Norwegen hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit Filmen hervorgetan, die international Beachtung gefunden haben. Für den Horrorfilm gilt das zwar nur sehr eingeschränkt, aber Genre-Perlen wie der Fun-Splatter „Dead Snow“ oder der unangenehme „The Innocents“ zeugen davon, dass auch im Norden Europas Genre-Kino gedreht wird. Nun hat sich Netflix den 2022 entstandenen „Viking Wolf“ geschnappt und ins Programm genommen. Worum es hier geht, verrät bereits der Titel. Was der Film sonst noch bietet und ob sich für Horrorfans das Einschalten lohnt, klärt die Kritik.
Die Handlung
Die 17-jährige Thale (Ellie Rhiannon Müller Osborne) ist mit ihrer Familie gerade erste in eine Kleinstadt gezogen, in der ihre Mutter Liv (Liv Mjönes) eine Stelle als Polizistin bekommen hat. Während sich ihre taubstumme kleine Schwester Jenny (Mia Fosshaug Laubacher) sich schnell eingelebt hat, tut sich Thale schwer. Auch, weil sie sich mit dem neuen Lebensgefährten ihrer Mutter nicht sonderlich gut versteht. Da kommt die Einladung ihres Klassenkameraden Jonas (Sjur Vatne Brean), mit ihm und ein paar anderen in der Nähe an einer kleinen Bucht abzuhängen, gerade recht. Dabei macht sich Thale aber nicht nur Freunde, denn Elin (Silje Öksland Krohne), die Tochter der Bürgermeisterin, hat ein Auge auf Jonas geworfen und ist über seinen Flirt mit Thale nicht sonderlich glücklich.
Doch das alles wird schnell bedeutungslos, als plötzlich ein unbekanntes Wesen über Elin und Jonas herfällt und auch Thale verletzt, als sie den beiden zur Hilfe eilen will. Während Thale und Jonas mit Blessuren und einem Schrecken davonkommen, wird Elin in den Wald gezogen und wenig später tot aufgefunden. Die Polizei steht vor einem Rätsel, geht aber zunächst von einem wilden Wolf aus, der möglicherweise als Einzelgänger lebt und Geschmack an der Nähe des Menschen gefunden hat. Als sich eine Gruppe Jäger mit der Polizei gemeinsam auf die Suche macht, entdecken sie allerdings eine wesentlich furchterregendere Wahrheit. Währenddessen stellt Thale fest, dass seltsame Veränderungen in ihr vorgehen …
Im Norden nichts Neues
Auch wenn es die eine oder andere Abweichung gibt, so steht über Viking Wolf doch in großen Buchstaben „American Werewolf“. Regisseur und Drehbuch-Co-Autor Stig Svendsen variiert in seinem Film alle wichtigen Ideen des Klassikers von John Landis, lässt allerdings den schwarzen Humor des Vorbilds komplett aus und erzählt eine komplett ernsthafte Werwolf-Geschichte. Und das ist hier wahrlich kein Spoiler, macht Svendsen doch schon in der ersten Minute seines Films deutlich, worum es in Viking Wolf gehen wird, wenn er die Ursprünge des Geschehens voranstellt. Wie in American Werewolf hält sich auch Svendsen zu Beginn der Story allerdings an die Regel, die Steven Spielberg mit „Der weiße Hai“ etablierte: Zeige dein Monster nicht zu früh!
Und so dauert es etwa 45 Minuten, bis der Horrorfan endlich einen Blick auf den norwegischen Werwolf werfen darf – und angesichts des Budgets, das sicher mit einer Hollywood-Produktion nicht mithalten kann – auch nicht enttäuscht wird. Schlimmer ist es da schon, dass Svendsen bis zu dieser Stelle vor lauter Storyaufbau kaum Spannung erzeugt. Was sicher auch daran liegt, dass erfahrene Horrorfans die Blaupause des Originals deutlich hindurchschimmern sehen. Und Viking Wolf daher in jeder Minute komplett vorhersehbar ist. So originell American Werewolf durch den Humor auch ist, die Geschichte des seinen Trieben ausgelieferten menschlichen Wolfs gibt in Sachen Variation einfach sehr wenig her.
Ordentlicher B-Movie
1941 etablierte der Lon Chaney-Klassiker „The Wolfman“ die Weitergabe des Fluches durch den Biss eines Werwolfs in ein Opfer, das die Attacke überlebt. Und seitdem ist keinem Regisseur oder Autor hier eine bahnbrechende Neuerung eingefallen, lässt man eher an Fantasyromanen orientierte nette Werwölfe einmal außen vor. Und so krankt auch Viking Wolf ein wenig daran, dass hier nicht eine frische Idee zu sehen ist. Immerhin inszeniert Svendsen zumindest einen spannenden dritten Akt, in dem er gekonnt mit dem Emotionen des Publikums spielt. Und wenn es zur Sache geht, hat Viking Wolf durchaus ordentlich Effekte zu bieten, wenn auch Gewaltexzesse wie im bislang letzten „Texas Chainsaw Massacre“ nicht zur Ausstattung gehören.
Zwar stammt der Werwolf deutlich sichtbar aus dem Computer, aber Svendsen nutzt an vielen Stellen auch handgemachte Effekte und stellt somit auch Horrorfans zufrieden, die mehr als ein wenig Blut sehen wollen. Allerdings kann Viking Wolf einen leichten Billig-Look nie ganz ablegen. Wer sich also auf den norwegischen Horror einlassen will, muss in Sachen Optik Abstriche machen. Und auch die erste recht langweilige Hälfte überstehen, bis Viking Wolf endlich mal seine Zähne zeigt. Dann aber deutlich stärker auf Horror setzt als zuletzt Horror-Komödien wie „Werwolves Within„. Wer den skandinavischen Werwolf-Reißer mag: Viking Wolf lässt sich für mögliche Fortsetzungen mehr als nur ein Türchen offen.
Fazit:
Mit Viking Wolf bietet Netflix Horrorfans einen ebenso vorhersehbaren wie ernsthaft erzählten Werwolf-Film. Zwar kann Regisseur Stig Svendsen nichts Neues erzählen und orientiert sich mehr als deutlich am Klassiker American Werewolf. Aber für sein kleines Budget liefert der Film ordentlich ab und bietet vor allem in der letzten halben Stunde ansprechende Spannung und auch die eine oder andere Gewaltspitze. Für einen kleinen Horrorsnack zwischendurch ist der skandinavische Blick auf das bekannte Motiv also durchaus geeignet. Wer allerdings mehr erwartet, als handwerklich gut gemachten, aber inhaltlich total generischen Creature-Horror, dürfte wohl enttäuscht werden.
Viking Wolf startet am 3. Februar 2023 bei Netflix.