Dogs of Berlin

Serienkritik: Dogs of Berlin

Nun ist klar, „Dark“ war in Sachen neuer Genre-Mut aus Deutschland eine Ausnahme! Die zweite deutsche Produktion bei Netflix heißt „Dogs of Berlin“ und ist mal wieder des Deutschen liebstes Kind – ein lupenreiner Krimi. Der wurde von Deutschlands fleißigem Action-Regisseur Christian Alvart („Steig.Nicht.Aus.“, „Abgeschnitten“) nicht nur inszeniert, sondern auch geschrieben. Was kann der neue Zehnteiler, der wie Amazons „Beat“ in der Hauptstadt spielt?

Schon lange war Deutschland in Sachen Serien nicht mehr derart im Aufwind wie in den vergangenen zwei Jahren. Mit „Babylon Berlin“ gelang ein internationaler Hit, auch „Das Boot“ ist ein Erfolg und wurde gerade um eine zweite Staffel verlängert. Und Achtungserfolge wie Dark oder Beat zeigen ebenfalls, dass im Gegensatz zum deutschen Kino, indem sich immer noch wenig tut, bei Serien endlich etwas vorangeht und die Kreativen zeigen können, dass sie durchaus Formate von Weltniveau abliefern können. Ist Dogs of Berlin auch eins?

Dogs of Berlin
Obwohl sich die Cops Kramer und Birkan nicht leiden können, müssen sie gemeinsam einen Mord aufklären.

Dogs of Berlin: Die Handlung

Eher zufällig bemerkt Kurt Grimmer (Felix Kramer) von der Mordkommission einen Einsatz der Polizei in seiner Nachbarschaft und schaut dort vorbei – zu Fuß, mit Baby auf dem Arm. Was er vorfindet, ist eine Bombe: Kramer entdeckt die Leiche von Orkan Erdem, Deutschlands aufstrebendem Fußball-Star. Der türkischstämmige junge Mann liegt mit eingeschlagenem Schädel im Busch mitten in Berlin-Marzahn. Kramer schaltet schnell und schafft es, den Mord vor dem wichtigen Länderspiel Deutschland-Türkei in Berlin zunächst geheim zu halten.

Zeitgleich ist der türkisch-deutsche Cop Erol Birkan (Fahri Yardim) einem kriminellen arabischen Clan auf der Spur. Doch der von langer Hand geplante Einsatz geht schief, jemand muss die Gangster gewarnt haben. Da kommt es am nächsten Tag für Birkan sehr überraschend, dass ihm die Berliner Polizei die gemeinsame Leitung mit Kurt Grimmer für die Sondereinheit zur Untersuchung des Fußballer-Mordes anbietet – zumal Grimmer den offen schwul lebenden „Kanaken“-Kollegen offenkundig nicht leiden kann. Können sich die ungleichen Cops zusammenraufen?

Dogs of Berlin: Viel Inhalt

Nachdem Christian Alvart in der ersten Folge noch ruhig beginnt und in gut 60 Minuten nur wenige Figuren einführt und Nebenstorys beginnt, macht er ab Folge zwei mächtig viele Fässer auf. So erzählt er von Kurt Grimmers Hintergrund als ehemaliger Neonazi, dessen Mutter (Kathrin Sass) und Bruder noch immer tief im braunen Sumpf verhaftet sind. Dazu kommen Probleme in seiner Ehe mit seiner Frau Paula (Katharina Schüttler), die er in einer Affäre mit Bine (sehr sehenswert: Anna Maria Mühe als prollige Hartz 4-Empfängerin) zu ertränken versucht.

Außerdem ist Grimmer spielsüchtig und schuldet einem serbischen Klan eine Menge Geld. Daher will er seinen neuen Fall auch nutzen, um daraus möglichst viel Kapital durch eine Wette herauszuschlagen. Eine Menge Stoff für zehn Folgen – und dabei ist das nur eine der beiden Hauptfiguren. Fahri Yardims Figur bekommt ähnlich viele Probleme auf den Leib geschrieben, sodass schon nach vier Folgen Zweifel bestehen, dass Alvart diesen Wust an Storys wirklich komplett zu einem befriedigenden Ende bringt.

Dogs of Berlin
Auch auf dem Friedhof sucht das Duo nach neuen Spuren, die Licht ins Dunkel bringen könnten.

Dogs of Berlin: Wenig subtil

Wer Arbeiten von Alvart kennt, der unter anderem die Schweiger-Tatorte in Szene setzte, der weiß: Subtil ist Alvarts Stil nicht. Das ist auch bei Dogs of Berlin nicht der Fall. Viele der Nebenfiguren erfahren nicht den gleichen Aufwand, den Alvart mit seinen beiden Cops betrieben hat. Hier bleibt vieles flach und austauschbar, mitunter auch derart übertrieben gespielt, dass man fast fast darüber lachen kann. So ist der ganze Plot um die beiden kriminellen Klans eher albern als bedrohlich. Dennoch gibt es Gründe, die Serie anzusehen.

Einer davon ist Felix Kramer. Denn auch wenn sein Charakter mit Subplots deutlich überfrachtet ist, so spielt Kramer doch, als hinge sein Leben davon ab. Den eigentlich bösen Cop, dem das Wasser bis zum Hals steht und der deshalb sehr hoch pokert, nimmt man Kramer jederzeit ab. Der andere Grund ist Fahri Yardim. Denn auch er spielt den von gleich zwei Kulturen nicht akzeptierten Cop mit Hingabe und Verve und bringt so eine immense Spannung in das ungleiche Ermittler-Duo. Auch wenn diese Idee grundsätzlich alles andere als neu ist.

Trotzdem seien Feingeister unter den Serienfans gewarnt. Was Alvart zum Teil an Dialogen abliefert, ist richtig schlimm. Die Handlung kippt zwischen spannend-düster und albern-übertrieben hin und her und auch nach vier Episoden ist von einem Mörder im Fall des toten Fußball-Stars noch nicht viel zu sehen, dafür teilt sich die Handlung immer mehr in diverse Nebenschauplätze auf. Und die Ausschnitte aus dem Länderspiel, das weite Teile der dritten Folge ausfüllt, sind leider komplett misslungen. Einen zügig und stringent erzählten Krimi bekommt man hier als Zuschauer nicht. Und auch kein echtes Serien-Highlight.

Fazit:

Zwei tolle Hauptdarsteller, die zwei zumindest facettenreiche Charaktere spielen dürfen und ein paar Glanzlichter im weiteren Cast – mehr hat Dogs of Berlin leider in den ersten Folgen (noch) nicht zu bieten. Das ist zwar dennoch streckenweise sehr spannend, wirkt aber noch ziellos und wenig auf den Punkt erzählt. Was Regisseur und Autor Christian Alvart beim Script vermissen lässt, holt er aber zumindest teilweise durch gute Actionsequenzen wieder herein.

Dogs of Berlin ist ab dem 7. Dezember 2018 bei Netflix zu sehen.

Gesehen: 4 von 10 Folgen

Dogs of Berlin
Die durch den Mord angeheizte Stimmung in der Stadt entlädt sich bald in blutiger Gewalt.