Loki

Serienkritik: Loki

Für „Loki“ wäre es natürlich keine Frage, dass er mindestens einen eigenen Film verdient hätte. Disney hat dem heimtückischen Gott aus Asgard nun aber wenigstens eine Serie gegeben, in der er sich so richtig austoben kann. Für Kevin Feige und Disney dürfte das eine einfache Entscheidung gewesen sein. Gehört die Figur doch seit ihrem ersten Auftritt zu den beliebtesten Schurken im MCU – und nach Meinung mancher Fans damit zu den wenigen, wirklich überzeugenden Gegnern der Helden. Der Loki, dem wir in seiner eigenen Serie begegnen, ist allerdings eine ganz besondere Version. Denn er weiß nicht alles, was Fans des MCU wissen. Entsteht daraus eine besonders reizvolle Story?

Loki
So schnell kann es gehen. Gerade war Loki noch ein Gott aus Asgard, nun ist er ein machtloser Gefangener der TVA.

Die Handlung

Wir schreiben das Jahr 2012. Die Endgame-Avengers sammeln die Infinity-Steine aus der Vergangenheit ein, um den Snap von Thanos rückgängig zu machen. Dabei kann der frisch eingefangene Loki (Tom Hiddleston) mithilfe des Tesserakts entkommen. Und landet nicht im Gefängnis von Asgard, wie es eigentlich hätte geschehen sollen. Das ruft die Spezialisten einer Organisation auf den Plan, die sich um die Beibehaltung der „heiligen Zeitlinie“ kümmert – denn die hat Loki gerade beschädigt. Und so steht er kurze Zeit später vor Gericht der „Time Variance Authority“ und muss sich vor Richterin Ravonna (Gugu Mbatha-Raw) für seine Taten verantworten.

Wie so oft hat Loki Glück im Unglück. Denn statt für sein Zeitverbrechen desintegriert zu werden, nimmt sich Agent Mobius (Owen Wilson) seiner an. Der Zeitschützer möchte von Loki Details über dessen Werdegang wissen. Und zeigt ihm seinerseits, was in seiner Zeitlinie hätte passieren sollen. Und sogar ein machthungriger Gott wie Loki muss feststellen, dass es auch noch andere Dinge im Leben gibt als das Streben nach Herrschaft. Mobius versucht, Loki als Mitarbeiter zu gewinnen und der kluge Asgardier vermutet bald zu Recht, dass es sich um einen mächtigen Gegner handeln muss, wenn die TVA gewillt ist, ihn für seine Verbrechen zu verschonen, um dafür in diesem Kampf zu helfen. Wird sich Loki tatsächlich dafür entscheiden, etwas Gutes zu tun?

Cooler Retro-Look

Dass Marvel nach mehr als 20 Filmen mit viel Superhelden-Action langsam neue Wege gehen muss, um sein Publikum zu unterhalten, hat Studiochef Kevin Feige klar realisiert. So zeigte schon „Wandavision“ deutlich auf, dass Marvel sich nun auch Experimente zutraut, die in den Anfangsjahren wohl noch nicht funktioniert hätten. Nachdem „Falcon and the Winter Soldier“ wieder eher für das traditionelle MCU stand, kommt nun Loki als dritte Marvel-Serie bei Disney+ zum Zug – und pendelt sich in der Mitte ein. Denn ganz so schräg wie Wandavision fällt Lokis Zeitreise in Folge eins noch nicht aus. Dass es hier aber bedeutend schräger zugeht als bei Sams und Buckys Kampf, wird ebenso schnell klar.

Am deutlichsten zeigt sich das bei der Optik der neuen Serie. Obwohl die Technik extrem futuristisch ist, sieht alles aus, als stamme es aus den späten 70er Jahren. Der Style, den Regisseurin Kate Herron ihrer Serie verpasst hat, ist deshalb regelrecht auffällig aus der Zeit gefallen. Und passt damit zum ständig vorherrschenden, leicht ironischen Ton, in dem Lokis neue Abenteuer erzählt werden. Das beginnt damit, dass die TVA Lokis nicht gerade geringen Kräfte problemlos ausschalten kann. Und endet mit einer ganzen Schublade voller Infinity-Steine, die innerhalb der Zeitagentur offenbar nicht die geringste Macht besitzen. Drehbuchautor Michael Waldron, der auch den neuen „Doctor Strange“-Film schrieb, traut sich hier einiges, um den Fans ein möglichst frisches und anderes Abenteuer zu präsentieren.

