Barbara Hershey
Amazon Studios

Filmkritik: The Manor

Bereits im vergangenen Jahr bestellte Amazon Prime beim Horror-Spezialisten-Studio Blumhouse vier Filme für das eigene Angebot. Keiner davon war ein echter Hit, aber auch keiner eine völlige Enttäuschung. Amazon legte daher den Deal in diesem Jahr neu auf. Und brachte am 1. Oktober bereits zwei Filme heraus. Während „Black As Night“ als generischer „Buffy“-Abklatsch noch gerade so durchgeht, ist „Bingo Hell“ allerdings ein komplettes Desaster. Die zwei letzten Filme des Deals starten am 8. Oktober, einer davon ist „The Manor“ mit Altstar Barbara Hershey („Black Swan“). Kann der Film  der belgischen Regisseurin und Drehbuchautorin Axelle Carolyn eher überzeugen? Das verrät die Kritik.

The Manor
Ihre neuen Freunde helfen Judith ein wenig beim Eingewöhnen. Doch das Gefühl, in Gefahr zu sein, bleibt.

Die Handlung

Judith (Barbara Hershey) feiert mit ihren Lieben, darunter Tochter Barbara (Katie A. Keane) und Enkel Josh (Nicholas Alexander) ihren 70. Geburtstag – als ein leichter Schlaganfall die umhaut. Einige Monate später hat sich Judith zwar von den Folgen gut erholt, doch ihr bleibt die Angst, dass sie möglicherweise bald ein Pflegefall werden könnte. Damit sie ihre Familie damit nicht belastet, entscheidet sie sich, in ein Seniorenheim zu ziehen, wo man sich im Notfall gut um sie kümmern kann. Doch schon am ersten Tag macht The Manor auf sie keinen sonderlich guten Eindruck. So nimmt ihr eine Pflegerin sofort ihrer Smartphone weg, die einzige Verbindung zu Josh.

Und es wird erst einmal nicht besser. Ihre Mitbewohnerin scheint geistig völlig verwirrt zu sein. Das Pflegepersonal ist bis auf Liesel (Ciera Payton) alles andere als freundlich. Und die Heimleiterin entpuppt sich als echter Drachen. Doch dann lernt sie Roland (Bruce Davison), Ruth (Fran Bennett) und Trish (Jill Larson) kennen, die für ihre Bridge-Runde noch einen Partner suchen. Judith blüht ein wenig auf – bis sie eines Nachts eine furchterregende Gestalt bemerkt, die sich an ihrer Mitbewohnerin Anette zu schaffen macht. Als die Pflegerinnen allerdings keinerlei Anstalten machen, ihr zu glauben, macht sich Judith auf eigene Faust daran, Licht ins Dunkel zu bringen. Kein ganz ungefährliches Unterfangen …

Nur im direkten Vergleich ein Hit

Die gute Nachricht zuerst: Gegen die beiden Horrorfilme der vergangenen Woche kann The Manor wirklich glänzen. Hier gibt es sowohl eine vernünftige Story, als auch gute Schauspieler-Leistungen und ein gewisses Grusel-Potenzial. Allerdings schneidet das Werk auch nur im direkten Vergleich mit den Vorgängern gut ab. Denn auch diese Blumhouse-Produktion leidet unter Schwächen. Das fängt beim Drehbuch an. So wird dem Zuschauer Judith als toughe, selbständige und durchaus selbstbewusste Golden-Agerin verkauft. Und doch soll das Publikum glauben, dass sie den Vertrag mit der Einrichtung derart schlecht gelesen hat, dass sie von einem Smartphone-Verbot völlig überrascht wird. Schnell ist klar, dass sein Smartphone in ihrem Besitz die Story unglaubwürdig machen würde. Aber eine bessere Erklärung hätte dem Drehbuch-Schreiber gern einfallen dürfen.

Das ist deshalb erwähnenswert, weil solche unglaubwürdigen oder unlogischen Momente im Script leider nicht die Ausnahme sind. Immer wieder erzählt der Film Momente, bei denen aufmerksame Zuschauer die Stirn kräuseln ob der konstruierten Story. Besonders auffällig ist das im lieblosen und sehr überzeichneten Finale. Denn hier kippen die eingeführten Charaktere in einer Geschwindigkeit aus der Rolle, dass man nur den Kopf schütteln kann. Mag die karge Ausstattung dieser Szenen noch am Budget liegen, so ist die schlechte Charakterzeichnung definitiv ein Drehbuch-Problem und wäre mit etwas mehr Sorgfalt sicher zu lösen gewesen.

Kurz, aber nicht kurz genug

Auch der Horroranteil des Films kommt über gelegentlich aufkeimende Spannung nicht hinaus. Oft wirkt der mit knapp 80 Minuten ohnehin sehr kurze Film wie eine etwas verlängerte Episode aus Anthologie-Serien wie „Twilight Zone“ oder „Outer Limits“. Optisch bietet The Manor eigentlich nichts, was sie die Einschätzung ab 16 Jahren rechtfertigen würde. Und das Drehbuch lässt wenig Spekulationen über die Bedrohung der alten Leute zu, viel zu deutlich legt der Film seine Spuren aus. Wer aufmerksam zusieht, dürfte das Rätsel um dieses Altersheim nach 30 Minuten bereits lückenlos gelüftet haben. Auch, weil das oft genutzte, aber eben auch oft Wirkung erzielende Szenario, ob alles wirklich passiert oder die Heldin tatsächlich krank oder wahnsinnig ist, hier zwar versucht, aber nie konsequent durchgezogen wird.

The Manor
Verzweifelt bittet Judith ihren Enkel Josh um Hilfe, doch der ist unentschlossen. Schließlich hat Oma angeblich Alzheimer.

So serviert The Manor eher milden Grusel als echte Schocks, weist Ähnlichkeiten zu Filmen wie „Der verbotene Schlüssel“ oder „Unheimliche Schattenlichter“ auf, und lebt von einer Idee, die nicht über 80 Minuten trägt. Immerhin gibt es ein Wiedersehen mit Barbara Hershey, die bereits auf eine mehr als 40-jährige Karriere in Hollywood zurückblicken kann und auch hier einen guten Job macht. An ihr liegt es nicht, dass der Film arg harmlos ausfällt.

Fazit:

Mit The Manor nimmt Prime Video einen Horrorfilm von Blumhouse ins Programm auf, der zwar im Vergleich zu den beiden anderen Blumhouse-Horrorfilmen vom 1. Oktober deutlich gewinnt, insgesamt aber auch nur Stangenware darstellt. Die Effekte sind selten, aber zumindest in Ordnung, die Story selbst bietet aber bestenfalls sanften Grusel und keinen wirklichen Horror. So erinnert der Film eher an eine zu lange Twilight Zone-Episode als an einen eigenständigen Film. Immerhin ist für ältere Zuschauer das Wiedersehen mit Barbara Hershey eine nette Sache. Wer sich aber nicht auf die Fahnen geschrieben hat, jeden halbwegs akzeptablen Gruselfilm der vergangenen 100 Jahre zu sehen, kann The Manor getrost auslassen, ohne viel zu verpassen.

The Manor startet am 8. Oktober 2021 bei Amazon Prime.