The Alienist

Serienkritik: The Alienist

Die zehnteilige Serie „The Alienist“, deren Senderechte für Europa sich Netflix sicherte, erzählt von der Jagd auf einen Serienkiller im New York des Jahres 1896. Daniel Brühl spielt darin Dr. Laszlo Kreizler, den namensgebenden Psychologen, dessen Berufsstand von der damaligen Gesellschaft als Alienist bezeichnet wurde. Allerdings bietet die Serie, die auf einem Roman basiert, weit mehr als nur einen Krimiplot.

1994 erschien der erste von mehreren Romanen von Caleb Carr um den Psychologen Dr. Kreizler, der mit seinen modernen Ansichten zur Psyche des Menschen Verbrechen aufklärt. Dieses Buch, das ebenfalls The Alienist heißt (dt. Die Einkreisung), wurde 1995 in den USA als bester erster Roman eines Autors ausgezeichnet. Kann die Serie, die ursprünglich vom kleinen Pay-TV-Sender TNT produziert wurde und dort bereits im Januar lief, ebenfalls überzeugen?

The Alienist
Zeichner John Moore, Sekretärin Sara Howard und Dr. Laszlo Kreizler jagen einen Killer, der Jungen tötet und verstümmelt.

The Alienist: Die Handlung

Dr. Laszlo Kreizler (Daniel Brühl) schickt seinen Freund, den Zeitungszeichner John Moore (Luke Evans), zur Fundstelle einer Leiche. Moore soll dort Bilder des Opfers anfertigen. Und die drehen ihm fast den Magen um, denn es ist ein Junge, der dort oben auf einer Brücke liegt, bestialisch getötet und verstümmelt. Bald stellt sich heraus, dass er in Frauenkleidern männlichen Kunden sexuelle Wünsche erfüllte. Während der korrupte Captain Connor (David Wilmot) den Fund am liebsten totschweigen würde, ist der neue Chef der Polizei Theordore Roosevelt, der spätere Präsident der USA, an der Aufklärung interessiert – und schaltet Kreizler inoffiziell in die Ermittlungen ein.

Der ist bald der Meinung, dass der Täter nicht das erste Mal gemordet hat – und es bald wieder tun wird. Mit Moore, der jungen Sara Howard (Dakota Fanning), die als Sekretärin Roosevelts arbeitet, und den jungen jüdischen Detectives Lucius (Matthew Shear) und Marcus Isaacson (Douglas Smith) beginnt Kreizler seine Ermittlungen. Während die Isaacsons auf neue forensische Methoden setzen, um Beweise zu finden, versenkt sich Kreizler in die Psyche des Mannes, der die Kinder tötet. Doch der ungewöhnliche Wissenschaftler stößt mit seinen Methoden nicht überall auf Verständnis …

The Alienst: Jack the Ripper lässt grüßen

New York, das (noch) aussieht wie das victorianische London, ähnliche gekleidete Einwohner und ein Serienkiller, der blutig Prostituierte ermordet. Man müsste schon sehr beschränkt sein, um die offensichtliche Inspiration des Romans – und damit auch der Serie – nicht zu sehen: die Ripper-Morde. Doch bei allen Parallelen gibt es auch signifikante Unterschiede, die The Alienist durchaus eine Existenzberechtigung bescheren. Denn Kreizler ist als früher Profiler seinen britischen Kollegen im Ansatz deutlich überlegen. Und neben der Mörderjagd schneidet die Serie auch einige andere Themen aus der Zeit an, die The Alienist nicht nur zu einem Thriller, sondern auch zu einem Historienstoff werden lässt.

So spielt die Rolle der Frau, hier toll verkörpert in Form von Dakota Fanning als ungewöhnliche lebende Sara Howard, ebenfalls eine große Rolle in der Serie. Zudem zeigt The Alienist eindrucksvoll, wie unglaubwürdig die damals neuen Theorien der Psycho-Analyse dem durchschnittlichen Menschen war. Erfreulicherweise nimmt sich die Serie, die vom „True Detective“-Regisseur Cary Fukunaga mitentwickelt- und produziert wurde, die Zeit für diese Aspekte. Das bremst die Mordermittlung manchmal zwar ein wenig aus, macht die Serie damit aber auch für Nicht-Krimi-Fans interessant.

The Alienist
Die Brüder Isaacson suchen mit modernen forensischen Methoden nach Spuren.

The Alienist: Kein Held von der Stange

Im Kern bleibt die Serie allerdings schon ein Thriller, denn die Jagd nach dem psychisch gestörten Mörder bildet das Rückgrat der Show. Spannend ist sie auch deshalb, weil sie über eine Reihe von ungewöhnlichen Helden verfügt. So ist Kreizler sich beispielsweise seiner eigenen Neurosen und seltsamer Verhaltensweisen durchaus bewusst, und kann doch nicht dagegen an. Evans spielt den durch frühere Ereignisse schuldgeplagten Säufer gewohnt souverän. Und Fanning nimmt man die bebende Wut über ihre Situation unter ihrer völlig kontrollierten Fassade in jeder Szene ab.

Gepaart mit den beiden jungen Cops, die sich mehr für Spurensuche und Fingerabdrücke als Zeugenaussagen interessieren, bildet dieses Quintett ein dynamisches System, in dem viele Botschaften ausgetauscht werden, die nie ausgesprochen werden.

Durch die prächtigen Kulissen und glaubhaften Bilder erinnert The Alienist häufiger an Serien wie „Ripper Street“ als an Filme über Jack the Ripper. Und lässt das New York des endenden 19. Jahrhunderts mit den bahnbrechenden Veränderungen des 20. Jahrhunderts am Horizont lebendig werden. Was auch an der immer wieder sehenswerten Kamerarbeit liegt. Ob ein Schwenk über die große Halle des Polizeipräsidiums oder die Verfolgung von Dr. Kreizlers Rundgang durch sein Krankenhaus – Zusehen lohnt sich.

Fazit:

The Alienist gehört am Ende des Jahre wohl nicht zu den drei besten Serien überhaupt, dazu fehlt es hin und wieder doch am Schliff der Dialoge und auch am Tempo. Aber die Serie bietet mehr als einen reinen Krimiplot mit Serienkiller, ist gut besetzt, gut gespielt und sieht gut aus. Da ist die hin und wieder eher gemächliche Erzählweise durchaus verzeihlich, zumal die meist durch ebenso interessante Nebengeschichten gebremst wird. Für Fans von Serien wie „Ripper Street“ ein Muss, dürfte sie auch Krimi- und Thrillerfans Spaß machen.

The Alienist ist ab dem 19. April 2018 komplett bei Netflix zu sehen.

The Alienist
Hier noch Chef der New Yorker Polizei, später Präsident der USA: Theodore Roosevelt.