Es Kapitel 2

Filmkritik: Es Kapitel 2

Da ist er nun, der vermutlich am sehnlichsten erwartete Horrorfilm des Jahres! Ziemlich genau zwei Jahre nach „ES“ kommt nun „ES Kapitel 2“ in die deutschen Kinos. Darin müssen Regisseur Andy Muschietti und Drehbuchautor Gary Dauberman den schwierigeren Teil des Mammut-Romans auf die Leinwand bringen – die erwachsenen Verlierer, die nach Derry zurückkommen, um ES endgültig zu besiegen. Haben die beiden das ähnlich gut hinbekommen wie im ersten Teil?

Für viele Fans von Stephen King gehört ES zu seinen besten Werken – und für viele gilt es bis heute als unverfilmbar. Zu viel Handlung passiert auf den mehr als 1000 Seiten, zu viele innere Monologe lassen sich kaum adäquat auf die Leinwand bringen. Dennoch gelang Andy Muschietti mit dem ersten Teil der Verfilmung ein Welterfolg, der bis jetzt mehr als 700 Millionen Dollar eingespielt hat. Und der zumindest in weiten Teilen auch anspruchsvolle Romanfans überzeugen konnte. Ist ihm das erneut gelungen?

Es Kapitel 2
Die Verlierer sind wieder zurück in Derry – die meisten von ihnen aber fast ohne Erinnerung an das Grauen vor 27 Jahren.

Es Kapitel 2: Die Handlung

27 Jahre, nachdem der Club der Verlierer um Bill (James McAvoy) und Beverly (Jessica Chastain) den mörderischen Clown scheinbar getötet hatten, beginnt eine neue Mordserie in der Stadt. Ein junger homosexueller Mann wird nach einer Schlägerei in den Fluss geworfen – und vor den Augen seines Freundes von ES getötet. Mike, der als einziger der sieben Kinder in Derry geblieben ist, kontaktiert daraufhin die anderen Mitglieder: Bill, Beverly, Richie (Bill Hader), Stan, Eddie und Ben. Keiner von ihnen erinnert sich wirklich, was damals passiert ist – und einer von ihnen erscheint gar nicht erst.

Nun müssen die verbliebenen Mitglieder der Gruppe schnellstens ihre Erinnerungen an ES zurückerhalten und sich für den gemeinsamen Kampf gegen das Monster in der Kanalisation bereitmachen. Doch der Clown hat sie nicht vergessen und lauert jedem einzelnen von ihnen auf, als sie durch ihre alte Heimat ziehen und sich an die schicksalsschweren Tage ihrer Kindheit zurückerinnern, die Bills Bruder Georgie das Leben kosteten und sie alle in Lebensgefahr brachte. Haben die Verlierer überhaupt eine Chance gegen das uralte Wesen?

Es Kapitel 2: Tolles Casting, kaum Chemie

Wie man einen Horrorfilm inszeniert, das hat Andy Muschietti auch beim zweiten Teil seines Projekts nicht vergessen oder verlernt. Für sich genommen, gelingen dem Regisseur einige wirklich furchterregende Szenen, allen voran der Beginn des Films, der konsequent das zweite Kapitel des Buches erzählt, so wie Teil eins das erste Kapitel als Eröffnung hatte. Der Tod des jungen Mannes setzt wie schon im Vorgänger die Latte hoch. Doch während Kapitel eins das Niveau halten konnte, entgleitet Muschietti und Dauberman im zweiten Teil einiges.

Das fängt bei der Besetzung an. Die erwachsenen Darsteller sind zwar unglaublich gut gecastet und sehen ihren jungen Versionen erstaunlich ähnlich. Aber während die Kids eine grandiose Chemie untereinander hatten und man im Kino jederzeit die Stärke dieser Freundschaft fühlen konnte, gilt das für die Schauspieler der gealterten Verlierer nur in sehr geringem Maße. Dass diese sieben wirklich füreinander durchs Feuer gehen würden, diese Botschaft transportiert Es Kapitel 2 so gut wie nie. Dabei ist das eine der Schlüssel-Aussagen des Romans.

