Deep Water

Filmkritik: Deep Water

In den 80ern und 90ern brachte Regisseur Adrian Lyne ein paar extrem erfolgreiche Filme in die Kinos. „Flashdance“ ist heute ein Klassiker des Tanzfilms. „Neuneinhalb Wochen“ ist noch heute für Kim Basingers Strip bekannt und „Eine verhängnisvolle Affäre“ war 1987 einer der erfolgreichsten Film des Jahres. Obwohl Lyne mit „Jacobs Ladder“ 1990 auch einen richtig guten und innovativen Horrorfilm drehte, ist er doch für seine Erotik-Thriller noch heute am bekanntesten. 20 Jahre nach seinem letzten Film „Untreu“ hat sich Lyne nun wieder auf dem Regiestuhl gesetzt und einen Roman von Patricia Highsmith verfilmt. Wie gut ist „Deep Water“ geworden? Das verrät die Kritik.

Ana De Armas
Melinda lebt mit Vic zusammen, doch die Ehe läuft nicht mehr rund.

Die Handlung

Vic (Ben Affleck) und seine junge Frau Melinda (Ana De Armas) führen eine seltsame Ehe. Während sich Vic liebevoll um die gemeinsame Tochter Trixi (Grace Jenkins) kümmert, sucht sich Melinda regelmäßig neue Lover, mit denen sie am liebsten vor den Augen ihres Mannes agiert. Den lässt das nur scheinbar kalt. Denn wenn Melinda es nicht bemerkt, nähert er sich den Männern und schüchtert sie mit subtilen Drohungen derart ein, dass sie in aller Regel das Weite suchen. Melinda scheint sich durch sein Verhalten aber nur noch weiter von ihm zu entfernen, zudem findet sie ständig neue Interessenten und lässt Vic, der durch den Verkauf seiner Firma finanziell unabhängig ist, kaum Zeit zum Durchatmen.

Als Melinda mit dem jungen Barpianisten Charlie (Jacob Elordi) anbandelt, scheint das Vic genauso kalt zu lassen wie sonst auch. Doch auf einer Party bei Freunden geschieht ein Unglück. Charlie treibt  nach einem kräftigen Regenschauer, der alle Gäste ins Haus trieb, mit dem Gesicht nach unten im Pool. Und nicht alle sind davon überzeugt, dass das ein Unfall war. Melinda beschuldigt ihren Mann ganz offen des Mordes und auch Drehbuchautor Don (Tracy Lettts) ist überzeugt davon, dass Vic den jungen Mann aus Eifersucht ertränkt hat …

Ein kalkulierter Hit?

Eigentlich standen die Zeichen auf Erfolg. Erotik-Thriller Spezialist Adrian Lyne nach fast 20 Jahren zurück im Regiestuhl. Ein Roman der in Hollywood durchaus beliebten Patricia Highsmith als Vorlage. Und dann begannen die beiden Stars des Films auch noch medienwirksam eine Beziehung nach Ende der Dreharbeiten – mehr konnte sich die Marketingabteilung eigentlich kaum wünschen. Doch dann musste der Starttermin im November 2020 verschoben werden. Erst wanderte Deep Water auf August 2021, dann auf Januar 2022. Und schließlich nahm Disney den Film ganz aus der Kino-Startliste und verkündete die Veröffentlichung am 18. März auf der in den USA vorhandenen Streamingplattform Hulu. Das hätte für Deutschland eigentlich heißen müssen, dass Deep Water bei Disney+ im Bereich Star erscheint, doch auch das war nicht der Fall. Der Konzern trat die Rechte an Amazon Prime ab. Ist der Film so schlecht?

Leider ja. Lynes Rückkehr auf den Regiestuhl fällt aus mehreren Gründen eher enttäuschend aus. Wer Szenen wie in Neuneinhalb Wochen oder Eine verhängnisvolle Affäre erwartet, dürfte von der eher zurückgenommenen Erotikseite des Films durchaus enttäuscht sein. Prickelnd ist hier tatsächlich wenig. Lyne interessiert sich deutlich mehr für den seelischen Zustand seiner Figuren als für deren körperliche Belange. Das muss nicht schlecht sein, wird durch das Prädikat Erotik-Thriller aber doch erwartet – und findet kaum statt.

Ben Affleck
Vic toleriert Melindas zahlreiche Lover – so sagt er zumindest. Aber ist er wirklich so cool?

