Mehr als 20 Jahre ist es nun schon her, dass die japanische Anime-Serie „Cowboy Bebop“ ihren Siegeszug um die Welt antrat. Die Mischung aus Western, Sci-Fi und Film Noir-Elementen kam beim Publikum in aller Welt an. Und bescherte der Serie schnell einen bis heute andauernden Kultstatus. Weil die Themen nicht unendlich sind und Streaming-Dienste immer nach bekannten Vorlagen suchen, um daraus möglichst publikumswirksame Serien zu entwickeln, landete Netflix vor einiger Zeit bei Cowboy Bebop und holte sich die Rechte an einer Real-Umsetzung als Serie. Nun startet die erste Staffel. Für welche Zuschauergruppe ist sie geeignet und – ist sie gut? Das beantwortet die Kritik.
Die Handlung
Spike Spiegel (John Cho) ist ein Cowboy. So werden in der Zukunft Kopfgeldjäger bezeichnet, die im nach dem Untergang der Erde besiedelten Sonnensystem ihren Teil dazu beitragen, Recht und Ordnung halbwegs aufrecht zu erhalten. Gemeinsam mit seinem Partner Jed Black (Mustafa Shakir) jagt Spike Kriminelle, um sie möglichst lebend bei den Behörden abzuliefern und das Kopfgeld zu kassieren. Während Jed ein Ex-Cop ist, der zu Unrecht wegen Korruption verurteilt wurde und nun seinen Hals als Cowboy riskiert, ist Spike eigentlich Teil des systemumspannenden Syndikats. Doch nach einer tragischen Liebe zur Sängerin Julia (Elena Satine) und einem Streit mit seinem Erzfeind Vicious (Alex Hassell) ließ Spike sein altes Leben hinter sich und täuschte seinen Tod vor.
In ihrem Job geraten Spike und Jed nicht nur immer wieder an Kollegen wie die gerissene Faye Valentine (Danielle Pineda), mit der sie sich bald zusammentun. Sondern auch an clevere und nicht ganz so clevere Kriminelle, mit denen es immer wieder zu Duellen auf Leben und Tod kommt. Doch während die drei ihre Brötchen verdienen, funkt ihnen auch immer wieder die eigene Vergangenheit dazwischen, denn nicht nur Spike hat ein dunkles Geheimnis …
Auch ohne Vorbildung genießbar
Gleich zu Beginn eine Entwarnung: Wer mit Anime eigentlich nicht viel anfangen kann, darf bei Cowboy Bebop trotzdem gern reinschauen. Denn auch wenn die Serie auf einem Anime basiert, so ist sie doch eigenständig genug, um weder eine Vorbildung zu verlangen, noch lediglich Fans des japanischen Trickfilms anzusprechen. Zwar gibt die Serie die Vorbilder gut wieder und auch die Stimmung hat stets den leicht durchgeknallten Anime-Vibe. Aber Spaß macht die Serie auch, wenn man noch in seinem Leben einen Anime gesehen hat. Und die Vorlage gar nicht kennt. Allerdings sollte man Serien mögen, die blutig und schrill zur Sache gehen und sich selbst dabei nicht zu ernst nehmen.
Cowboy Bebop lebt sehr von seinen skurrilen, überzeichneten Gestalten. So ist Hauptfigur Spike immer wieder in derbe Prügeleien und Schießereien verwickelt. Hin und wieder läuft ihm sogar etwas Blut von der Lippe. Aber sein knallblauer Anzug, das Markenzeichen der Figur, hat nie auch nur einen Fleck. Natürlich ist das nicht realistisch. Und das soll es auch nicht sein, darum geht es hier. Es benötigt also schon den Willen, sich auf die Serie einzulassen, damit man hier auf seine Kosten kommt. Zumal die ersten Folgen zwar durchaus unterhaltsam sind, Cowboy Bebop aber erst so richtig ins Rollen kommt, wenn ab Episode vier Faye als festes Mitglied zur Crew stößt und den Männern an Bord der Bebop mit ihrer Härte und ihren Ego-Trips Jed und Spike den letzten Nerv raubt. Nur um sie danach wieder um den Finger zu wickeln.
Gut gespielt
John Cho, Mustafa Shakir und Danielle Pineda spielen ihre Rollen dabei stets genau auf den Punkt. Und holen aus ihren Figuren so immer wieder witzige Momente heraus, bei denen es auf genaues Timing ankommt. Auch bei den Flüchtigen, hinter denen Spike, Jed und Faye her hetzen, sind herrlich schräge Gestalten dabei, die daher prächtig in die Serie passen. Und wie fast immer bei Netflix, ist die Serie qualitativ hochwertig produziert. Und überzeugt mit echten Sets und liebevollen Details, um die gar nicht so andere Welt von Morgen gut in Szene zu setzen.
Eine Mischung, die nicht jedem gefällt
Cowboy Bebop ist eine Serie, die unheimlich viel Potenzial aufweist, sich damit aber auch immer wieder zwischen alle Stühle setzt. So erinnert sie an viele berühmte Filme und Serien. Folge vier verbreitet beispielsweise trotz des Settings im All wunderbare Western-Vibes. Während Folge fünf stark an Film Noir-Szenen erinnert, wenn sich einen Verfolgungsjagd in dunklen Seitengassen abspielen und die Protagonisten sich dabei in Pfützen auf der Straße widerspiegeln. Dazu kommt der ständige Comic-Charakter der Serie, weil die Helden eben ein kleines Stück zu cool und clever sind, um noch als realistische Charaktere durchzugehen. Die Mischung ist damit wirklich originell. Die Serie lässt sich deshalb aber auch schwer in eine Schublade stecken, was manche Zuschauer sicherlich verschrecken dürfte.
Denn Cowboy Bebop ist eben in vielerlei Hinsicht schräg. Da gibt es den bösen Erzfeind von Spike, der ebenso wie Freundin Julia als Femme Fatale ein totales Klischees ist, mit dem die Serienmacher wiederum ihre Scherze treiben. Und diese Klischees bewusst einsetzen, um sie eine Szene später ironisch zu brechen. Wer an solchen Erzählweisen seinen Spaß hat und auch mit dem lakonisch-trockenen Humor der Serie gut leben kann, wird mit Cowboy Bebop sicher eine gute Zeit haben.
Fazit:
Bahn frei für Cowboy Bebop! Die herrlich schräge Sci-Fi-Western-Comedy-Serie nach einem kultigen Anime aus den 90ern dürfte die Netflix-Gemeinde entzweien. Wer auf den sehr eigenen Humor der Serie anspringt, hat mit den zehn Folgen garantiert seine Freude. Auch wenn gerade der Anfang der Serie etwas behäbig wirkt. Wem aber eher realistische Serien gefallen, der wird mit dem mal knallbunten, mal absichtlich düsteren Mix aus verschiedenen Genres sicherlich weniger anfangen können. Cowboy Bebop hat also eine deutlich schärfer umrissene Zielgruppe als viele andere Serien bei Netflix. Die wird sich aber um so mehr über die lakonisch-lustigen Kopfgeldjäger aus der Zukunft amüsieren.
Cowboy Bebop startet am 19. November 2021 bei Netflix.