Es Kapitel 2
Bill verfolgt einen Jungen auf dem Jahrmarkt, denn er fürchtet, dass Pennywise sich den Kleinen holen will.

Es Kapitel 2: Nur handwerklich gut

Überzeugend ist hier nicht viel. Wirklich gut ist beispielsweise die ganze Optik. Die deutlich teurere Produktion im Vergleich zum ersten Teil sieht man in jeder Szene. Einen so opulent ausstaffierten Horrorfilm hat es vermutlich noch nie vorher gegeben. Und auch die Kamera-Arbeit hat Muschietti jederzeit im Griff, wie schon im Vorgänger sitzen die Jump-Scares und die Bilder können sich jederzeit sehen lassen. Dennoch verliert der Regisseur im Lauf des Films sein Gespür dafür, wann es genug ist. Und verdirbt eigentlich starke Szenen, weil er zu viel will.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Szene, in der Beverly in ihre alte Wohnung zurückkehrt. Im Roman extrem gruselig und auch der erste Trailer nutzt einen Teil dieser Sequenz. Doch wo der abbricht, zeigt Muschietti im fertigen Film eine Kreatur, die nicht furchterregend, sondern fast schon albern aussieht. Und je länger der Film läuft – und das sind immerhin stolze 165 Minuten – desto mehr entwickelt sich ES Kapitel 2 zu einer filmischen Geisterbahn, der immer weiter von der Vorlage abweicht und die Essenz von Kings Story aus den Augen verliert.

Es Kapitel 2
Tatsächlich taucht der mörderische Clown auf – und zeigt Bill, wie mächtig er wirklich ist.

Es Kapitel 2: Dauberman schafft es nicht

Natürlich kann niemand ernsthaft erwarten, dass ein Film die ganze Story Kings ohne Änderungen auf die Leinwand bringt. Das hat schon Teil eins nicht getan. Aber worum es im Kern der Geschichte geht, das sollte ein Drehbuchschreiber schon verstehen und auch im Film unterbringen. Hier versagt Dauberman kläglich. Statt tatsächlich angsteinflößende Momente zu schaffen, versucht er es immer stärker mit Monsterattacken, und verhaut das starke Finale des Romans dann völlig. Der Autor klebt viel zu sehr an Pennywise, um die ganze Bandbreite von ES darstellen zu können.

Manche Handlungsstränge des Buches, wie Bills Frau oder Beverlys Mann, wirft Dauberman komplett aus dem Film. Andere wie Henry Bowers sind drin – haben aber für die Handlung überhaupt keine Bedeutung. Und das die sechs Verlierer tatsächlich gegen eine ganze Stadt antreten müssen, die von ES kontrolliert wird – was im ersten Film auch recht gut erzählt wurde – fehlt hier völlig. Die psychologische Tiefe, die der Roman besitzt und den Horror so viel schlimmer macht, ist auch nicht zu finden. Zuschauer, die das Buch nicht gelesen haben und den ersten Film mochten, werden möglicherweise dennoch auf ihre Kosten kommen. Wer Stephen Kings epischen Roman liebt, wird hingegen beim Kinofinale der Saga nur den Kopf schütteln. Muschietti gab mit Teil eins ein Versprechen, das er mit ES Kapitel 2 in keiner Weise einlösen kann.

Fazit:

Oberflächlicher Grusel statt psychologischer Tiefe, optisch stark, aber emotional wenig packend: ES Kapitel 2 bleibt vieles von dem schuldig, was den ersten Film so stark machte. Während Muschietti immerhin eine gefällige und manchmal starke Inszenierung gelingt, hapert es bei Gary Daubermans Drehbuch an allen Ecken und Enden. Und so bleibt am Ende nur eine vage Idee eines großartigen Romans auf der Leinwand. Dauberman setzt auf eine Geisterbahnfahrt statt auf echten Terror. Nur wer das Buch nicht kennt, hat hier vielleicht seinen Spaß.

ES Kapitel 2 startet am 5. September 2019 in den deutschen Kinos.

Wer mehr über aktuelle Stephen King-Umsetzungen wissen möchte, klickt hier.

Beverly durchlebt im Kampf gegen ES die Hölle.