutig. Und so bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich eigene Gedanken zu machen, was genau er da eigentlich zu sehen bekommt.
Denn Beths Trauer und ihr Schmerz über die neu entdeckten, dunklen Seiten ihres toten Ehemannes könnten durchaus alle nur in ihrem Kopf stattfinden und ein Ventil für ihre Psyche sein, um die Situation besser zu ertragen. Doch auch die Anwesenheit eines Geistes schließt Bruckners Inszenierung nicht aus. Geschickt spielt der Regisseur dabei sowohl mit der Erwartungshaltung des Publikums als auch mit der Situation, in der solche Halluzinationen durchaus glaubwürdig wären. The House At Night bezieht seines Spannung lange Zeit aus dieser besonderen Konstellation, ehe er sich nach einer guten Stunden doch langsam offenbaren muss, in welche Richtung der Plot tatsächlich geht.
Rebecca Hall trägt den Film
Das erinnert ältere Zuschauer und Fans des Genres durchaus nicht ganz unberechtigt an „Schatten der Wahrheit“ mit Michelle Pfeiffer und Harrison Ford aus dem Jahr 2000. Bruckners Film biegt bei einigen Parallelen dann aber doch noch in eine andere Richtung ab. Dass The House At Night so gut funktioniert und seine Schrecken nicht verliert, liegt zu einem guten Teil Rebecca Hall, die die ganze Gefühlspalette der jungen Witwe herausragend spielt. Denn Bruckners Möglichkeiten, ein Grauen zu zeigen, das man nicht sehen kann, beschränkt sich auf Halls Gesicht im Angesicht der Ereignisse. Und die Panik ihrer Figur transportiert Hall sehr direkt und packend an den Zuschauer.
Brillante Bilder
Aber auch Bruckners Kamerafrau Elisha Christian leistet in The House At Night exzellente Arbeit. Denn ihr gelingt es, gruselige Momente zu erzeugen, indem sie die Kamera – und damit das Auge des Betrachters – in genau die richtige Perspektive bringt, um Dinge zu zeigen, die es eigentlich nicht geben sollte. Natürlich helfen hier Spezialeffekte ein wenig nach. Doch im Kern sind es die Blickwinkel, die Beths Panik mehr als erklärlich machen. Und eine Atmosphäre erzeugen, von der der Film in weiten Teilen lebt. Denn die eigentlich Story, wie sie sich am Ende präsentiert, ist gar nicht so reich an Überraschungen und Twists, wie man zu Beginn des Films vielleicht denkt. Doch Bruckner verkauft diese Geschichte mit maximaler Spannung und nutzt dabei immer wieder Spiegel als Bild für den Zustand der Seele – oder etwas anderes.
Und so werden bei The House At Night vor allem Fans von Geistergeschichten und atmosphärischem Horror auf ihre Kosten kommen. Zwar erfindet Bruckner hier nur wenig neu, bringt aber dennoch frischen Wind in so manches ausgelutschte Klischee und erzählt eine sehr viel dunklere Story, als der Zuschauer das am Anfang erwarten würde.
Fazit:
Mit The House At Night legt Horrorspezialist David Bruckner einen atmosphärisch dichten Geister-Grusler, der mit wenigen gezielten Effekten und einer grandiosen Rebecca Hall eine ungewöhnliche und unheimliche Geschichte erzählt. Geschickt lässt er den Zuschauer lange im Dunkeln, legt falsche Spuren aus, um dann mit dem starken Finale Grundängste zu schüren, wie man es in einem Spuk-Horror lange nicht gesehen hat. Ein Film, der mit seiner erschreckenden Botschaft nachwirkt und sich nicht so einfach abschütteln lässt. Zuschauer, für die Horror vor allem aus blutigsten Bildern und Effekten besteht und die mit Atmosphäre wenig anfangen können, ist The House At Night aber definitiv nicht der richtige Film.
The House At Night startet am 27. Oktober 2021 bei Disney+.