Loki
Und Lokis Richterin Ravonna kennt bei Zeitverbrechen kein Pardon.

Ruhiger, aber witziger Start

Dabei ist die erste Folge lediglich ein Aufstellen der Figuren auf dem Schachbrett der eigentlichen Handlung. So richtig viel passiert in den ersten, gut 45 Minuten noch nicht. Auch hier ist der Unterschied zur Falcon-Serie deutlich, deren erste Episode bereits einige spektakuläre Action-Sequenzen enthielt. Loki teasert hier lediglich an, dass man von der Serie durchaus noch einige epochale Kämpfe erwarten darf – zwischen sehr unerwarteten Gegnern. Denn die Enthüllung, welchen Schurken Loki hier eigentlich zur Strecke bringen soll, passt nicht nur perfekt zum Serienkonzept. Sondern verspricht auch eine ganze Menge Spaß. Allerdings führt die Serie auch neue, mächtige Charakter ein. Deren Wirken in den kommenden Filmen und Serien des MCU wohl noch eine bedeutende Rolle spielen dürften, angefangen bei Doctor Strange.

Schauspielerisch ist Hiddleston wie immer eine Bank. Seine Interpretation von Loki, die sich deutlich von der eher traditionellen Figur in der Netflix-Serie „Ragnarok“ unterscheidet, macht wieder einmal viel Spaß und ist für mehr als einen Lacher gut. Dennoch verliert Loki nie seine latente Gefährlichkeit. Und schafft es erneut, mit seinem nicht vorhersehbaren Verhalten deutlich zu machen, dass er nie der klassische Marvel-Held werden wird, den sein Bruder darstellt. Seine Szenen mit Owen Wilson sind auch deshalb zum Niederknien gut, weil die beiden Schauspieler sich die Bälle extrem gekonnt zuspielen und sich gegenseitig Raum lassen. Dabei ist vor allen der Kontrast zwischen dem stets aggressiven Loki und dem stoischen Mobius eine echte Schau.

Loki
Loki hat Glück, dass Zeitagent Mobius einen besseren Verwendungszweck für ihn sieht als den Tod.

Bei allen Unterschieden, die Loki gegenüber den meisten Filmen und Serien aufweist, sind aber die typischen Marvel-Zutaten vorhanden. Auch wenn die Serie keine reine Komödie ist und sich in den kommenden Folgen wohl auch noch ernsthafter präsentieren dürfte als in der Startepisode, so ist der bekannte und beliebte Marvel-Humor in kurzen Szenen oder Dialogen fast ständig vorhanden. Auch so ein wichtiges Thema wie die Zeitlinie kommt hier nicht ganz ohne Lacher aus. Und das ist auch gut so. Schließlich ist das neben den tricktechnisch grandiosen Storys auch ein Teil des Erfolges. Und Loki ist nun einmal unbestritten immer dann am besten, wenn er seinen galligen Humor ausleben darf. Das scheint in seiner eigenen Serie der Fall zu sein.

Fazit:

Mit Loki beweist Marvel, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben. Anders als die bisherigen Disney+-Serien Wandavision und Falcon and the Winter Soldier, aber auch anders als die letzten Kinofilme, bereichert Loki das MCU um eine weitere Facette. Dass der als Loki grandios aufspielende Tom Hiddleston eine Serie würde tragen können, darüber dürften bei den Fans des MCU kaum Zweifel bestanden haben. Wie schräg und doch fürs MCU relevant Drehbuchautor Michael Waldron die Story der Serie anlegt, ist aber eine kleine Überraschung. Denn hier wird schon in der ersten Episode die Tür zu Phase 4 und möglichen weiteren weit aufgestoßen. So überrascht die Serie durch ihren Inhalt, aber auch durch ihren einzigartigen Look. Wer nach Endgame den Schwanengesang fürs MCU befürchtete, kann aufatmen: Das Haus der Ideen hat noch genug.

Loki startet am 9. Juni 2021 bei Disney+ mit einer Folge pro Woche.

Tom Hiddleston
Aber kann Mobius dem bekanntermaßen unzuverlässigen Gott wirklich trauen?