What If

Serienkritik: What If?

Die vermutlich vorletzte Marvel-Serie, die in diesem Jahr bei Disney+ startet („Hawkeye“ kommt im November), ist in mehr als einer Hinsicht etwas Besonderes. So ist sie animiert, was angesichts ihres Inhalts mehr als sinnvoll ist. Es ist eine Anthologie, also haben die einzelnen Folgen nichts miteinander zu tun, sondern stehen für sich. Und sie bieten Alternativ-Versionen von Ereignissen, die zahllose Fans aus dem MCU kennen. Disney+ stellte vorab drei der zehn Episoden von Staffel eins zur Sichtung zur Verfügung. Worum es bei „What If …?“ genau geht, welche Überraschungen auf die Fans warten und wie gut die Qualität ist, klärt die Kritik.

Captain carter
Captain Carter und die Howling Commandos kämpfen gegen Nazis – natürlich mit Bucky Barnes.

Die Handlung

Im Marvel-Comic-Universum gibt es ein Volk, dass sich die Beobachter nennt. Einer von ihnen hat seit ewigen Zeiten die Erde im Auge und erzählt in What If Geschichten, die so nicht passiert sind, aber hätten passieren können. Daraus ergeben sich neue Blickwinkel auf bekannte Ereignisse und Helden.

Episode 1: Captain Carter

Weil Steve Rogers kurz vor seiner Umwandlung zum Supersoldaten von einem Spion verletzt wird, muss Peggy Carter einspringen und lässt die Prozedur über sich ergehen. Als Captain Carter kämpft die brünette Britin nun mit dem Schild, das Howard Stark schuf, gegen die Nazis und den Red Skull …

Episode 2: Ein anderer Starlord

Es ist nicht Peter Quill, den Yondus Leute von der Erde entführen, sondern der von Wakandas Isolationspolitik gelangweilte junge T’Challa. Jahre später tritt er als bekannter Ravanger Star-Lord gegen die Machenschaften des Collectors an …

Episode 3: Keine Avengers auf der Erde

Bevor Nick Fury das mächtigste Heldenteam der Erde zusammenraufen kann, wird ein potenzielles Mitglied nach dem anderen von einer geheimnisvollen Macht getötet. Wer steckt hinter dem Komplett, die Avengers zu töten?

Weitere Inhalte sind noch nicht genau bekannt, allerdings gibt es eine liste von Charakteren, die noch vorkommen. So wird es eine Episode mit Marvel-Zombies geben, auch eine Folge mit Thor als Hauptfigur scheint noch zu kommen Auch eine Dr. Strange-Folge ist sicher. Die meisten Schauspieler aus dem MCU haben ihre Figuren auch in What If gesprochen, allerdings nicht alle. Prominente fehlende Stimmen sind Robert Downey Jr. Chris Evans und Scarlett Johansson – zumindest im englischen Original.

Aus den Comics ins MCU

Neu ist die Idee von What If nicht, schon seit den 70er Jahren gab es immer wieder Comic-Reihen dieses Namens, insgesamt 13. Darin wurden und werden, ganz wie in der TV-Serie, große Momente des Marvel-Universums variiert. So gab es eine Story darüber, dass eine andere Figur die Kräfte von Spider-Man erhält oder was geschehen wäre, wenn Peter Parker Mitglied der Fantastic Four geworden wäre. Die zehnteilige, erste Staffel der TV-Serie bezieht sich natürlich nicht auf die Comics, sondern auf das MCU. Und behält eine wichtige Eigenschaft der bisherigen Marvel-Filme und Serien bei: den Humor. Wenn beispielsweise Thanos als Teil der Ravanger-Crew immer wieder von seinen Plänen zur Vernichtung des halben Universums erzählt und alle sich darüber lustig machen, ist das für Kenner des MCU schon sehr witzig.

Grundsätzlich gilt: Je mehr Filme und Serien bekannt sind, desto mehr Anspielungen und Witze wird der Zuschauer verstehen. Komplette Neulinge im MCU dürfte What If deshalb auch weitgehend kalt lassen. Wer die Vorbilder nicht kennt, wird diese zum Teil sehr originellen Variationen der Storys auch nicht zu schätzen wissen. Wer allerdings den Durchblick hat, wird dafür mit vielen Insider-Gags und Anspielungen belohnt.

Starlord
Star-Lord alias T’Challa zeigt dem Collector die Grenzen auf – oder doch nicht?

Starke Ideen in eigener Optik

Natürlich sind die meist etwa 20 Minuten langen Episoden kein Ersatz für die Originalstorys und raffen die Vorlagen arg zusammen. Dennoch schrieben die Autoren in jeder Folge einige starke Szenen, die die Grundidee der Serie – das Aufzeigen der großen Konsequenzen bei Änderungen von Details – gut herausarbeiten und einfach Spaß machen. Dabei sollte man allerdings nicht immer ein Happy-End erwarten. Und das MCU ist auch nicht die einzige Quelle, aus der die Autoren ihre Inspiration bezogen. So enthält beispielsweise Captain Carter eindeutig eine Verbeugung vor del Toros „Hellboy“ und Lovecrafts Cthulhu-Mythos. Insgesamt liefern die Autoren hier starke Ideen ab, die das MCU um interessante Aspekte erweitern.

Stilistisch sind die Folgen aus einem Guss und erinnern im Look ein wenig an Spiele-Grafiken im Stil des „Cel-Shading„. Das ist ein ganz besonderer Grafikstil, der vor allem durch kräftige Außenlinien der Figuren definiert ist. Für Fans ist es sicher ungewohnt, ihre Helden zum ersten Mal als Trickfilm zu sehen, Comic-Leser hingegen dürften mit dem Look weniger Probleme haben. Auch wenn der Stil nicht unbedingt eng an klassische Comic-Optik angelegt ist. Die vor längerer Zeit in Aussicht gestellte unterschiedliche, künstlerische Bearbeitung der einzelnen Folgen ist nach drei Episoden hingegen nicht zu sehen, der Look der Serie bleibt gleich.

What If
Marvels Multiverse-Experte: Natürlich bekommt auch Doctor Strange einen Auftritt in What If.

Und die Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt, also nach „Loki“ und vor „Doctor Strange 2“, ist absolut sinnvoll, denn What If stellt einen gelungenen Ausblick darauf dar, auf was sich die Fans in einem Multiversum so alles einstellen können. Schon die Bandbreite der ersten drei Folgen zeigt das deutlich auf. Wer sich also von der Animations-Optik der Serie nicht abschrecken lässt, für den ist What If eigentlich ein Pflichttermin.

Fazit:

Wer sich als glühender Fan des MCU sieht, für den ist What If nicht weniger als ein Geschenk. Denn die seit bald 50 Jahren funktionierende Grundidee aus den gleichnamigen Comics passt auch sehr gut ins MCU. Die Variationen an Charakteren und Handlungen, die gleichzeitig vertraut und doch frisch daherkommen, sind ein großer Spaß für Marvel-Fans und auch optisch schön anzuschauen. Dass sich im Original viele Schauspieler bereit erklärt haben, ihre MCU-Rollen auch in der Serie einzusprechen, ist da nur die Sahne auf der Torte. Eine zweite Staffel ist bereits in Arbeit.

What If …? startet am 11. August 2021 mit wöchentlich einer neuen Folge bei Disney+.

Nick Fury
Wer will potenzielle Avengers töten? Das fragen sich Nick Fury und Hawkeye. Und: Werden sie überleben?