Widows

Filmkritik: Widows – Tödliche Witwen

Der britische Regisseur Steve McQueen (nicht zu verwechseln mit dem 1980 gestorbenen Schauspieler) gehört momentan zu den größten Stars seines Fachs. „Widows – Tödliche Witwen“ ist erst sein vierter Filme in zehn Jahren, die drei davor sahnten alle zahlreiche Preise ab. Darunter „12 Years a Slave“ sogar den Oscar. Wie gut ist sein neuster Film, mit dem er erstmals einen Ausflug ins Thriller-Genre macht?

Mit Widows nimmt sich Steve McQueen nicht nur erstmals eines spannenden Stoffes an, sondern auch eines Remakes. Der Film basiert auf einer britischen Mini-Serie aus dem Jahr 1983. Für sein neues Drehbuch konnte McQueen die Thriller-Königin Gillian Flynn („Gone Girl“) als Mitautorin gewinnen. Dazu kamen die großen Stars gleich im Dutzend, um in seinem neuen Projekt dabei zu sein. Kann da tatsächlich etwas schiefgehen?

Widows
Auf Harrys Beerdigung lernt Veronica den Lokalpolitiker Jack Mulligan kennen, der ihr seine Hilfe anbietet.

Widows: Die Handlung

Es sollte sein letzter Coup werden – und das wurde es auch, allerdings nicht so wie geplant. Bei einem Überfall kommt Meisterdieb Harry (Liam Neeson) mit seinen drei Partnern (unter anderem Jon Bernthal) im Kugelhagel und anschließendem Feuer durch die Cops ums Leben. Seine Witwe Veronica (Viola Davis) wird dadurch gleich doppelt bestraft. Denn sie ist nicht nur in tiefer Trauer, sondern hat mit den Manning-Brüdern (unter anderem Daniel Kaluuya) auch noch die von ihrem Mann bestohlenen Gangster am Hals, die ihr Geld von ihr zurückfordern.

In ihrer Not wendet sich Veronica an die Witwen von Harrys Partnern und schafft es, Alica (Elizabeth Debicki) und Linda (Michelle Rodriguez) zum Mitmachen zu überreden. Veronica hat im Notizbuch ihres Mannes noch einen Coup gefunden, der dort genau beschrieben steht. Der Überfall gilt dem lokalen Politiker Jack Mulligan (Colin Farrell), der in seinem Haus etliche Millionen Dollar haben soll. Mit einer weiteren Hilfe (Cynthia Erivo) beginnen die drei Witwen, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Doch das ist lebensgefährlich …

Widows: Thriller mit Mehrwert

Im Kern ist Widows ein fieser Thriller, in dem längst nicht alles so ist, wie es am Anfang scheint. Aber Steve McQueen hat sich damit erwartungsgemäß nicht zufrieden gegeben. Und fügt mithilfe von Flynn in seine Story auch noch weitere Themen wie Rassismus, Armut, Emanzipation und Korruption ein. Und genau das macht aus Widows denn auch mehr als einfach nur einen spannenden Krimi um einen präzise geplanten Überfall auf einen Politiker. Sondern einen Film, der manche Fragen offen lässt und gekonnt mit der Erwartungshaltung der Zuchauer spielt.

Mehr als einmal muss das Publikum sich fragen: Ist das jetzt Zufall, was gerade passiert? Oder hat einer der Charaktere es tatsächlich genauso geplant oder gewollt, wie es dann auch kam? Das ist nur ein Mittel des Spannungsaufbaus, das McQueen nutzt. Auch seine Heldinnen haben genau das richtige Maß an Glaubwürdigkeit und Sympathie, sodass der Zuschauer sehr schnell auf ihrer Seite steht und mehr als einmal um das Leben einer der Damen zittern muss. Denn die ständige Lebensgefahr, in der das Quartett schwebt, inszeniert McQueen absolut gekonnt.

Widows
Doch nur wenig später tauchen die Manning-Brüder bei ihr auf und wollen das Geld zurück, das Harry ihnen angeblich gestohlen hat.

Widows: Zu viel gewollt?

Dazu hat sich Steve McQueen mit exzellenten Darstellern eingedeckt. Viola Davis ist als Hauptfigur der Story ebenso überzeugend wie Elizabeth Debicki als eigentlich tumbe, aber sehr bauernschlaue Alice, die mit bestimmten Aspekten ihres Daseins als Frau ausgezeichnet umzugehen weiß. Dazu kommen zahlreiche kleine Rollen wie Colin Farrell als Politiker, der eigentlich keiner sein will. Und Robert Duvall als Farrells Vater und fieser Familientyrann. Oder auch Daniel Kaluuya als mächtig fieser Hit-Man in der Organisation seines Bruders.

Sie alle zeigen große Leistungen mit wenig Screentime und machen Widows schon allein dadurch zum sehenswerten Film, denn sie alle spielen erfolgreich gegen Klischeevorstellungen des Zuschauers an und überraschen so in ihren Szenen mehr als einmal. Wie es auch die letzten 30 Minuten der Story mehrmals tun. Wer die Mini-Serie der BBC nicht kennt, der dürfte zumindest von einigen der Twists kalt erwischt werden. Und dennoch: Der ganze große Thrill will sich einfach nicht einstellen.

Zum einen liegt das an der Laufzeit von gut zwei Stunden, über die McQueen die Spannung einfach nicht hochhalten kann. Die mittlere Stunde bietet deutlich weniger Aufregung als die erste und die letzte halbe Stunde. Zum anderen überlagern die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte der Story, so löblich sie sein mögen, die eigentliche Geschichte um das Witwen-Quartett und verwässern ein wenig die Spannung. Ein knackiger 90-Minüter hätte hier wohl besser funktioniert. Ein sehenswerter Film ist Widows allemal, von Steve McQueen hätte man aber vielleicht etwas mehr erwartet.

Fazit:

Mit seiner vierten Regiearbeit liefert Steve McQueen seinen ersten Thriller ab – und dieses Genre ist nicht das perfekte Terrain für ihn. Mit etwas zu viel Ablenkung durch Randthemen der Story lenkt er zu sehr von seinem spannenden Hauptplot ab und nimmt so ein wenig von dem Dampf raus, den Darsteller und Drehbuch eigentlich hineingeben. Für Krimi- und Thrillerfans mit gehobenen Ansprüchen ist Widows dennoch absolut sehenswert. Der Thriller des Jahres ist er aber nicht geworden.

Widows startet am 6. Dezember 2018 in den deutschen Kinos.

Widows
In ihrer Not fragt Veronica Linda und Alice, die beiden Frauen von Harry Partnern, und nun ebenfalls Witwen, ob sie bei einem riskanten Coup dabei wären.