The Innocents

Serienkritik: The Innocents

Im Vorfeld hatte sich Netflix bei ihrer neuen Serie „The Innocents“ mit Infos recht bedeckt gehalten. Und auch nach Sichtung ist die britisch-norwegische Serie gar nicht so leicht einem einzelnen Genre zuzuordnen. Coming of Age-Drama ist ebenso vertreten wie Fantasy-Elemente, Familientragödie und Krimi-Momente. Wie gut geriet der Genre-Mix? Sind die acht Folgen der ersten Staffel sehenswert?

Wie kommen Serien-Erfinder auf ihre Ideen? Vermutlich gibt es dazu fast so viele Antworten, wie es Serien gibt. Und sicher sind darunter auch solche Geschichten, wie sie The Innocents erzählt. Doch so richtig oft bekommt man solche Storys nicht zu sehen. Denn die Serie von den relativ unbekannten Schreibern Hania Elkington und Simon Duric geht immer dann neue Wege, wenn man glaubt, endlich zu wissen, worum es eigentlich geht. Und das, obwohl die Serie ihren coolsten Dreh schon nach zwei Minuten verrät.

The Innocents
June hat zum ersten Mal die Gestalt verändert. Wie wird Harry diesen Schock überstehen?

The Innocents: Die Handlung

Die fast 16-jährige June (Sorcha Groundsell) hat es nicht leicht. Ihr Bruder leidet unter Agoraphobie und verlässt das Haus nicht. Ihre Mutter Elena (Laura Birn) verließ die Familie vor Jahren und ihr Vater John (Sam Hazeldine) behütet das Mädchen bis kurz vor der Freiheitsberaubung. Und dennoch hat sich June in den etwas älteren Harry (Percelle Ascott) verliebt und gemeinsam wollen die beiden fliehen, bevor Junes Vater sie auf eine schottische Insel verfrachten kann, wo sie fernab vom Leben zur Schule gehen soll.

Doch Junes Flucht bleibt nicht unbemerkt. Ein Mann namens Steinar (Johannes Hauker Johannesson) ist im Auftrag des Arztes Halvorson (Guy Pearce) hinter dem jungen Paar her. Als er versucht, June mit einer Spritze zu betäuben, kommt es zum Kampf und Steinar wird niedergeschlagen. Die beiden Jugendlichen fliehen, doch June packt ob des bewusstlosen Mannes das schlechte Gewissen. Sie geht zurück an die Stelle des Überfalls, findet ihn und berührt den Angreifer. Und schon sieht sie aus wie er …

The Innocents: Andere Geheimnisse

In dieser Serie geht es um Gestaltwandler, so genannte Shifter. Wer nun denkt, hier werde kräftig gespoilert, der sei beruhigt. Die Serie gibt dieses Rückgrat der gesamten Story bereits nach zwei Minuten preis. Um die Tatsache, dass es diese Shifter gibt, geht es auch gar nicht hauptsächlich, sondern darum, wie sie mit der Fähigkeit umgehen, die nicht ganz ungefährlich ist. So führt Halvorson auf einer abgelegenen norwegischen Insel in einem See eine Art Therapie-Camp für Frauen wie June. Welche Motive ihn dabei antreiben, bleibt aber ebenso mysteriös wie das Schicksal anderer Figuren.

Und daraus bezieht die Serie auch ihren hauptsächlichen Charme. Storylines, die scheinbar gar nichts miteinander zu tun haben, verweben sich mit jeder Folge stärker ineinander. Charaktere, die im ersten Moment nur wie Stichwortgeber wirken, entpuppen sich als Schlüsselspieler im Plot. Das macht das Drehbuch von Elkington und Duric nicht immer sehr elegant, aber meist zumindest sehr effektiv. Und spannend genug, um den Zuschauer bei der Stange zu halten.

The Innocents
Dr. Halvorson lässt June suchen, angeblich, um ihr zu helfen. Aber stimmt das wirklich?

The Innocents: Verlockende Verpackung

Dass man hier seinen Augen nicht unbedingt trauen darf, hat der Zuschauer schnell verstanden. Aufklärung bringen die Macher mit einer zwar nicht wirklich erklärten, aber cleveren Methode in die Serie. Die wahre Gestalt der Shifter lässt sich in ihrem Spiegelbild erkennen. Oftmals ist die Kamera-Arbeit genau darauf ausgerichtet, kein Spiegelbild zu zeigen, um so die Spannung zu halten, wer sich hinter dem Äußeren tatsächlich verbirgt – der echte Charakter oder ein Shifter.

Dazu kommen atemberaubend schöne Landschaftsaufnahmen von Norwegen, wo Teil der Serie auch spielen. Und einer der besten Soundtracks, den eine Serie in den vergangenen Jahren aufweisen konnte. Eine Fülle von melancholischen Indie-Popsongs unterstreichen die Stimmung von The Innocents perfekt und werden so zum akustischen Leitfaden durch die Handlung, auch wenn sie gar nicht für die Serie geschrieben wurden. 

Der beste Grund zum Ansehen sind aber Sorcha Groundsell und Percelle Ascott, die das Romeo und Julia-Paar, auf die auch der Name der Serie zurückgehen dürfte, mit einer großartigen Intensität und Glaubwürdigkeit spielen. Die verzweifelte Liebe, die die beiden miteinander verbindet, nimmt man ihnen jederzeit ab. Und selbst Junes gruselige Fähigkeiten kann Harry nicht auf Dauer von ihr fernhalten. Wer bis zum Ende dabei bleibt, wird sich schon ihretwegen wünschen, dass Netflix The Innocents um eine Staffel verlängert. Auch wenn in der ruhig erzählten Serie nicht alles glänzt. Denn hier passiert wenig, dafür wird viel geredet – sicher nicht jedermanns Geschmack.

Fazit:

The Innocents ist eine Serie, die es zu Unrecht schwer haben könnte. Denn sie bietet einen sehr ungewöhnlichen Genre-Mix, der bestimmt manche Zuschauer verschreckt. Das, was die Serie letztlich erzählt, macht sie aber gut. Und die beiden Hauptdarsteller sind allein schon das Antesten wert. Wer die etwas schräge Ausgangssituation hinnehmen kann, bekommt hier ein leise und langsam erzähltes, aber dafür immer packender werdendes Liebes-Drama mit einer Menge Tragik zu sehen.

Gesehen: Alle acht Folgen

The Innocents ist ab dem 24. August 2018 bei Netflix zu sehen.

The Innocents
Hat die Liebe der beiden Teenager angesichts der Situation wirklich eine Chance?