Weder sonderlich erotisch, noch besonders spannend

Die meiste Zeit des Film wirft sich Ana De Armas recht züchtig an fremde Männer heran, was von Ben Affleck mit eingefrorener Miene beobachtet wird. Was in den ersten Minuten durchaus noch interessant ist, weil der Zuschauer auf Informationen zu den Szenen wartet, wird mit zunehmender Laufzeit immer langweiliger. Weil nichts Neues passiert, die Erklärungen für das Verhalten der beiden Protagonisten aber ausbleibt. Während Patricia Highsmith in ihrer Vorlage die Hintergründe erklärt, bleibt es hier weitgehend im Dunkeln. Denn warum Melinda ihrem Gatten immer und immer wieder Hörner aufsetzt, darüber fallen zwar ein paar kryptische Sätze, eine klare Aussage aber fehlt. Auch das könnte im Prinzip durchaus interessant sein, ist es hier aber leider nicht. Nach spätestens 90 Minuten mit immer den gleichen Szenen ist dem Zuschauer das völlig egal. Der Film aber noch immer nicht zu Ende.

Im Finale entscheidet sich das Autoren-Duo Zach Helm und Sam Levinson („Malcolm and Marie“) dann auch noch, die Story des Romans komplett zu ändern. Und dürfte damit all jene vergrätzen, die sich auf eine Literaturverfilmung gefreut hatten. Bereits davor finden die beiden aber häufig Bilder, die weder sonderlich originell, noch besonders klug sind. Wenn das Ehepaar beispielsweise nach einer Partynacht auf der Heimfahrt gemeinsam einen Apfel isst, wirkt das biblische Sündenbild schon arg abgeschmackt. Und auch Vics Hobby der Schneckenzucht sorgt für deutlich zu viele Bilder von schleimigen Lebewesen, die sich aneinander reiben und nur sehr dürftig für entsprechende Aufnahmen der Hauptfiguren entschädigen.

Tracy Letts
Schriftsteller Don traut dem Burgfrieden nicht, der zwischen Melinda und Vic herrscht. Er befürchtet eine Eskalation.

Schauspielerisch ist Deep Water dabei gar nicht das Problem. Ana De Armas schlüpft problemlos in die Rolle der Femme Fatale, die ihren Mann leiden lässt. Ben Affleck hat schon häufiger ambivalente Rollen wie in „Gone Girl“ gemeistert. Und hält auch hier lange offen, ob er nun der Held, der Schurke oder etwas dazwischen ist. Die Inszenierung ist aber so behäbig, der Plot so uninteressant und langgezogen, dass sich hier die Spannung bald verabschiedet. Zudem lässt es Lyne zwischen seinen Stars lange nicht so funken, wie das wohl abseits der Kameras geschehen ist.

Wenn zwischen Affleck und De Armas bereits am Set eine sexuelle Spannung in der Luft gelegen haben sollte, hat der Regisseur die gründlich herausgeschnitten oder gar nicht erst eingefangen. Vielleicht wäre der Film vor 20 Jahren sogar noch ein kleines Skandälchen geworden. Heute versteht man nach Sichtung des Films gut, warum Disney Deep Water nicht in die Kinos brachte. Und auch Disney+ den Film nicht in die weltweite Auswertung nahm.

Fazit:

Auch wenn die letzte Viertelstunde zumindest ein wenig Standard-Spannung aufbaut, so ist der fast zwei Stunden lange Deep Water weder so erotisch, noch so aufregend, wie das Prädikat Erotik-Thriller dem Zuschauer weismachen will. Die beiden Stars spielen immerhin solide. Das maue Drehbuch und die bestenfalls routinierte Inszenierung holen aber nur wenig aus der doppelbödigen Erzählung von Patricia Highsmith heraus. Da hilft es auch nicht, dass sich das Finale ein wenig mehr unmoralische Botschaft leistet als das Original. Adrian Lyne haben fast 20 Jahre Pause als Regisseur offensichtlich nicht sonderlich gut getan – dieser Film ist bestenfalls Durchschnitt.

Deep Water startet am 18. März 2022 bei Amazon Prime Video.

Deep Water
Und die kommt, als Melinda sich mit dem Pianisten Charlie im Pool vergnügt. Nur Minuten später ist der junge Mann tot.